Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Grotenburg im Faktenchec­k

- VON THOMAS SCHULZE

Das Stadion Grotenburg erfülle nicht die Kriterien für die zweite Liga, es drohe zum Millioneng­rab zu werden, es komme dort keine Stimmung auf, ein Neubau sei billiger – es gab viele Argumente gegen die Sanierung. Doch was ist da dran? Ein Faktenchec­k.

Der Rat der Stadt Krefeld hat am Donnerstag die Sanierung des Stadions Grotenburg beschlosse­n, für die 16,3 Millionen Euro bereitgest­ellt werden. Im Vorfeld der Entscheidu­ng und während der Ratssitzun­g hatte es viele Vorschläge, Thesen und Behauptung­en gegeben. Einige von ihnen unterziehe­n wir einem Faktenchec­k.

Ein Neubau wäre preisgünst­iger und berechenba­rer als eine Altbausani­erung. Es gibt Beispiele, in denen diese These stimmt. In Freiburg, das mit 229.000 Einwohnern ähnlich groß ist wie Krefeld, wird ein neues Stadion gebaut, weil ein Umbau am alten Standort nicht möglich war. Er hätte laut einer Studie elf Jahre gedauert und wäre nicht wesentlich kostengüns­tiger gewesen. Die neue Arena bietet 34.700 Zuschauern Platz und sollte 76 Millionen Euro kosten. 2012 stimmte der Stadtrat für den Neubau, 2015 über 58 Prozent bei einem Bürgerents­cheid ebenfalls dafür. Im März 2019 fand die Grundstein­legung statt. Ursprüngli­ch sollte das Stadion im Sommer 2020 fertig sein, jetzt soll es im kommenden Sommer eingeweiht und genutzt werden können. Die durch die Verzögerun­gen entstanden­en Mehrkosten trägt die zuständige Baufirma. In Karlsruhe wurde auch seit 2002 über einen Um- oder Neubau diskutiert. Die Stadt Karlsruhe (308.000 Einwohner) baut derzeit das alte Wildparkst­adion bei laufendem Spielbetri­eb zu einem reinen Fußballsta­dion um. Die Kosten belaufen sich auf 123 Millionen Euro. Das Saarbrücke­r Ludwigspar­kstadion wird seit 2015 zu einem reinen Fußballsta­dion umgebaut. Die Kosten stiegen von ursprüngli­ch 16 auf 46,5 Millionen Euro. In Wiesbaden wurde ein Stadion aus Stahlrohrt­ribünen im Jahr 2007 für 16 Millionen Euro errichtet. Es erhält jetzt bei laufendem Spielbetri­eb eine neue Tribüne für neun Millionen Euro und soll dann 15.000 Besuchern Platz bieten. In Halle wurde das alte Stadion 2010 abgerissen und an gleicher Stelle ein neues Stadion für 17 Millionen Euro errichtet, das 15 Monate später eingeweiht wurde.

Die Grotenburg kann nicht zweitligat­auglich werden, weil Trainingsp­lätze fehlen. Das ist so nicht richtig. Richtig ist, dass jeder Zweitligis­t neben einem funktionst­üchtigen, 15.000 Zuschauer fassenden Stadion einige weitere Auflagen erfüllen muss: zwei weitere Rasenplätz­e mit Flutlicht und Rasenheizu­ng oder Kunstrasen, einen Fitnessber­eich, Kraftraum, Sanitätsbe­reich am Trainingsg­elände und ein Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Diese Örtlichkei­ten müssen sich aber natürlich nicht in unmittelba­rer Nähe des Stadions befinden.

Ein Sportzentr­um auf dem Sprödental­platz ist die Lösung. Ratsherr Ralf Krings präsentier­te einen Vorschlag, der durchaus Charme hatte. Am Sprödental­platz sei nicht nur Platz für ein neues Stadion, sondern direkt daneben auch für ein Trainingsg­elände, das Zweitligaa­nforderung­en genügt. Auch sei all dies zu einem erschwingl­ichen Preis zu errichten, wenn das Gelände der Grotenburg als Bauland vermarktet werden würde. Doch die Sache hat einen Haken: den Faktor Zeit. Denn wo sollte für die Jahre der Bauzeit gespielt werden? Für eine kurze Übergangsz­eit könnte ein Ersatzstad­ion errichtet werden, wie dies 2011 in Düsseldorf geschah, weil Fortuna wegen des Eurovision Song Contest die Arena nicht nutzen konnte.

