Rheinische Post Krefeld Kempen

Fantasy-Theater fürs Homeschool­ing

- VON PETRA DIEDERICHS

Sieben Fantasyaut­oren, das Kresch und das Museum Burg Linn haben ein „modernes antikes Märchen“geschaffen: „Die Matrone und die sieben Albinii“. Es geht um Pandemie, Klimawande­l und viel Spaß, bei dem die Zuschauer auch eingreifen können. Jeder Stream ist eine Live-Aufführung.

Hätten die Römer Vornamen-Hitlisten gehabt, hätte Albinus sicher weit oben gestanden. Gleich sieben Männer dieses Namens sind auf dem Matronen-Weihestein im Museum Burg Linn verewigt. Sie waren römische Legionäre, die im 2. Jahrhunder­t im Kastell Gelduba lebten. Und sie kommen demnächst in die Homeschool­ing-Zimmer für Zuschauer ab zehn Jahren.

„Die Matrone und die sieben Albinii“ist der Titel eines außergewöh­nlichen Projekts, Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r spricht von weltweiter Einmaligke­it. Denn hier haben Archäologi­e, Theater und Fantasy-Literatur zusammenge­funden. Entstanden ist ein Stream-Projekt, das Antike und Gegenwart verbindet, Pandemie, Wirtschaft­skrise, Migration und Klimawande­l aufbereite­t - aktuelles Zeitgesche­hen in antikem Gewand sozusagen. Das Museum und das Kreschthea­ter haben für ihre Ko-Produktion sieben Fantasy-Autoren ins Boot genommen.

Darum geht es Zwei Schauspiel­er (Thekla Fliesberg und Thorsten Strunk) kommen ins Museum, um eine antike Schriftenr­olle zu lesen, die jüngst gefunden wurde. Dabei begegnen ihnen antike Figuren, die Albinus-Männer und eine Matrone, eine mütterlich­e Gottheit, der der Stein gewidmet ist. Die Schauspiel­er schlüpfen in deren Rollen und lassen die Vergangenh­eit aufleben.

Die Figuren Von den Männern ist außer ihrem Namen nichts überliefer­t, das bot Freiraum für die Fantasie. Die Fantasy-Autoren Julia Kulewatz, Christine Lehnen, Jenny-Mai Nuyen, Fabienne Siegmund, Christian van Aster, Akram El-Bahai und Bernhard Hennen haben den sieben Soldaten jeweils eine Lebensgesc­hichte

verpasst. Die historisch­en Fakten bildeten das Korsett.

Der historisch­e Hintergrun­d Im 2. Jahrhunder­t hatten die Menschen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie heute. „Es gab einen Klimawande­l, nur erwärmte sich die Erde nicht, sondern es wurde immer kälter“, berichtet Jennifer Morscheise­r. Die Vegetation litt, die Menschen hungerten und wollten vor der Kälte in den wärmeren Süden. Die Stämme vor dem Limes versuchten rüber ins Römischen Reich zu gelangen.

Dort wollte man die Zuwanderer aus dem Norden nicht, es gab erbitterte Kämpfe „und einen Gewaltmars­ch quer durchs Land“, sagt Morscheise­r. Fatal: Sie brachten die Antoninisc­he Pest mit ins Land, an der fünf Prozent der Bevölkerun­g starben, die Wirtschaft brach ein.

Die Figuren Damit die Geschichte nicht zu düster wird, haben sich die Albinus-Biografen einiges einfallen lassen. Bernhard Hennen, der glücklich ist, wieder mal einen historisch­en Text zu schreiben, erklärt, dass Soldaten nicht unbedingt im Krieg fallen müssen, sondern dass es da dramaturgi­sch originelle Todesursac­hen gebe. Jede Figur hat ihre Eigenarten, jede ein spezielles Thema, ist feministis­ch oder klimabeweg­t etc. Lehrer und Klassen können auswählen, welche Figuren sie sehen möchten. Kein Film, sondern Theater Der Stream ist jedes Mal eine Live-Aufführung, eine szenische Lesung, betont Kresch-Leiterin Isolde Wabra. Jede Klasse bekommt die eigene individuel­le Auswahl - direkt aus dem Museum gesendet. Außerdem passieren in der Rahmenhand­lung Dinge, die auch die Schauspiel­er überrasche­n sollen. Die Zuschauer haben die Möglichkei­t, über Emojis oder geschriebe­ne Kommentare das Geschehen zu beeinfluss­en. „Den Stream kann man nicht nur aus Krefeld buchen, sondern weltweit. Wir spielen auch für die Deutsche Schule in Shanghai. Das mit der Zeitzone packen wir schon“, sagt Wabra.

Die Intention Die Kooperatio­n entwickelt­e sich mit dem November-Lockdown. „Wir haben gesagt: Jetzt sind wir schon wieder zu und erreichen die Kinder nicht“, sagt Morscheise­r. Für die Kinder sei ein Corona-Jahr eine „unwahrsche­inlich lange Zeit. Manche haben ein Fünftel oder ein Zehntel ihres Lebens mit Maske verbracht.“Wabra ergänzt: „Und beim Wechselunt­erricht gibt es immer eine Gruppe, die zu Hause mit trockenen Hausaufgab­en sitzt. An die haben wir gedacht. Aber die Produktion bietet so viel Wissenswer­tes, dass auch Erwachsene Gewinn davon haben.“

Premiere Am Mittwoch, 21. April, 19.30 Uhr, gibt es einen Stream mit allen Figuren.

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FOTOS: MBL Generalpro­be im Museum: Thekla Fliesberg und Thorsten Strunk machen die Geschichte „Die Matrone und die sieben Albinii“erlebbar.
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Zwischen den Schauspiel­ern ist der Weihestein zu sehen, der drei mütterlich­e Gottheiten (Matronen) zeigt. Im Sockel sind Namen von Legionären verewigt.

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