Rheinische Post Krefeld Kempen
Zwei vom neuen Schlag
Früher waren Trainer im Amt, bis die Klubs sie entließen. Heute sind es die Trainer, die wie Adi Hütter und Marco Rose aus freien Stücken gehen. Weil sie den Vereinen diktieren, wann sie weiterziehen. Das verändert die Liga.
MÖNCHENGLADBACH Der Fußball hat die Eigenart, dass manche seiner Protagonisten nicht zuletzt auch über Zitate in Erinnerung bleiben. So hatte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser 2005 gesagt, Trainer seien in diesem Geschäft für ihn eine „temporäre Erscheinung“. 16 Jahre später klingt diese Einschätzung hochaktuell – aber in genau gegenteiliger Bedeutung.
Während Holzhäuser damals sagen wollte, Trainer seien bei Misserfolg zur Verantwortung zu ziehen, sind es heute die Trainer selbst, die aus freien Stücken nur eine temporäre Erscheinung an einem Standort sein wollen. Trainer wie Marco Rose. Trainer wie Adi Hütter. Namen, die symbolisch dafür stehen, wie sich das Standing von Trainern in der Bundesliga gewandelt hat. Die Liga ist 2021 gar zur „Liga der Trainer“geworden. Gute Trainer diktieren ihre Bedingungen, die anderen müssen aufs Karussell aufspringen, wo immer ein Platz frei wird.
In der offiziellen Mitteilung, mit der Borussia Mönchengladbach am Dienstag die Verpflichtung Adi Hütters bekanntgab, äußert sich Sportdirektor Max Eberl wie folgt über Hütter: „Er ist für unsere Mannschaft und unseren Verein der beste Trainer für die ab dem Sommer vor uns liegenden Herausforderungen und Ziele.“Der beste Trainer also. Und für den zahlt Eberl dem Vernehmen nach 7,5 Millionen Euro.
Das ist mehr als zehn von 18
Bundesligisten in dieser Saison für ihren teuersten Neueinkauf ausgegeben haben. Spieler, wohlgemerkt. Das ist schon in normalen Zeiten ein Statement, in einer Pandemie, in der Borussia jüngst ein Minus von 16,8 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2020 bekanntgegeben hat, ist es umso bemerkenswerter. Und es sagt einiges aus. Über Gladbach. Über Hütter. Über die Liga. Über die Trainer.
Borussia ist generell erstmal bereit, eine Ablösesumme zu zahlen, um den bestmöglichen Trainer zu bekommen. Das ist die eine Erkenntnis. Dass Ablösezahlungen für Trainer in Mode kommen, ist die zweite. Eberl hatte schon für Hütters Vorgänger Marco Rose drei Millionen Euro an RB Salzburg überwiesen und erhält nun von Borussia Dortmund fünf Millionen Euro für ihn zurück. Bleiben unter dem Strich also nur 2,5 Millionen Euro Minus beim Tausch Hütter für Rose. Im Trainergeschäft wird 2021 verrechnet.
Rose und Hütter konnten indes beide nur vorzeitig aus ihren laufenden Verträgen raus, weil sie eine Ausstiegsklausel hatten. Und weil ihre Arbeitgeber diese akzeptiert hatten, um sie überhaupt zu bekommen. Die Klausel an sich steht ebenfalls als Symbol für einen neuen Trainertyp. Einer der selbstbewusst genug ist, einen Karriereplan zu entwerfen. Der nicht zum Ziel hat, zehn Jahre am selben Standort zu sein, nur um da zehn Jahre verlässlich gutes Geld zu bekommen.
Trainer wie Hütter und Rose wollen mehr. Romantik, Treue, Visionen sind Teil des Geschäfts, aber nicht Teil ihrer beruflichen Lebensplanung. Gute Trainer wie sie sitzen längst am längeren Hebel. Weil ambitionierte Vereine fast alles anstellen, um gute Trainer zu finden.
Warum sollte sich also ein Hansi Flick den Streit mit Hasan Salihamidzic länger als bis zum Saisonende antun? Ein Trainer von Bayern München, der sechs Titel in einer Saison gewonnen hat, hat übermorgen einen neuen Job in einer von Europas Top-Ligen. Oder wird Bundestrainer. Ein Julian Nagelsmann sagte 2017 noch als Hoffenheimer Trainer, der FC Bayern spiele in seinen Träumen schon eine größere Rolle. In Leipzig sollte man sich deswegen keinen Illusionen hingeben, für ihn mehr als der nächste Schritt im Karriereplan zu sein.
Kurzum: Gute Vereine und weniger gute driften auch über die Besetzung der Trainer immer weiter auseinander. Der BVB holt Rose, weil der in Gladbach erfolgreich war. Gladbach holt Hütter aus Frankfurt aus demselben Grund. Die Bayern würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Nagelsmann auch ohne Ausstiegsklausel zu holen, wenn er ihre Wunschlösung für eine Nach-Flick-Zeit wäre.
Und Köln? Muss hoffen, dass Friedhelm Funkel sie in sechs Spielen vor dem Abstieg rettet. Hertha BSC? Verkauft Pal Dardai ein weiteres Mal als beste Lösung. Schalke? Hat gerade den fünften Trainer der Saison im Amt.
2021 sind Trainer genauso wie 2005 temporäre Erscheinungen. Aber 2021 sind es die guten Trainer eben aus freien Stücken. Das ist der große Unterschied.