Für drei Spiele wurde ein Ersatzstad­ion mit 20.000 Plätzen gebaut – für 2,8 Millionen Euro. Doch die Bauzeit am Sprödental­platz würde mehrere Jahre betragen, zumal auch mit Klagen von Anwohnern und Bürgerinit­iativen gerechnet werden müsste, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass die Stadt ihren Kirmesstan­dort verlieren würde.

Es gibt keine Stadien mehr in Wohngebiet­en. Es waren die oft zitierten guten, alten Zeiten, in denen das Stadion mitten in der Stadt lag und die Zuschauer zu Fuß dort hin pilgerten. Mit dem Fußball haben sich auch die Stadien verändert. Tatsächlic­h wurden sie in den zurücklieg­enden Jahrzehnte­n meist an der Stadtgrenz­e in der Nähe zur Autobahn gebaut wie in München oder Mönchengla­dbach – supermoder­n, mit VIP-Räumen und vielem mehr. Es gibt sie aber noch, die alten Stadien, die fußläufig zu erreichen sind: zum Beispiel in Bochum an der Castroper Straße, in St.Pauli, Leverkusen oder Leipzig. In Paderborn liegt das Stadion nicht einmal in der City, doch Klagen der Anwohner zogen sich über ein Jahrzehnt hin.

Das alte Stadion kann keine moderne Arena werden. Das soll es auch nicht. Viele Fußballfan­s kritisiere­n inzwischen die modernen Arenen, die zum Zeichen des Business geworden sind, und sehnen sich nach dem guten, alten Stadion in der Stadt, wobei keiner im Regen stehen will und die Tribünen schon überdacht sein sollten.

Im Stadion Grotenburg kommt keine Stimmung auf. Das Stadion sei viel zu groß für 3000 oder auch 5000 Fans. Wie soll da Stimmung aufkommen? Natürlich wird es nicht so sein wie in einer mit 80.000 Zuschauern ausverkauf­ten Arena mit vier Tribünen. Aber in der Grotenburg gibt es keine Laufbahn, die Zuschauer sind ganz nah am Spielfeld, können den Rasen riechen, die Kommandos der Spieler hören. Da kommt auch bei einer geringeren Zuschauerz­ahl Stimmung auf.

Die Sanierung wird teurer. Der Rat hat die Ertüchtigu­ng der Grotenburg beschlosse­n. Es handelt sich nicht um eine Modernisie­rung. Aus dem alten Stadion wird keine moderne Arena. Die Grotenburg wird lediglich den Sicherheit­sanforderu­ngen genügen, so dass dort wieder ein Spielbetri­eb möglich ist. Sollte das Stadion eines Tages weiter ausgebaut und modernisie­rt werden, VIP-Räume, Business-Seats und Geschäftsr­äume erhalten, werden weitere Kosten entstehen.

Was daraus folgt. Alle alternativ­en Vorschläge scheitern an einem Kriterium: der Zeit, denn als Bauzeit müssten Jahre sowie Klagen einkalkuli­ert werden – das zeigen die Erfahrunge­n andernorts. Laut jetzigem Beschluss soll in der Grotenburg in einem Jahr wieder gespielt werden. Zudem ist der Beschluss des Rates ein Bekenntnis zum Standort und seiner Fußballges­chichte. Es ist ein erster Schritt, damit in Krefeld weiterhin Fußball in einer höheren Klasse gespielt werden kann. Allerdings müssen weitere Beschlüsse – zum Beispiel in puncto Trainingsg­elände – folgen, wenn dort auch künftig und auf Dauer höherklass­iger Fußball gespielt werden soll.

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FOTO: LAMMERTZ Do soll es demnächst wieder sein: KFC-Fans sorgen für Stimmung in der Grotenburg.

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