Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Grotenburg im Faktencheck
Das Stadion Grotenburg erfülle nicht die Kriterien für die zweite Liga, es drohe zum Millionengrab zu werden, es komme dort keine Stimmung auf, ein Neubau sei billiger – es gab viele Argumente gegen die Sanierung. Doch was ist da dran? Ein Faktencheck.
Der Rat der Stadt Krefeld hat am Donnerstag die Sanierung des Stadions Grotenburg beschlossen, für die 16,3 Millionen Euro bereitgestellt werden. Im Vorfeld der Entscheidung und während der Ratssitzung hatte es viele Vorschläge, Thesen und Behauptungen gegeben. Einige von ihnen unterziehen wir einem Faktencheck.
Ein Neubau wäre preisgünstiger und berechenbarer als eine Altbausanierung. Es gibt Beispiele, in denen diese These stimmt. In Freiburg, das mit 229.000 Einwohnern ähnlich groß ist wie Krefeld, wird ein neues Stadion gebaut, weil ein Umbau am alten Standort nicht möglich war. Er hätte laut einer Studie elf Jahre gedauert und wäre nicht wesentlich kostengünstiger gewesen. Die neue Arena bietet 34.700 Zuschauern Platz und sollte 76 Millionen Euro kosten. 2012 stimmte der Stadtrat für den Neubau, 2015 über 58 Prozent bei einem Bürgerentscheid ebenfalls dafür. Im März 2019 fand die Grundsteinlegung statt. Ursprünglich sollte das Stadion im Sommer 2020 fertig sein, jetzt soll es im kommenden Sommer eingeweiht und genutzt werden können. Die durch die Verzögerungen entstandenen Mehrkosten trägt die zuständige Baufirma. In Karlsruhe wurde auch seit 2002 über einen Um- oder Neubau diskutiert. Die Stadt Karlsruhe (308.000 Einwohner) baut derzeit das alte Wildparkstadion bei laufendem Spielbetrieb zu einem reinen Fußballstadion um. Die Kosten belaufen sich auf 123 Millionen Euro. Das Saarbrücker Ludwigsparkstadion wird seit 2015 zu einem reinen Fußballstadion umgebaut. Die Kosten stiegen von ursprünglich 16 auf 46,5 Millionen Euro. In Wiesbaden wurde ein Stadion aus Stahlrohrtribünen im Jahr 2007 für 16 Millionen Euro errichtet. Es erhält jetzt bei laufendem Spielbetrieb eine neue Tribüne für neun Millionen Euro und soll dann 15.000 Besuchern Platz bieten. In Halle wurde das alte Stadion 2010 abgerissen und an gleicher Stelle ein neues Stadion für 17 Millionen Euro errichtet, das 15 Monate später eingeweiht wurde.
Die Grotenburg kann nicht zweitligatauglich werden, weil Trainingsplätze fehlen. Das ist so nicht richtig. Richtig ist, dass jeder Zweitligist neben einem funktionstüchtigen, 15.000 Zuschauer fassenden Stadion einige weitere Auflagen erfüllen muss: zwei weitere Rasenplätze mit Flutlicht und Rasenheizung oder Kunstrasen, einen Fitnessbereich, Kraftraum, Sanitätsbereich am Trainingsgelände und ein Nachwuchsleistungszentrum. Diese Örtlichkeiten müssen sich aber natürlich nicht in unmittelbarer Nähe des Stadions befinden.
Ein Sportzentrum auf dem Sprödentalplatz ist die Lösung. Ratsherr Ralf Krings präsentierte einen Vorschlag, der durchaus Charme hatte. Am Sprödentalplatz sei nicht nur Platz für ein neues Stadion, sondern direkt daneben auch für ein Trainingsgelände, das Zweitligaanforderungen genügt. Auch sei all dies zu einem erschwinglichen Preis zu errichten, wenn das Gelände der Grotenburg als Bauland vermarktet werden würde. Doch die Sache hat einen Haken: den Faktor Zeit. Denn wo sollte für die Jahre der Bauzeit gespielt werden? Für eine kurze Übergangszeit könnte ein Ersatzstadion errichtet werden, wie dies 2011 in Düsseldorf geschah, weil Fortuna wegen des Eurovision Song Contest die Arena nicht nutzen konnte.
