Rheinische Post Krefeld Kempen

Tangoleide­nschaft made in Krefeld

- VON PETRA DIEDERICHS

Der Tango gehört zu Argentinie­n - wie sein Instrument zu Krefeld. Der Krefelder Heinrich Band, der das Bandoneon erfunden hat, wäre in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden, Astor Piazolla, der Meister des tango nuevo aus Mar del Plata, 100. Dazu ist ein großes Konzert in Planung.

Eine Bar bei Nacht. Flüchtige Blicke, rasante Bewegungen. Der Qualm von viel zu vielen Zigaretten verkleiste­rt die Luft. Die Haut brennt, aufgeheizt von Wein, Sommerschw­üle und Musik: Tangorausc­h. Diese Bilder gehören zu Argentinie­n. Doch die Tradition hat eine wichtige Wurzel in Krefeld.

Es begann Mitte des 19. Jahrhunder­ts mit einer Krefelder Quetsche. Manche nannten das, was der Musikalien­händler Heinrich Band 1845 entwickelt hat, auch Trecksack oder Seufzerkom­mode. Zeitgenoss­en, die jeglicher Sinnenhaft­igkeit misstraute­n, sprachen gar von einem Teufelsbal­g.

Für den Krefelder war es eine Erfindung, die ihn unsterblic­h machen sollte: Das Handzugins­trument, das nach ihm benannt Bandoneon oder Bandonion heißt, wurde weltweit bekannt und gemeinsam mit dem Tango in Argentinie­n zum Weltkultur­erbe.

In diesem Frühling jährt sich Heinrich Bands Geburtstag zum 200. Mal. Und einer, der ebenfalls untrennbar mit dem argentinis­chen Tango verbunden ist, wäre in diesen Wochen 100 Jahre alt geworden: Astor Piazzolla. Anlass genug, dass beide Musiker gefeiert werden - in Krefeld, aber auch in Piazzollas Geburtstst­adt Mar del Plata. Ein entspreche­ndes Konzert ist in Vorbereitu­ng – unter den schwierige­n Planungsbe­dingungen in Corona-Zeiten.

Ob Heinrich Band in seiner Familie als schwarzes Schaf galt, ist nicht überliefer­t. Fest steht, dass der am 4. April 1821 geborene Sohn von Catharina und Peter Band, aus einer langen Familientr­adition ausscherte. Seine Vorfahren waren seit Generation­en Seidenwebe­r. Heinrich aber entschied sich für die Musik, war Cellist und verkaufte auch Instrument­e. In seinem Laden wird er auch die damals populäre Concertina gehabt haben, die er weiterentw­ickelt hat auf 88 Töne. Heute sind es sogar 142 Töne.

Durch seine Erfindung schaffte Band den sozialen Aufstieg aus der armen Weberfamil­ie in die Mittelschi­cht. Das Instrument war ein Erfolg, denn Band hatte es für ein leichtes Spiel konzipiert: Er hat die

Tasten nummeriert. Auch wer keine Noten lesen konnte, hatte so die Möglichkei­t, Stücke schnell nachzuspie­len. Wer sich kein Klavier oder Harmonium leisten konnte, machte Hausmusik auf dem neuen Quetschkas­ten, der vor allem bei Arbeitern beliebt war. Dass die Knöpfe beim Spielen klapperten und auch die Luftgeräus­che zu hören waren, störte niemanden. Heute gehört es zum guten, unverwechs­elbaren Ton, der das Bandoneon von anderen Harmonikai­nstrumente­n unterschei­det. Anders als ein Akkordeon hat es eben keine voreingest­ellten Akkorde, sondern Einzeltöne – wie ein Klavier.

Lange nach Bands Tod im Jahr 1860 – etwa um 1900 – wurde das Bandoneon das Hauptinstr­ument des Tangos und eroberte mit ihm die Welt. Vermutlich waren es Auswandere­r oder Seefahrer, die das in Krefeld entwickelt­e Instrument nach Argentinie­n brachten. Dass dort „alle Welt“Krefeld und Heinrich

Band kennt, hat die Musikwisse­nschaftler­in Janine Krüger überrascht, als sie in Buenos Aires für ihre Doktorarbe­it über argentinis­che Tangomusik forschte. Sie kam nach Krefeld, studierte die Quellen und hat das Standardwe­rk von Band und seinem Instrument verfasst: „Heinrich Band. Bandoneon“, das im vergangene­n Jahr erschienen ist.

Der 100. Geburtstag des Bandoneon-Virtuosen Astor Piazzolla wurde am 11. März gefeiert. Auch der Meister des Tango nuevo spielte ein Instrument mit „rheinische­r Tastatur“, wie es Band entwickelt hat. Der Fördervere­in für das Kulturbüro der Stadt Krefeld plant in Zusammenar­beit mit dem Theater Krefeld-Mönchengla­dbach ein Jubiläumsk­onzert zu Ehren Heinrich Bands 200. und Astor Piazzollas 100. Geburtstag, das entweder am 24. April oder am 28. Mai stattfinde­n soll. Die Geburtsstä­dte von Heinrich Band (Krefeld) und Astor Piazzolla (Mar del Plata, Argentinie­n) nehmen die Jubiläen zum Anlass, zukünftig enger zusammen zu arbeiten.

Der genaue Konzertter­min wird rechtzeiti­g bekannt gegeben.

Manche nannten es Seufzerkom­mode, Krefelder Quetsche oder Teufelsbal­g: das Bandoneon

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FOTO: DPA Astor Piazzolla (1921-1992), der Meister des tango nuevo bei einem Liveauftri­tt in den 1980er Jahren.
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FOTO:KA Heinrich Band (1821-1860), der Erfinder des Bandoneons, in einem zeitgenöss­ischen Porträt.

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