Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Geldadel ist unter sich
Das Champions League-Halbfinale geht ohne deutsche Teilnehmer über die Bühne. In der Vorschlussrunde stehen dafür die vier Superreichen: Real Madrid, Paris Saint-Germain, Manchester City und FC Chelsea.
DORTMUND In der Champions League wird jetzt noch mal richtig Geld verdient. Zwölf Millionen Euro kassieren die Halbfinalisten Real Madrid, FC Chelsea, Paris Saint-Germain und Manchester City allein für die Teilnahme an der Vorschlussrunde. Die Bundesliga ist nur Zuschauer. Titelverteidiger Bayern München verabschiedete sich trotz eines unentschiedenen Gesamt-Resultats (3:3) wegen der geringeren Zahl an Auswärtstreffern gegen Paris. Borussia Dortmund stellte sich zwar deutlich stärker vor als so oft im Verlauf der Bundesliga-Saison, aber Manchester City war bei zwei 2:1-Erfolgen einfach eine Nummer zu groß.
Dabei hätte die deutsche Eliteliga natürlich sehr gern mitverdient. Denn die Pandemie hat tiefe Löcher in den Etat gerissen. Dortmund beziffert den voraussichtlichen Verlust auf rund 110 Millionen Euro, die Bayern sprechen von einem Verlust „in dreistelliger Millionenhöhe“. Da hätten ein paar Milliönchen aus dem Topf der Uefa sicher gut getan.
Hier bedienen sich jetzt andere. Manche haben es nicht einmal nötig. Manchester City gehört Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan, damit der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. Paris Saint-Germain ist im Besitz der Quatar Sports Investment, der russische Milliardär Roman Abramowitsch steckt einen Teil seines Geldes in den FC Chelsea. Und nur Real Madrid ist ein klassischer Mitgliederverein. Die Bruttoverschuldung des „größten Klubs der Welt“beträgt rund 900 Millionen Euro.
Selbstverständlich geht es nicht nur um Millionen, sondern auch um sportliche Hierarchien. Das eine hängt aber mit dem anderen eng zusammen. Es ist deshalb alles andere als ein Zufall, dass diese vier Klubs in der Pandemie-Saison 2020/21 Europas Fußball dominieren. Auf einem dicken Geldsack sitzen alle. Die fußballerischen Entwürfe sind jedoch unterschiedlich. Real Madrid lebt immer noch von der Spielintelligenz eines in die Jahre gekommenen Mittelfelds mit Luka Modric, Casemiro und Toni Kroos. Das Team kann sehr geschlossen auftreten, und es hat den Ausfall seines Kapitäns Sergio Ramos verkraftet. Das sagt viel aus über mannschaftliche Moral.
Der FC Chelsea kommt ebenfalls über die vielzitierte Kompaktheit. Regelrecht zum Fürchten ist die Abwehrstärke. An diesem Bollwerk beteiligen sich alle Spieler. Selbst Feingeister wie der 100-Millionenmann Kai Havertz sind ins defensive Konzept einbezogen. Im Moment ist es noch so: Aufeinandertreffen mit Chelsea tun vor allem weh. Das Halbfinale zwischen Real und Chelsea verspricht besonders für Liebhaber der taktischen Feinheiten ein großes Vergnügen.
Paris hatte in den Spielen gegen die Bayern ein bisschen Glück und die individuelle Klasse von Neymar und Kylian Mbappé. Das sind auch die Trümpfe, auf die der Vorjahres-Finalist im Halbfinale setzen wird. Die mit den katarischen Öl-Dollar aufgepumpte Truppe verfolgt den eigentlich überlebten klassischen Stil einer Spitzenmannschaft. Paris ist weniger als Team, vielmehr als Sammlung hochklassiger Solokünstler erfolgreich. Die Begabung ist der Schlüssel in schwierigen Begegnungen. Die Gefahr liegt damit auf der Hand. Wer sich auf einzelne Könner verlässt, ist verloren, wenn der Gegner sie aus dem
Spiel nimmt. In Manchester hat Pep Guardiola mit nahezu unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten ein Team zusammengebastelt, das seinem Traum von einer unwiderstehlichen Kombinationsmaschine am nächsten kommt. Manchester City wird zu Recht wegen eines fast perfekten Positionsspiels und wegen seiner Sicherheit in den trainierten Kombination gefeiert. In der Champions League hat noch kein Gegner ein wirksames Mittel gegen dieses Wesen aus elf Spielern gefunden. Deshalb ist ManCity der klare Favorit auf den Titel.
Die große Musik wird ohne die
Deutschen gespielt. Das muss aber nicht so bleiben. Dortmund hat bewiesen, dass die junge Mannschaft auch auf der ganz großen Bühne lernfähig ist. ManCity hat den BVB nicht demontiert, sondern eher ausgiebig zermürbt. Und die Bayern hatten das Pech, in der entscheidenden Phase auf wichtige Spieler verzichten zu müssen. Der wichtigste, Torjäger Robert Lewandowski, ist nicht zu ersetzen.
Dennoch sind die Münchner wie selbstverständlich auch in der nächsten Saison wieder dabei. Dortmund muss heftig bangen. Sechs Spiele gibt es noch in der Bundesliga, der Rückstand auf Platz vier beträgt sieben Punkte. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der BVB das noch aufholt.
Eine Saison ohne Champions League ist ein herber Rückschlag, der Auswirkungen haben wird aufs Budget und damit auf die Zusammensetzung der Mannschaft. Daher bemühen sich die großen Vereine, in der Champions League für mehr Planungssicherheit zu sorgen. Immer wieder wird von einer europäischen Super League gemurmelt, in der die Prominenz sich völlig ohne weitere Qualifikation absetzen will. Und das reformierte Champions League-Modell der Uefa schafft zwar keine geschlossene Gesellschaft. Es bedient allerdings die Elite.
Am Montag will der Verband beschließen, dass ab 2024 36 statt wie bisher 32 Mannschaften antreten. Durch einen veränderten Modus gibt es 225 statt wie bislang 125 Spiele – satte 100 mehr. Und für die vier zusätzlichen Startplätze sollen nach Vorstellungen der sehr einflussreichen ECA (Vereinigung der europäischen Klubs) mindestens zwei für Nachrücker aus der Uefa-Zehnjahreswertung reserviert werden – eine Qualifikation in Anerkennung zurückliegender Verdienste.
Die Deutschen werden wohl nicken zu diesen Vorschlägen. Der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält das Modell „für die einzige Möglichkeit, die Super League zu verhindern“. Und Münchens designierter Vorstandschef Oliver Kahn frohlockt bereits: „Durch die Reform werden sich neue Einnahmepotenziale auftun.“Am Ende geht es natürlich vor allem darum. Der sportliche Erfolg kommt dann von ganz allein.