Rheinische Post Krefeld Kempen
Schöne Schuhe in der Kunst
Die Ludwiggalerie Oberhausen präsentiert berühmte und immer erstaunliche Fußbekleidung: von chinesischen Kuriositäten bis hin zu Joschka Fischers Sneakers.
OBERHAUSEN Der Schuh ist Machtund Statussymbol, er ist Ausdruck von Coolness – und manchmal alles gleichzeitig. Zum Beispiel bei der Vereidigung von Joschka Fischer als erster grüner Umweltminister im Jahr 1985 im hessischen Landtag: Da waren seine weißen Turnschuhe ein Zeichen für Sponti-Coolness, die es in den Machtbereich der deutschen Landesregierungen geschafft hatte. Ein Foto der Vereidigung ist in der aktuellen Themenausstellung in der Ludwiggalerie Oberhausen zu sehen: „Art About Shoes – Von Schnabelschuh bis Sneaker“.
Die ungewöhnliche Idee einer Schuh-Schau im Kunstmuseum hängt damit zusammen, dass seit Kurzem ein überdimensionaler Schuh vor der Ludwiggalerie steht: Für den Sockel vor dem Schloss Oberhausen, auf dem früher ein Werk von Keith Haring stand, hat nun Heiner Meyer eine Großskulptur gefertigt.
Der Bielefelder Heiner Meyer ist Pop-Art-Künstler der zweiten Generation, und das Thema Schuhe kommt in seiner Kunst häufig vor: High Heels und schnelle Autos, Overknees und Nagellack, aber auch edle Orchideen wie der „Frauenschuh“kommen in seinen Gemälden vor, die von einem glänzenden Luxusleben in der Waren- und Konsumgesellschaft erzählen – allerdings manchmal durchaus gebrochen, mindestens durch ungewöhnliche Perspektiven. Ihm ist eine Ausstellung in der Ausstellung gewidmet: „Deutsche Pop Art im Stiletto-Format“nimmt das ganze erste Geschoss ein.
Dass man sich am glatten PopArt-Stil Heiner Meyers recht schnell satt sieht, ist das einzige Manko der Schau, denn wer die beiden anderen Stockwerke erklimmt, kann eine enorme stilistische und historische Bandbreite an Schuh-Kunstwerken entdecken. Das meint in den meisten Fällen: Die Thematisierung von Schuhen in Gemälden, Fotografien oder Skulpturen.
Neben Joschka Fischers Turnschuh-Vereidigung hat als Foto etwa Freddie Mercurys ikonische Pose in Adidas-Sneakers beim Live-Aid-Festival in London, festgehalten von Neal Preston, nach Oberhausen gefunden. Und Lynn Goldsmith, der eigentlich Rolling-Stones-Fan war, hat bei einem Zusammentreffen mit den Beatles 1964 nicht die Pilzköpfe, sondern nur ihre glänzenden Lederstiefeletten in grauen Anzughosen festgehalten. „Viel zu bieder, diese Jungs“, wollte er wahrscheinlich sagen.
Die Kunstwerke von der Antike über das Mittelalter bis zu zeitgenössischer Kunst sind in unterschiedlichen Abteilungen präsentiert: Ein ganzer Bereich ist etwa dem roten Schuh gewidmet, der genauso Machtausdruck sein konnte und kann (etwa als Fußbekleidung von Päpsten oder Königen) wie Sexsymbol (als roter Lack-High-Heel) oder niedliches Kinder-Kleidungsstück. Ein Familien-Polaroid von Linda McCartney entfaltet so eine starke, über die persönlich-private Bedeutung hinausgehende Wirkung, weil es eine ihrer Töchter leicht unscharf und von hinten in langem Mantel und in roten Stiefeln zeigt – wie einen Märchencharakter.
Die Kuratoren der Schau sparen in der Präsentation auch den politischen Bereich nicht aus, zeigen etwa das großformatige Werk des Bananensprayers Thomas Baumgärtel, der über den Schuhberg von in Ausschwitz Getöteten gearbeitet hat. Oder die Skulptur des Ruhrgebiets-Künstlers Christoph Platz, der in „Göringringring“die skurrile Tatsache thematisiert, dass vor einigen Jahren eine seidene Unterhose Hermann Görings für 3000 Euro versteigert wurde.
Joschka Fischers Turnschuh-Auftritt war ein Zeichen für Sponti-Coolness