Rheinische Post Krefeld Kempen
Krämers Wechselspiel kostet drei Punkte
Analyse Bis zur 89. Minute liegt der KFC Uerdingen beim Halleschen FC mit 1:0 in Führung und verliert noch 1:2. Damit spitzt sich die Situation im Abstiegskampf dramatisch zu. Daran hat auch der Trainer Anteil.
Der KFC Uerdingen hat im Kellerduell fürchterlich schwach begonnen und drohte unterzugehen. Doch die Mannschaft fing sich, war in den zweiten 30 Minuten ein Gegner auf Augenhöhe und befand sich dann nach einem sehenswerten Tor von Mike Feigenspan sogar bis zur 89. Minute auf der Siegerstraße. Nachdem die ersten drei Wechsel eine Viertelstunde vor Schluss die Mannschaft nicht verbessert hatten, warfen die beiden Wechsel in der 88. Minute den KFC aus der Bahn. Er verlor noch mit 1:2. Das könnte mit der Redensart abgetan werden, „Wenn man vom Rathaus kommt, ist man klüger“; doch es ist hilfreich, einige Aspekte zu bedenken.
Auswechslungen gab es ursprünglich nicht. Die älteren Fußballfreunde erinnern sich noch gut an jene Zeiten, da Mannschaften ein Spiel zu zehnt beenden mussten, wenn sich einer ihrer Kameraden verletzt hatte. 1967 änderte der Weltfußballverband FIFA die Regeln: zuerst durfte ein Spieler ausgewechselt werden, ab 1968 waren dann zwei Wechsel erlaubt, seit 1995 sind sogar drei gestattet. Aufgrund der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Zwangspause mussten im zurückliegenden Jahr die Spiele in kürzerer Zeit ausgetragen werden. Um die Belastung der Spieler besser steuern zu können und eine Überlastung zu vermeiden, sind seit Mai 2020 für eine Übergangszeit fünf Wechsel erlaubt.
Warum soll eigentlich gewechselt werden? An der Entwicklung der Auswechslungen wird sehr schön aufgezeigt, worum es geht. Zum einen soll die Verletzung eines Spielers die Mannschaft nicht benachteiligen und ein Spieler auch nicht aus falsch verstandenem Ehrgeiz verletzt auf dem Platz bleiben. Zum anderen kann auf die Leistung eines Spielers reagiert werden, wenn er einen schlechten Tag erwischt hat. Oder auch aus taktischen Gründen, um das Team besser auf den Gegner einzustellen, die Offensive oder die Defensive zu verstärken. Der Möglichkeit, mit einem Wechsel Zeit zu schinden, wurde mithilfe der Nachspielzeit ein Riegel vorgeschoben; allerdings sorgt ein Wechsel für eine Unterbrechung, die den Gegner aus dem Rhythmus bringen kann – aber auch das eigene Team.
Warum hat Stefan Krämer wieder fünf Mal gewechselt? In den drei aufeinander folgenden englischen
Wochen nutzte Stefan Krämer die Möglichkeit zur Belastungssteuerung. Das war durchaus verständlich. Aber es ist nicht sein einziges Argument. Der Fußballlehrer sieht das Mannschaftsgebilde mit seiner Gruppendynamik auch aus psychologischer und soziologischer Sicht. Ihm ist an einer homogenen Gruppe gelegen: Er will alle mitnehmen, alle gehören dazu, jeder ist wichtig. Diese Philosophie hat ihm während der Vereinskrise in den zurückliegenden Monaten geholfen.
War es ein Fehler, in Halle fünf Mal zu wechseln? Ja. Die Mannschaft hatte sich nach einer extrem schlechten Anfangsphase stabilisiert. Mehr noch, sie war auf dem Weg zum Sieg. Spätestens nach den ersten drei Wechseln hätte Krämer sehen müssen, dass er der Mannschaft damit nicht hilft. Mit den beiden Wechseln in der 88. Minute hat er das Team geschwächt und aus der Bahn geworfen, das kühlen Kopf und Vertrauen benötigte, stattdessen aber durcheinander gewirbelt wurde.