Rheinische Post Krefeld Kempen
Trotz Trend zur Regionalität: Markt in Krise
Wochenmärkten fehlen die Käufer. Wir besuchten den Westwallmarkt und sprachen mit Kunden und Händlern.
Ernährung spielt in der heutigen Zeit eine zunehmend große Rolle. Besonders jüngere Menschen inklusive der „Generation Fridays for Future“achten bei ihren Nahrungsmitteln nicht nur auf möglichst wenig Verpackung und Bioqualität, sondern auch auf Regionalität. Trotzdem sind Wochenmärkte zunehmend aus der Mode. Die Zahl der Besucher und Verkäufer ist beispielsweise am Westwallmarkt seit Jahren rückläufig. Doch woran liegt das? Was wünschen die Kunden? Ein Grund, einmal über den Markt zu schlendern und Stimmen einzuholen.
Den Trend zu mehr Regionalität bestätigen alle Händler. „Ich bin seit 35 Jahren hier auf dem Markt. Wir haben praktisch alles aus eigenem Anbau. Unsere vielfältigsten Artikel sind Äpfel, die wir selbst in Tönisvorst anbauen. Auch Erdbeeren haben wir schon jetzt. Die kommen nicht von uns, sondern unserem Nachbarhof aus dem Gewächshaus“, erzählt Elke Morawa vom Obsthof Morawa.
Die Kunden würden heute verstärkt die Regionalität fordern. „Das wird explizit gefragt. Gerade bei Gemüse sind die Kunden heute auch sehr viel gebildeter, was die Saison angeht. Denn regionales Gemüse bedeutet automatisch auch saisonale Ernährung. Früher kannten viele Kunden weder die klassischen Gemüse, die hier wachsen, noch wussten sie, was wann Saison hat. Das ist heute anders“, sagt sie. Dennoch sei der Markt in der Krise. „Die Menschen kommen einfach nicht mehr. Sie gehen heute in den Supermarkt.“
Tatsächlich ist der Altersdurchschnitt der Besucher eher hoch. Nur wenige junge Menschen kaufen ein. Zwei davon sind Janina Stelmach und Menderes Kücükcöne. „Wir sind das erste Mal hier. Sonst kaufen wir eher auf dem Bauernhof ein. Regional zu essen ist uns wichtig“, erzählt Stelmach. „Ich will vor allem auch die gute Bio-Qualität. Ich achte auf meinen Körper, und mache viel Sport. Da möchte ich nicht so viel gespritztes Zeug essen“, fügt Kücuköne hinzu. Den Vorsatz, zukünftig mehr zum Markt zu gehen, haben beide.
Das macht Tamara Steinhart schon lange. „Ich wohne hier direkt um die Ecke und gehe seit 20 Jahren praktisch jedes Mal. Hier ist alles frisch und regional, und es ist für mich auch praktisch. Außerdem mag ich die persönliche Bindung zu den Verkäufern. Die wissen meist schon, was ich mag und wünsche und geben mir Tipps“, erzählt sie.
Sie wird den Markt nutzen, so lang sie kann, doch damit ist sie eher eine seltene Erscheinung, wie auch Händler Helmut Jürgens aus Moers bestätigt. „Hier bin ich erst seit rund fünf Jahren, aber Märkte beschicke ich seit 40 Jahren, und überall gehen die Kunden zurück“, sagt er. Dem widerspricht Fischhändler Latif Kul. Er sagt. „Ich bin reiner Händler und habe nur meinen Stand. Aber ich bin auf vielen Märkten und auch auf einigen Nachmittagsmärkten. Die sind viel besser besucht“, sagt er. Beispielsweise in Osterrath und Lank gebe es solche Märkte, die jüngere Kunden auch am Abend besuchen könnten. „Die Zeiten am Morgen gehen einfach an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Früher war die Hausfrau vormittags daheim und konnte einkaufen gehen. Heute sind die meisten Menschen berufstätig. Sie sind morgens bei der Arbeit. Sie würden gern frische, regionale Produkte kaufen. Aber wenn sie von der Arbeit kommen, gibt es keinen Markt mehr“, sagt er.
Darum würde er gern einen Nachmittagsmarkt in Krefeld initiieren. „Ich denke, dafür gäbe es einige gute Orte. Ich habe schon überlegt, etwas in der Hinsicht zu tun. Denn die traditionellen Märkte sterben fast buchstäblich. Viele Händler sind sehr alt, der Nachwuchs fehlt. Die Geflügelverkäuferin, die mir normalerweise gegenüber steht, ist um die 80 Jahre. Hört sie auf, ist auch dieser Stand weg“, bedauert er.
Seinen Ansatz teilen seine Kundinnen,
die Schwestern Nina Höhne und Sabrina Zakrzowski. „Ich bin selbst Freiberuflerin und kann es mir leisten, auch morgens einkaufen zu gehen. Aber selbst für mich wäre ein Nachmittagsmarkt praktischer. Ich bin aber passionierte Marktbesucherin.
Die Qualität, die frische Luft – gerade zu Coronazeiten – und Atmosphäre mag ich einfach“, sagt Höhne und ihre Schwester fügt hinzu: „Ich gehe ebenfalls gern auf den Markt, nur kann ich es normal nicht, da ich arbeite. Jetzt, in der Elternzeit, genieße ich es.“Einen Nachmittagsmarkt würden beide begrüßen. Für viele Händler ist das ein Problem, da sie Abläufe umstellen müssten. Die Ernte einzubringen, zu verpacken und zum Markt zu fahren, lässt sich schwer organisieren. Dennoch: Sollen Märkte überleben, könnte ihnen nichts anderes übrig bleiben. Denn bei aller Nachhaltigkeitsbestrebung der Kunden: Die Zeit, den Einkauf zu erledigen muss schlicht vorhanden sein. Und während Supermärkte immer mehr ihre Öffnungszeiten ausweiten, bleiben die Märkte bei den Zeiten des vergangenen Jahrhunderts. Das könnte, so schwer das für viele Händler ist, auf Dauer schlicht nicht ausreichen. „Wir müssen mit der Zeit gehen, sonst gibt es bald keine Märkte mehr“, sagte Kul.