Rheinische Post Krefeld Kempen
„Wo setzen wir den Fokus?“
In ihrem Podcast „MACHTWORTE“thematisiert die Germanistin Chiara Battaglia die Bedeutung von Sprache. Im Interview erzählt sie, warum es wichtig ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“– Aussagen wie diese hört man in letzter Zeit immer häufiger. Wie wir sprechen, ist aktuell Gegenstand unzähliger gesellschaftlicher Debatten, man denke nur an die WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“, in der vor Kurzem über die Verwendung politisch korrekter Sprache diskutiert wurde. Die Germanistin Chiara Battaglia beschäftigt sich in ihrem Podcast „MACHTWORTE“mit der Frage, wie sich Sprache auf unsere Gesellschaft auswirkt. Mit uns hat sie erörtert, warum politisch korrekte Sprache alle etwas angeht.
Was hat dich dazu bewegt, „MACHTWORTE“ins Leben zu rufen?
Als Germanistin empfinde ich Sprache als fundamental für unser Zusammenleben. Sie kann zum Beispiel andere in Schubladen stecken. Die Idee war es, mit meinem Podcast über Fremd- und Selbstbezeichnungen aufzuklären. Wie wir andere bezeichnen, schafft auch Realitätsvorstellungen. Ich wollte mir anschauen, wer diese Wörter benutzt und diese Bilder produziert. Mittlerweile ist Political Correctness zu einem Unwort geworden, weil viele der Ansicht sind, es sei übertrieben, sich damit auseinanderzusetzen. Aber die Art, wie wir sprechen, sagt auch etwas darüber aus, wie wir zusammen leben. Viele Ausdrücke aus dem Alltag lassen mich hinterfragen: Was sagt das über die Gesellschaft aus?
Über welche Themen sprichst du im Podcast konkret?
Ich spreche zum Beispiel mit der Aktivistin Dalia Grinfeld darüber, wie im Alltag und in den Medien über jüdisches Leben berichtet wird. Sehr oft passiert es, dass jüdische Menschen in Deutschland mit der Schoah oder dem Thema Antisemitismus in Verbindung gebracht und konfrontiert werden. Wir wollen gemeinsam schauen, was abseits von diesen Themen steht. Die Schoah und das Thema Antisemitismus sind natürlich wichtig, aber jüdische Menschen in Deutschland beschäftigen sich auch mit anderen Themen, und wir wollen darüber sprechen, wie sich das im Alltag, in der Sprache und in der Berichterstattung zeigt.
Wie stehst du zum Thema „Labeln“?
Es gibt mittlerweile viele Begriffe für die menschliche Sexualität und die Genderidentität, aber ich möchte mich auf Sexualität konzentrieren und fragen: Ist es wichtig, dass wir unserer Sexualität ein Wort geben? Ich selbst habe mich immer als lesbisch bezeichnet, aber mir ist es auch schon passiert, dass ich einen Typen spannend fand. In solchen Momenten habe ich mich durch mein Label eingeschränkt gefühlt, andererseits hat es mir oft geholfen, mich zu erklären. Ich möchte auch über Behinderung sprechen. Warum sagen wir denn zum Beispiel „Dieser Mensch ist behindert“, wenn er eigentlich von der Gesellschaft behindert wird? Wenn man an sein Lieblingscafé denkt und sich fragt, ob es da eine Rampe gibt, lautet die Antwort oft: Nope. Sprache zeigt uns, wie eine Gesellschaft den Fokus setzt und dass Ungleichheiten verschleiert werden können.