Für drei Spiele wurde ein Ersatzstadion mit 20.000 Plätzen gebaut – für 2,8 Millionen Euro. Doch die Bauzeit am Sprödentalplatz würde mehrere Jahre betragen, zumal auch mit Klagen von Anwohnern und Bürgerinitiativen gerechnet werden müsste, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass die Stadt ihren Kirmesstandort verlieren würde.
Es gibt keine Stadien mehr in Wohngebieten. Es waren die oft zitierten guten, alten Zeiten, in denen das Stadion mitten in der Stadt lag und die Zuschauer zu Fuß dort hin pilgerten. Mit dem Fußball haben sich auch die Stadien verändert. Tatsächlich wurden sie in den zurückliegenden Jahrzehnten meist an der Stadtgrenze in der Nähe zur Autobahn gebaut wie in München oder Mönchengladbach – supermodern, mit VIP-Räumen und vielem mehr. Es gibt sie aber noch, die alten Stadien, die fußläufig zu erreichen sind: zum Beispiel in Bochum an der Castroper Straße, in St.Pauli, Leverkusen oder Leipzig. In Paderborn liegt das Stadion nicht einmal in der City, doch Klagen der Anwohner zogen sich über ein Jahrzehnt hin.
Das alte Stadion kann keine moderne Arena werden. Das soll es auch nicht. Viele Fußballfans kritisieren inzwischen die modernen Arenen, die zum Zeichen des Business geworden sind, und sehnen sich nach dem guten, alten Stadion in der Stadt, wobei keiner im Regen stehen will und die Tribünen schon überdacht sein sollten.
Im Stadion Grotenburg kommt keine Stimmung auf. Das Stadion sei viel zu groß für 3000 oder auch 5000 Fans. Wie soll da Stimmung aufkommen? Natürlich wird es nicht so sein wie in einer mit 80.000 Zuschauern ausverkauften Arena mit vier Tribünen. Aber in der Grotenburg gibt es keine Laufbahn, die Zuschauer sind ganz nah am Spielfeld, können den Rasen riechen, die Kommandos der Spieler hören. Da kommt auch bei einer geringeren Zuschauerzahl Stimmung auf.
Die Sanierung wird teurer. Der Rat hat die Ertüchtigung der Grotenburg beschlossen. Es handelt sich nicht um eine Modernisierung. Aus dem alten Stadion wird keine moderne Arena. Die Grotenburg wird lediglich den Sicherheitsanforderungen genügen, so dass dort wieder ein Spielbetrieb möglich ist. Sollte das Stadion eines Tages weiter ausgebaut und modernisiert werden, VIP-Räume, Business-Seats und Geschäftsräume erhalten, werden weitere Kosten entstehen.
Was daraus folgt. Alle alternativen Vorschläge scheitern an einem Kriterium: der Zeit, denn als Bauzeit müssten Jahre sowie Klagen einkalkuliert werden – das zeigen die Erfahrungen andernorts. Laut jetzigem Beschluss soll in der Grotenburg in einem Jahr wieder gespielt werden. Zudem ist der Beschluss des Rates ein Bekenntnis zum Standort und seiner Fußballgeschichte. Es ist ein erster Schritt, damit in Krefeld weiterhin Fußball in einer höheren Klasse gespielt werden kann. Allerdings müssen weitere Beschlüsse – zum Beispiel in puncto Trainingsgelände – folgen, wenn dort auch künftig und auf Dauer höherklassiger Fußball gespielt werden soll.