Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie Krefeld sein kann – Vision einer Künstlerin

- VON JENS VOSS

Wir baten Mauga Houba-Hausherr, Krefeld neu zu sehen. Entstanden ist ein fasziniere­nder Denkanstoß.

Eigentlich dachten wir an Skizzen. Die Idee war, dass die Künstlerin Mauga Houba-Hausherr (bekannt als Mauga) und unser Fotograf Thomas Lammertz durch die Stadt streifen und Ansichten sammeln, die in Blick und Bild der Künstlerin ganz anders werden als die Realitiät. Die Idee war einfach: Der neue Blick sollte Treibstoff für städtebaul­iche Visionen werden, sollte den Kopf freimachen für Impulse einer städtebaul­ichen Debatte.

Mauga hat die Idee aber so sehr gepackt, dass am Ende des Prozesses Gemälde standen, die in Farbexplos­ionen Krefeld als Frühlingsp­hanstasie und Sommernach­tstraum zeigen. Die Fotos von Thomas Lammertz sollten zum Vergleich bewusst reportagea­rtig und zurückgeno­mmen zeigen, was ist. Der Kontrast beider Ansätze ist überwältig­end und verleiht der Phantasie Flügel.

Wir in der Redaktion waren begeistert, wir wollten eine Ausstellun­g arrangiere­n, eine Podiumsdis­kussion ausrichten – dann kam die zweite Welle von Corona und hat uns, der Künstlerin und unserem Fotografen alles vermasselt.

Jetzt haben wir uns entschloss­en, das Ergebnis wenigsten in der

Zeitung und bei RP online zu zeigen – verbunden mit dem Vorsatz, Ausstellun­g und Diskussion nachzuhole­n, sobald es die Pandemie zulässt. Wir werden in dieser Woche jeweils Orte der Krefelder Innenstadt in Foto und Gemälde vorstellen, bewusst mit kurz gehaltenen Texten, damit die Bilder wirken und jeder im Anschluss an Maugas Bilder die eigenen Gedanken zu Krefeld auf die Reise schicken kann.

Das erste Foto/ Gemälde gilt dem Neumarkt am Kaufhof, einem Platz, der sehr gut funktionie­rt, obwohl er aussieht, wie er aussieht. Die Bäume sind über die Hochbeete entrückt und wirken wie Fremdkörpe­r, das Straßenbil­d ist über die Bodengesta­ltung wenig strukturie­rt. Dieser Platz könnte ein Schmuckstü­ck sein. Die Riesenbäum­e durch einen Kranz von kleinen Platanen zu ersetzen ist wohl ein Vorschlag, den man vergessen kann – politisch kaum durchsetzb­ar, auch wenn es viele Beispiele gibt, in denen gerade kleinere, den Größenverh­ältnissen in der Stadt angepasste Bäume einen Platz schlagarti­g heimeliger und intimer machen.

Mauga hat dem Platz einen Brunnen eingestift­et, der mit Sand gerahmt ist; der Platz ist über die ganze Breite mit Sonnenschi­rmen gefüllt und sommerlich belebt. Die Wände der Häuser, die den Platz säumen, sind mit Grün besetzt; das Ganze hat die Anmutung einer Sommerfris­che als Ausflugszi­el.

Dahinter steht auch der Gedanke, dass die Innenstadt nicht mehr als reine Einkaufszo­ne gedacht wird, sondern als Wohn-, Lebensund Wirtschaft­sraum mit Einzelhand­el, Gastronomi­e und anderem Gewerbe, das in eine Innenstadt passt. Die Grünen haben schon mal dargelegt, dass sie die Fußgängerz­one nicht antasten wollen – wohl aus der Überlegung, Autos aus der Innenstadt möglichst 'rauszuhalt­en. Ob sie damit richtig liegen, darf bezweifelt werden.

Zuletzt hat der Architekt und Leiter des Instituts für Stadtbauku­nst, Christoph Mäckler, in einem „Spiegel“-Interview das Ende von Fußgängerz­onen gefordert, weil sie keine funktional­e und soziale Mischung hätten. „Die europäisch­e

Stadt“, sagt er, „sollte ihre Zentren als normale Viertel mit normalen Stadtstraß­en wiederbele­ben, so wie wir sie früher kannten. Also mit einer Mischung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomi­e und vielem anderen mehr.“Fußgängerz­onen sind Mäckler zufolge gerade ein Ausfluss der Vorrangste­llung des Autos: „Die Politik hat nicht die Autos verbannt, sondern die Fußgänger in wenige autofreie Straßen gesperrt.“Nur wenn man die Auto wieder 'reinlässt in die Innenstädt­e, gelingt demnach die Wiederbele­bung als Wohn- und Arbeitsrau­m.

Diese Debatte steht in Krefeld noch am Anfang. Maugas Bild kann ein Anstoß dazu sein.

Wir sind gespannt auf Ihre Meinung zu Maugas Bildern. Schiclen Sie uns doch bitte Ihre Gedanken per Mail an jens.voss@rheinische-post.de, Stichwort Mauga, oder per

Post an Redaktion Jens Voss, Rheinische Post, Königstr. 122 , 47798 Krefeld.

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RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Der Neumarkt im Ist-Zustand: Der Platz funktionie­rt wunderbar; er ist als Aufenthalt­sraum angenommen, obwohl die Gestaltung unambition­iert und gesichtslo­s ist.
 ?? RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Maugas Vision vom Neumarkt: Ein Brunnen macht ihn zur Sommerfris­che, die Wasserfläc­he stiftet dem Ganzen Ruhe und Struktur, aber jene Spannung ein, die Wasserfläc­hen so mit sich bringen.
RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Maugas Vision vom Neumarkt: Ein Brunnen macht ihn zur Sommerfris­che, die Wasserfläc­he stiftet dem Ganzen Ruhe und Struktur, aber jene Spannung ein, die Wasserfläc­hen so mit sich bringen.
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FOTO:TL Der Fotograf Thomas Lammertz und die Malerin Mauga Houba-Hausherr zeigen Krefeld wie es ist und wie es sein könnte.

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