Rheinische Post Krefeld Kempen
„Die Menschen brauchen Perspektiven“
Der saarländische Ministerpräsident wirbt für seinen „Systemwechsel“in der Corona-Pandemie und plädiert im Rennen um das Kanzleramt für ein „Team von Köpfen“in seiner Partei.
von Wirtschaft und Freizeit macht und bei den Schulen wieder einen Schritt zurückgeht. Wenn uns die Lage entgleitet, brauchen wir einen Lockdown, der alle trifft. Wir haben bereits gute Erfahrungen mit Testen und Wechselunterricht. Wenn wir das Testen verpflichtend machen, können wir mehr wagen und zugleich Schäden vermeiden, die dann drohen, wenn Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum keinen Unterricht haben.
Also wollen Sie jeden Tag vor der Schule testen?
HANS Täglich werden wir das nicht schaffen. Nach einer Studie der TU Berlin kann aber regelmäßiges Testen auf der Basis von zwei Malen pro Woche den R-Wert um 0,8 senken. Das ist genau das, was wir im Moment bereits auf freiwilliger Basis tun. In diese Richtung wird auch die von uns im Saarland vereinbarte Testpflicht gehen.
Wie kommt nach Ihrem Eindruck der neue CDU-Chef Armin Laschet an der CDU-Basis an?
HANS Armin Laschet hat den Rückhalt der Partei. Die Basis ist wirklich erleichtert, dass diese offene Macht-Auseinandersetzung um die Parteispitze beendet ist. Armin Laschet hat diese Woche eine tolle Rede gehalten. Darin hat er wieder deutlich gemacht, dass er an der Einheit der Union arbeiten möchte und dass er weiter nach vorne bringen will, worin er als Ministerpräsident von NRW sehr erfolgreich war:
Entbürokratisierung, Aufbruch nach Corona, neue Arbeitsplätze durch wirtschaftliche Synergien und konsequente Digitalisierung – das sind genau die Schlagworte, nach denen die Basis dürstet. Mit diesem Bild der Modernität kommt der neue Parteivorsitzende gut an.
Ist das Rennen um die Kanzlerkandidatur zwischen Armin Laschet und Markus Söder wirklich noch offen?
HANS Es hat sich bewährt, dass die Vorsitzenden von CDU und CSU zusammen überlegen, mit wem wir die besten Chancen haben.
Nach den Umfragen ist das klar: Söder hat die besten Chancen, Laschet liegt sogar hinter Scholz, Habeck und Baerbock zurück. Warum eigentlich?
HANS Ich kann mich erinnern, dass auch Angela Merkel, bevor sie Kanzlerin war, nicht immer die allerbesten Umfrageergebnisse hatte. Im Vordergrund steht die Frage, mit welcher Personalaufstellung die Union die größte Chance hat, den nächsten Kanzler zu stellen. Dann geht es um die Fähigkeit, die meisten Stimmen bei der Bundestagswahl zu gewinnen und für Geschlossenheit in der Partei zu sorgen.
Dass die Union von 35 auf 25 Prozent
abstürzte binnen sechs Wochen: War das ein Ausrutscher, oder kann es noch schlimmer kommen? HANS Wir sind noch mal da gelandet, wo wir vor dem Ausbruch von Corona waren. Das ist auch Ausdruck dafür, dass nach über einem Jahr Pandemie die Menschen nicht mehr zu 100 Prozent hinter unserem Vorgehen stehen. Die Lockdown-Müdigkeit macht sich auch bei der führenden Volkspartei in Deutschland fest. Und es wird immer klarer, dass die beliebte und erfolgreiche Kanzlerin nicht wieder antreten wird. Dazu gibt es bei uns noch ein personelles Vakuum. Wir haben kein Abo aufs Kanzleramt, deshalb müssen wir uns jetzt zusammenreißen. Ich habe kein Verständnis für irgendwelche Eifersüchteleien oder Sticheleien.
Genau das erleben wir gerade zwischen Söder, Laschet und Merkel. HANS Das muss aufhören. Das bringt uns kein bisschen weiter. Wir haben uns auf unser Regierungshandeln zu konzentrieren. Es darf vor allem nicht zur Vermischung von Corona-Politik und Parteipolitik kommen. Ich werbe hier für Osterruhe.
Hat Söder recht, wenn er sagt, dass man Merkel-Stimmen nur mit Merkel-Politik bekommt?
HANS Ja, es braucht eine pragmatische Politik. Wir stecken in der größten Krise, in der Nachkriegs-Deutschland jemals war. Es wird darauf ankommen, das fortzusetzen, was gut gelaufen ist, und gleichzeitig auch neue Akzente zu setzen. Nach 16 Jahren Kanzlerschaft einer Person braucht es neue Impulse. Die Union muss einen Neuaufbruch verkörpern. Dafür brauchen wir mehr als ein Regierungsprogramm und einen Kanzlerkandidaten, sondern ein ganzes Team von Köpfen.