Rheinische Post Krefeld Kempen
Was bei der Wandlung passiert
Brot und Wein verwandeln sich in der Eucharistie in Blut und Leib Christi – wirklich?
Der Vorher-Nachher-Effekt ist bei Restaurierungen immer wieder überwältigend – so auch diesmal beim Hochaltar in St.Cyriakus in Hüls, der schönsten Kirche am Niederrhein: Der neogotische Altar leuchtet, und die Türen, die man trotz ihrer eher geringen Ausmaße Tore nennen möchte, strahlen in epischer Fülle Licht und Kostbarkeit aus. Der Tabernakel birgt das Allerheiligste der katholischen Liturgie: den Leib Christi, Hostien also, die sich in der Messe von Brot in den Leib Christi verwandelt haben. Wie das? Für die Augen bleibt das Brot Brot.
„Ich sag den Kommunionkindern immer: Man kann es nicht beweisen“, sagt Pfarrer Paul Jansen. Nicht beweisen nämlich, dass sich das Brot in den Leib Christi verwandelt. In drastischer Manier wird über diese Wandlung schon im Johannesevangelium gestritten: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch“, sagt Jesus und provoziert damit die Gegenfrage „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“Jesus bleibt konsequent bei der Gleichsetzung von Leib und Brot: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohns und trinkt sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.“
Menschenfleisch? Pfarrer Jansen erwidert: „Das ist ein Realsymbol“, die äußere Gestalt von Brot und Wein bleiben demnach auch nach der Wandlung erhalten. In der mittelalterlichen Philosophie wurde dazu die Lehre von Akzidens und Substanz entwickelt: Akzidens ist demnach die äußere Form mit den äußeren Eigenschaften und der sichtbaren Materie, die Substanz meint das Wesen des Äußeren. Mit den Worten von Thomas von Aquin: Akzidens ist „an etwas“und „zu etwas Seiendem gehörig“, Substanz ist das Seiende selbst. Die Substanz also wandelt sich und nur sie: Man kann es nicht beweisen, wohl aber gegen materialistische (oder bewusste kirchenfeindliche) Missverständnisse in Schutz nehmen.
Die Katholiken haben die Wandlung konsequent in Liturgie, Kirchen- und Altarbauten sowie in den Umgang mit den geweihten
Hostien übersetzt. Die Pracht des Tabernakels in St. Cyriakus ist Ausdruck der Kostbarkeit dessen, was in ihm geborgen wird: der Leib Christi. Wenn geweihte Hostien auf den Boden fallen und beschmutzt oder zerstört werden, dass sie nicht mehr gegessen werden können, werden sie nicht weggeworfen, sondern im „Sacrarium“feierlich bestattet. In St. Cyriakus ist das eine Öffnung hinter dem Altar, die ins Erdreich und damit in geweihte Erde führt. Am Gründonnerstag, berichtet Pfarrer
Jansen, werden die Hostien in einen Seitenaltar getragen; der Tabernakel im Hauptaltar bleibt offen und leer – Zeichen für die Abwesenheit des Herrn, der Karfreitag am Kreuz stirbt und hinabsteigt in das Reich des Todes.
Auch im evangelischen Raum haben Hostien oder das Brot aus dem Abendmahl einen besonderen Rang. Beim Kirchentag 2001 gab es massiven inner-evangelischen Streit um ein sogenanntes „Feierabendmahl“, bei dem Brot und Wein durch eine
Mahlzeit ersetzt und die Einsetzungsworte geändert werden sollten in „Mein Leben für euch“– die drastische Erinnerung an Jesu Opfertod sollte so abgemildert werden. Es gab einen Proteststurm, der dazu führte, dass die Kirchenleitung der gastgebenden Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau diesen liturgischen Entwurf ablehnten. Blut blieb Blut Christi, Leib blieb Leib Christi.
Luther hat die katholische Lehre vom Abendmahl abgelehnt; dass Christus in den gewandelten Hostien präsent und damit verfügbar war, war für ihn nicht denkbar. Er misstraute auch der katholischen Opferlehre, wonach das Opfer Christi in der Liturgie vom Priester kraft seiner Weihe und eines Amtes wiederholt wird. Luther pochte darauf, dass Christus ganz und gar Herr des Geschehens ist. Auch Luther ging aber davon aus, dass Christus im Abendmahlsgeschehen real gegenwärtig und den Menschen nahe war. In dieser Lehre von der Realpräsenz sind sich Katholiken und Lutheraner heute sehr nahe, so nahe, dass die Theologie des Abendmahls eigentlich nicht mehr kirchentrennend sein müsste.
Paradoxerweise liegen Lutheraner und Reformierte, also die Anhänger von Zwingli und Calvin, weiter auseinander als Lutheraner und Katholiken. Für die Reformierten ist das Abendmahl vor allem ein Zeichen der Erinnerung und kein Geschehen, das zur Realpräsenz Christi führt. Der Streit, der schon zwischen Luther und Zwingli unversöhnlich ausgetragen wurde, mündete erst 1973 in einen Vertrag (die Leuenberger Konkordie), der den Streit ums Abendmahl beendete und das gemeinsame inner-evangelische Abendmahl ermöglichte. Erst 1973! Man sieht: Beim Streit um das Abendmahl geht es um ein Herzstück kirchlichen Lebens.
Warum eigentlich? Weil es dabei immer auch um das Kirchenverständnis geht. Kirche ist das Versprechen, dass Christus den Menschen im Diesseits, in der Geschichte, in unserer Zeit nahe bleibt; die Eucharistie ist dafür der tiefste Ausdruck. Insofern ist die Kirche in der Eucharistie der Ort der Hoffnung, des Heils und der Zuversicht für Christenmenschen. Darum sind Kirchen und in ihnen der Tabernakel oft so schön und so besonders.