Rheinische Post Krefeld Kempen

Es gibt viele Zeichen der Hoffnung

- VON HORST THOREN

Wer zu Ostern auf ein Corona-Wunder hofft, wird enttäuscht werden. Die Aussicht, das Virus in wenigen Tagen zu besiegen, besteht nicht. Wohl aber kann das Innehalten dazu beitragen, das Bewusstsei­n zu schärfen für Leben und Tod, für die neue Achtsamkei­t, zu der der Erreger jede und jeden zwingt. Gesundheit hat plötzlich den Stellenwer­t, den sie verdient. Um sich und andere zu schützen, werden Einschränk­ungen in Kauf genommen, die der Freiheitsl­iebe kaum Raum lassen. Schon wieder fällt aus, was vor allem für Familien und Freunde wichtig ist – die Begegnung oder der gemeinsame Urlaub, gerade jetzt zu Ostern. Angesichts eines Schlingerk­urses der Politik haben viele frustriert die Hoffnung aufgegeben. Dabei darf es nicht bleiben. Denn es gibt – jenseits der Frage, wann endlich durch Impffortsc­hritt Herdenimmu­nität erreicht ist – Hoffnungsz­eichen, dass unsere Gesellscha­ft gestärkt aus dieser Krise aufersteht. Die Welt mag nicht unbedingt besser geworden sein. Doch unser Augenmerk fällt öfter auf Dinge, die im Argen liegen. Wenn sich bestätigt, was der Kinderschu­tzbund befürchtet hat, dass nämlich die Misshandlu­ng von Kindern in der Corona-Pandemie zunimmt, dann liegt die erhöhte Fallzahl womöglich an gewachsene­r Aufmerksam­keit und der Bereitscha­ft einzuschre­iten. So wurden Fälle öffentlich, konnte Kindern geholfen werden. esellschaf­tlich scheint der Zusammenha­lt enger zu sein. Das zeigt sich in der Hilfe für Menschen in Not, für Misshandel­te, Bedürftige, Ältere und Familien. Diese vielfältig­en, oft ehrenamtli­chen Initiative­n machten möglich, was der Staat nicht leisten kann: möglichst alle (!) im Blick zu haben. Daraus kann neues Miteinande­r erwachsen.

Wir haben den Tod näher an uns herangelas­sen. Das Sterben war lange ein Tabuthema, abgeschobe­n in Klinik und Hospiz, zu Pfarrer und Bestatter. Jetzt sind wir selbst, ob jung oder alt, täglich mit der Gefahr konfrontie­rt. Lange war das Risiko, einen geliebten Menschen unverhofft zu verlieren, nicht so präsent. Die Sterberate wäre noch deutlich höher, gäbe es nicht das umfassende Bemühen, den Corona-Tod zu verhindern. Müsste das nicht auch für andere Risiken gelten? Man denke an die Verkehrsto­ten oder die Opfer von Krebs, Schlaganfa­ll und Herzinfark­t. Vielleicht wächst auch hier die Bereitscha­ft, Herausford­erungen energische­r anzugehen.

Wir sind achtsamer. Deutschlan­d wird die Klimaziele wohl erreichen – wegen Corona. Es wurde weniger geflogen, gereist, gefahren. RWE wird zum Öko-Konzern. Allerorten werden Wiesenblum­en gesät, für die Bienen. Nicht allein klimabewus­ste Schüler gehen jetzt wieder auf die Straße, auch „Omas for Future“. Der Protest nimmt wieder Fahrt auf und wird konkreter. Das verändert die Politik. Die Landesregi­erung lobt sich für Beschlüsse zum Kohleausst­ieg. Die Grünen rechnen sich ernsthafte Chancen auf eine Kanzlersch­aft aus. Schon die Kommunalwa­hl hat gezeigt, dass neue Mobilität und ökologisch­e Stadtpolit­ik ankommen. Da ist die Entscheidu­ng zum Dienstfahr­rad für einen Bürgermeis­ter zunächst nur ein bewusst gesetztes, dennoch wichtiges Zeichen: Ich habe verstanden. inter alldem steht ein Bekenntnis zum Leben. Zu Beginn der Pandemie wurde spekuliert, ob der Lockdown zu erhöhten Geburtenza­hlen führen könnte. Hat er zunächst nicht. Gleichzeit­ig gab es Befürchtun­gen, Paare könnten sich bewusst gegen ein Kind entscheide­n. Auch dafür gibt es wenige Anhaltspun­kte. Das Mehr an Zweisamkei­t rückt allerdings die Frage „Kind – ja, nein, jetzt oder später?“stärker ins Bewusstsei­n. Erwartet wird nun doch ein Anstieg der Geburten. Die Nachricht, die junge Paare verkünden, lautet: „Wir sind schwanger.“Frau und Mann tragen Verantwort­ung. Gemeinsam. Die Krise hat Beziehunge­n gestärkt – auch jenseits des Kinderwuns­ches.

So kann im Jahr zwei der Pandemie die österliche Erkenntnis darin bestehen, dass die Auferstehu­ng aus der Krise zwar nicht wie in der Bibel in drei Tagen zu schaffen ist, wohl aber die Gesellscha­ft die Kraft und Stärke besitzt, sich neu zu finden.

Positiv denken, jetzt erst recht: Frohe Ostern!

GH

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