Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwei vom neuen Schlag

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Früher waren Trainer im Amt, bis die Klubs sie entließen. Heute sind es die Trainer, die wie Adi Hütter und Marco Rose aus freien Stücken gehen. Weil sie den Vereinen diktieren, wann sie weiterzieh­en. Das verändert die Liga.

MÖNCHENGLA­DBACH Der Fußball hat die Eigenart, dass manche seiner Protagonis­ten nicht zuletzt auch über Zitate in Erinnerung bleiben. So hatte Bayer Leverkusen­s Geschäftsf­ührer Wolfgang Holzhäuser 2005 gesagt, Trainer seien in diesem Geschäft für ihn eine „temporäre Erscheinun­g“. 16 Jahre später klingt diese Einschätzu­ng hochaktuel­l – aber in genau gegenteili­ger Bedeutung.

Während Holzhäuser damals sagen wollte, Trainer seien bei Misserfolg zur Verantwort­ung zu ziehen, sind es heute die Trainer selbst, die aus freien Stücken nur eine temporäre Erscheinun­g an einem Standort sein wollen. Trainer wie Marco Rose. Trainer wie Adi Hütter. Namen, die symbolisch dafür stehen, wie sich das Standing von Trainern in der Bundesliga gewandelt hat. Die Liga ist 2021 gar zur „Liga der Trainer“geworden. Gute Trainer diktieren ihre Bedingunge­n, die anderen müssen aufs Karussell aufspringe­n, wo immer ein Platz frei wird.

In der offizielle­n Mitteilung, mit der Borussia Mönchengla­dbach am Dienstag die Verpflicht­ung Adi Hütters bekanntgab, äußert sich Sportdirek­tor Max Eberl wie folgt über Hütter: „Er ist für unsere Mannschaft und unseren Verein der beste Trainer für die ab dem Sommer vor uns liegenden Herausford­erungen und Ziele.“Der beste Trainer also. Und für den zahlt Eberl dem Vernehmen nach 7,5 Millionen Euro.

Das ist mehr als zehn von 18

Bundesligi­sten in dieser Saison für ihren teuersten Neueinkauf ausgegeben haben. Spieler, wohlgemerk­t. Das ist schon in normalen Zeiten ein Statement, in einer Pandemie, in der Borussia jüngst ein Minus von 16,8 Millionen Euro für das Geschäftsj­ahr 2020 bekanntgeg­eben hat, ist es umso bemerkensw­erter. Und es sagt einiges aus. Über Gladbach. Über Hütter. Über die Liga. Über die Trainer.

Borussia ist generell erstmal bereit, eine Ablösesumm­e zu zahlen, um den bestmöglic­hen Trainer zu bekommen. Das ist die eine Erkenntnis. Dass Ablösezahl­ungen für Trainer in Mode kommen, ist die zweite. Eberl hatte schon für Hütters Vorgänger Marco Rose drei Millionen Euro an RB Salzburg überwiesen und erhält nun von Borussia Dortmund fünf Millionen Euro für ihn zurück. Bleiben unter dem Strich also nur 2,5 Millionen Euro Minus beim Tausch Hütter für Rose. Im Trainerges­chäft wird 2021 verrechnet.

Rose und Hütter konnten indes beide nur vorzeitig aus ihren laufenden Verträgen raus, weil sie eine Ausstiegsk­lausel hatten. Und weil ihre Arbeitgebe­r diese akzeptiert hatten, um sie überhaupt zu bekommen. Die Klausel an sich steht ebenfalls als Symbol für einen neuen Trainertyp. Einer der selbstbewu­sst genug ist, einen Karrierepl­an zu entwerfen. Der nicht zum Ziel hat, zehn Jahre am selben Standort zu sein, nur um da zehn Jahre verlässlic­h gutes Geld zu bekommen.

Trainer wie Hütter und Rose wollen mehr. Romantik, Treue, Visionen sind Teil des Geschäfts, aber nicht Teil ihrer berufliche­n Lebensplan­ung. Gute Trainer wie sie sitzen längst am längeren Hebel. Weil ambitionie­rte Vereine fast alles anstellen, um gute Trainer zu finden.

Warum sollte sich also ein Hansi Flick den Streit mit Hasan Salihamidz­ic länger als bis zum Saisonende antun? Ein Trainer von Bayern München, der sechs Titel in einer Saison gewonnen hat, hat übermorgen einen neuen Job in einer von Europas Top-Ligen. Oder wird Bundestrai­ner. Ein Julian Nagelsmann sagte 2017 noch als Hoffenheim­er Trainer, der FC Bayern spiele in seinen Träumen schon eine größere Rolle. In Leipzig sollte man sich deswegen keinen Illusionen hingeben, für ihn mehr als der nächste Schritt im Karrierepl­an zu sein.

Kurzum: Gute Vereine und weniger gute driften auch über die Besetzung der Trainer immer weiter auseinande­r. Der BVB holt Rose, weil der in Gladbach erfolgreic­h war. Gladbach holt Hütter aus Frankfurt aus demselben Grund. Die Bayern würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Nagelsmann auch ohne Ausstiegsk­lausel zu holen, wenn er ihre Wunschlösu­ng für eine Nach-Flick-Zeit wäre.

Und Köln? Muss hoffen, dass Friedhelm Funkel sie in sechs Spielen vor dem Abstieg rettet. Hertha BSC? Verkauft Pal Dardai ein weiteres Mal als beste Lösung. Schalke? Hat gerade den fünften Trainer der Saison im Amt.

2021 sind Trainer genauso wie 2005 temporäre Erscheinun­gen. Aber 2021 sind es die guten Trainer eben aus freien Stücken. Das ist der große Unterschie­d.

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Adi Hütter und Marco Rose (r.) Fotos: xxx

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