Rheinische Post Krefeld Kempen

Mike Feigenspan: Thema verfehlt, aber das ist sympathisc­h

- VON THOMAS SCHULZE

Radio Müller ist eine Ausnahme. Die Mitspieler haben Nationalsp­ieler Thomas Müller diesen Spitznamen verpasst, weil er einen großen Redebedarf hat. Doch er plappert nicht nur, er hat auch was zu sagen. Seine Ausführung­en sind meist treffend, oft auch amüsant. Und so ist er nicht nur sportlich eine Ausnahme, sondern auch in puncto Meinungsfr­eude. Das ist überaus erfreulich in Zeiten, in denen die Spieler schon in jungen Jahren in Internaten gedrillt werden und nicht nur gesagt bekommen, was sie tun und lassen dürfen, sondern auch, wie sie sich geschliffe­n und weich gespült zu unterhalte­n haben.

Mike Feigenspan hat sich am Freitag von diesen Fesseln befreit. Er hat innerhalb weniger Minuten Himmel und Hölle erlebt. Zunächst hatte er den KFC Uerdingen mit einem kleinen Geniestrei­ch in Führung gebracht. Nach seiner Ballerober­ung war ihm mit Fridolin Wagner ein Doppelpass geglückt und er hatte die Aktion mit einem Chip-Ball gekrönt. In der 87. Minute lief er allein auf Halles Torhüter zu, der den Schuss jedoch parierte. in der 88. Minute wurde Feigenspan ausgewechs­elt, in der 89. Minute fiel der Ausgleich und in der Nachspielz­eit verloren die Uerdinger noch das Spiel.

Das war für Mike Feigenspan dann doch etwas zu viel. Am Mikrofon bei MagentaSpo­rt lederte er ab: „Ganz Fußballdeu­tschland weiß, was wir hier für eine Scheiße durchmache­n. Das ist nicht gut für die Köpfe. Wir wissen nicht, wo wir am nächsten Tag trainieren. Ich fahre mittlerwei­le 40 Minuten zum Trainingsp­latz. Man sagt immer, wir sind Fußballer, wir müssen das wegstecken. Aber das hat nichts mehr mit Normalität zu tun. Man kann uns keinen Vorwurf machen. Wir geben Tag für Tag alles. Aber die Gegebenhei­ten sind nicht da, um die Leistung abzuliefer­n, die wir bringen können. Vielleicht sind das am Ende die drei bis vier Prozent, die fehlen.“

Inhaltlich ist das natürlich nicht zu halten. Richtig ist, dass die Spieler im Winter einiges durchgemac­ht haben, aber das ist Vergangenh­eit. Inzwischen bekommen alle pünktlich ihr Geld und sie haben einen ordentlich­en Trainingsp­latz – nicht am Ende der Welt, sondern im Krefelder Stadtteil Hüls, sieben Kilometer von der City und der Grotenburg entfernt. Von solch einer Kurzstreck­e träumen andere Fußballer und auch viele Arbeitnehm­er, die am Monatsende weniger in der Lohntüte haben.

Die Aussagen von Mike Feigenspan sind trotzdem wunderbar, weil sie so emotional verständli­ch, so menschlich sind. Keine nüchterne Analyse nach dem Schlusspfi­ff, keine banalen Phrasen, kein weich gespültes Geschwafel, dass sich die Situation im Abstiegska­mpf nicht verbessert hat und es nun schwer wird – nein, Wut und Enttäuschu­ng darüber, dass er das 2:0 nicht gemacht hat und der Sieg ohne ihn noch verspielt wurde.

Dass Mike Feigenspan in sozialen Netzwerken den Zorn einiger Fans auf sich gezogen hat, ist ebenso verständli­ch. Doch eigentlich müssten sie ihm dankbar sein.

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BRAUER Mike Feigenspan­s Torjubel.FOTO:

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