Rheinische Post Krefeld Kempen

Krämers Wechselspi­el kostet drei Punkte

- VON THOMAS SCHULZE

Analyse Bis zur 89. Minute liegt der KFC Uerdingen beim Halleschen FC mit 1:0 in Führung und verliert noch 1:2. Damit spitzt sich die Situation im Abstiegska­mpf dramatisch zu. Daran hat auch der Trainer Anteil.

Der KFC Uerdingen hat im Kellerduel­l fürchterli­ch schwach begonnen und drohte unterzugeh­en. Doch die Mannschaft fing sich, war in den zweiten 30 Minuten ein Gegner auf Augenhöhe und befand sich dann nach einem sehenswert­en Tor von Mike Feigenspan sogar bis zur 89. Minute auf der Siegerstra­ße. Nachdem die ersten drei Wechsel eine Viertelstu­nde vor Schluss die Mannschaft nicht verbessert hatten, warfen die beiden Wechsel in der 88. Minute den KFC aus der Bahn. Er verlor noch mit 1:2. Das könnte mit der Redensart abgetan werden, „Wenn man vom Rathaus kommt, ist man klüger“; doch es ist hilfreich, einige Aspekte zu bedenken.

Auswechslu­ngen gab es ursprüngli­ch nicht. Die älteren Fußballfre­unde erinnern sich noch gut an jene Zeiten, da Mannschaft­en ein Spiel zu zehnt beenden mussten, wenn sich einer ihrer Kameraden verletzt hatte. 1967 änderte der Weltfußbal­lverband FIFA die Regeln: zuerst durfte ein Spieler ausgewechs­elt werden, ab 1968 waren dann zwei Wechsel erlaubt, seit 1995 sind sogar drei gestattet. Aufgrund der Corona-Pandemie und der daraus resultiere­nden Zwangspaus­e mussten im zurücklieg­enden Jahr die Spiele in kürzerer Zeit ausgetrage­n werden. Um die Belastung der Spieler besser steuern zu können und eine Überlastun­g zu vermeiden, sind seit Mai 2020 für eine Übergangsz­eit fünf Wechsel erlaubt.

Warum soll eigentlich gewechselt werden? An der Entwicklun­g der Auswechslu­ngen wird sehr schön aufgezeigt, worum es geht. Zum einen soll die Verletzung eines Spielers die Mannschaft nicht benachteil­igen und ein Spieler auch nicht aus falsch verstanden­em Ehrgeiz verletzt auf dem Platz bleiben. Zum anderen kann auf die Leistung eines Spielers reagiert werden, wenn er einen schlechten Tag erwischt hat. Oder auch aus taktischen Gründen, um das Team besser auf den Gegner einzustell­en, die Offensive oder die Defensive zu verstärken. Der Möglichkei­t, mit einem Wechsel Zeit zu schinden, wurde mithilfe der Nachspielz­eit ein Riegel vorgeschob­en; allerdings sorgt ein Wechsel für eine Unterbrech­ung, die den Gegner aus dem Rhythmus bringen kann – aber auch das eigene Team.

Warum hat Stefan Krämer wieder fünf Mal gewechselt? In den drei aufeinande­r folgenden englischen

Wochen nutzte Stefan Krämer die Möglichkei­t zur Belastungs­steuerung. Das war durchaus verständli­ch. Aber es ist nicht sein einziges Argument. Der Fußballleh­rer sieht das Mannschaft­sgebilde mit seiner Gruppendyn­amik auch aus psychologi­scher und soziologis­cher Sicht. Ihm ist an einer homogenen Gruppe gelegen: Er will alle mitnehmen, alle gehören dazu, jeder ist wichtig. Diese Philosophi­e hat ihm während der Vereinskri­se in den zurücklieg­enden Monaten geholfen.

War es ein Fehler, in Halle fünf Mal zu wechseln? Ja. Die Mannschaft hatte sich nach einer extrem schlechten Anfangspha­se stabilisie­rt. Mehr noch, sie war auf dem Weg zum Sieg. Spätestens nach den ersten drei Wechseln hätte Krämer sehen müssen, dass er der Mannschaft damit nicht hilft. Mit den beiden Wechseln in der 88. Minute hat er das Team geschwächt und aus der Bahn geworfen, das kühlen Kopf und Vertrauen benötigte, stattdesse­n aber durcheinan­der gewirbelt wurde.

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FOTO: BRAUER Die Niederlage schmeckt Trainer Stefan Krämer natürlich nicht.

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