Rheinische Post Krefeld Kempen
Sorgen um erkrankten Alexei Nawalny wachsen
MOSKAU/BERLIN „Was im Straflager vor sich geht, ist ein Mord, der vor unser aller Augen verübt wird“, sagt der Satiriker Viktor Schenderowitsch. Im Videokommentar zur Situation des inhaftierten Oppositionsführers Alexei Nawalny geht er aber noch weiter. In der „Besserungskolonie 2“(IK-2) östlich von Moskau, in der Nawalny aus Protest gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in Hungerstreik getreten ist, vollziehe sich eine „staatlich organisierte Katastrophe“.
Schenderowitschs Auftritt ist Teil einer Videoserie mit prominenten russischen Stimmen zum Fall Nawalny. Veröffentlicht hat die Clips das oppositionelle Onlineportal „Meduza“. Mit dabei ist auch die international gefeierte Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja, die ähnlich deutlich wird wie Schenderowitsch: „Ich bin mir nicht sicher, dass man Nawalny lebend entlassen wird.“
Doch steht es wirklich so schlimm um Nawalny? Unabhängige Einschätzungen zu seinem Gesundheitszustand gibt es nicht. Sicher ist, dass er seit Montag auf der Krankenstation liegt und über Rückenschmerzen, Taubheit in Armen und
Beinen, Husten und zeitweise hohes Fieber klagt. Ein Corona-Test fiel negativ aus. Seine Anwältin Olga Michailowa berichtete zuletzt am Mittwochabend über ihre Eindrücke von Nawalny, den sie zuvor überraschend hatte besuchen dürfen: „Er sieht schlecht aus und fühlt sich auch schlecht.“Rund 13 Kilo habe er seit seiner Ankunft im Lager abgenommen, auf nunmehr 80 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,89 Meter. „Idealgewicht“, spotten kremltreue Kommentatoren. Da er derzeit nur Wasser zu sich nimmt, dürfte sich das schnell ändern.
Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich „beunruhigt“. Am Donnerstag telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Putin und forderte den Abbau der verstärkten russischen Militärpräsenz im Umfeld der Ostukraine. Doch auch über Nawalny sei gesprochen worden, teilte der Kreml mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Ob das Engagement Nawalny hilft, ist fraglich. Vertreter der Kremlpartei Einiges Russland bezeichnen ihn immer wieder als „Agenten des Auslands“. Die USA und ihre Verbündeten seien „entschlossen, sich in unsere Wahlen einzumischen“, warnte etwa der Sprecher der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin. mit dpa