Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Rettung des Kiebitz'
Die Entwicklung der Kiebitz-Population ist dramatisch. Monika Deventer von der unteren Naturschutzbehörde sichert Gelege, damit die auf der Roten Liste stehende Vogelart eine Überlebenschance hat.
ST. HUBERT Kaum hat Monika Deventer das Fernglas abgesetzt, kommt das Entfernungsmessgerät zum Einsatz. Dort, wo die Mitarbeiterin der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Viersen gerade noch mit dem Fernglas einen Bereich auf dem Feld in St. Hubert fixiert hat, richtet sie das Messgerät aus. Das Ziel ist dabei das Gelege eines Kiebitzes. „Wenn ich das Gelege gleich im Feld suche, ist es, obwohl ich es vorab gesehen habe, aufgrund seiner guten Tarnung mehr als nur schwer zu finden. Der Entfernungsmesser hilft mir zielgerichtet vorzugehen“, erläutert Deventer.
Zielgerichtet vorgehen heißt in diesem Fall, das Gelege im Feld aufsuchen und im entsprechenden Abstand mit zwei langen weißen Stangen kennzeichnen. Diese sind das Zeichen für den Landwirt, der die Ackerfläche bewirtschaftet, dass sich in dem Bereich ein schützenwertes Kiebitz-Gelege befindet. Denn wenn für den Gaukler der Lüfte, wie er aufgrund seines schaukelnden Fluges auch gerne genannt wird, nichts getan wird, dann wird es ihn in Kürze nicht mehr geben.
Die Entwicklung der Kiebitz-Population ist dramatisch. Lag der Bestand im Kreis Viersen im Jahr 2002 noch bei 500 Brutpaaren, so waren es 2014 nur noch 270 Brutpaare. Die letzten Kartierungsergebnisse von vor zwei Jahren ergaben gerade einmal 150 Brutpaare. Die Tendenz ist weiter sinkend, wie Deventer aufgrund ihrer aktuellen Arbeit feststellen muss.
Die Problematik liegt klar auf der Hand, sagt sie: Immer mehr Flächen werden versiegelt, und die Landwirtschaft, die mit kleiner werdenden Flächen auskommen muss, wird extensiver. Dadurch sollen auf weniger Fläche mehr produziert werden, um Menge und Qualität der Lebensmittel sicher zu stellen.
Der Kiebitz ist ein Bodenbrüter, der die freie Fläche nutzt. Das heißt, er brütet nicht in Nähe zu Hecken, Baumreihen oder Wegen. Seine Gelege sind mitten im Feld zu finden. Bei der Feldbearbeitung durch den Landwirt kann es so unabsichtlich zur Verstörung der Nester kommen. Die Gelege mit den gut getarnten Eier sind kaum auszumachen – schon gar nicht von jemandem, der hoch oben auf einer landwirtschaftlichen Maschine sitzt.
Daher hat die untere Naturschutzbehörde gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer ein Kiebitz-Schutzprojekt ins Leben gerufen. Die Gelege auf den Feldern werden markiert. Eine aufwendige Sache, denn die Nester sind nicht einfach zu sichten. Als Hilfsmaterial geht bestehendes Kartenmaterial in den Einsatz, das zeigt, wo Kiebitze bereits anzutreffen waren. „Frau Deventer bereist auf Grundlage der bestehenden Kartierungen die entsprechenden landwirtschaftlichen Flächen im Kreis Viersen. Sie beobachtet die Felder, und wenn dort Kiebitze auftauchen, versucht sie, die Gelege zu finden, um sie zu markieren“, informiert Petra Muth, Abteilungsleiterin beim Amt für Bauen, Landschaft und Planung des Kreises Viersen.
Das Ganze geht dabei nur zusammen mit den Landwirten. Sie müssen nicht nur den Zutritt zu den Flächen erlauben, sondern auch bereit sein, mit ihren landwirtschaftlichen Geräten die markierten Flächen entsprechend zu umfahren beziehungsweise auszusparen, wenn sie zum Beispiel Spritzmittel ausbringen. Zudem müssen Lohnunternehmen ebenso informiert werden, wenn sie für den Landwirt auf den Feldern unterwegs sind.
Wenn ein Zeitfenster von rund vier Wochen eingehalten wird, hat der Kiebitz eine Chance, seine Eier auszubrüten. Die Jungtiere sind Nestflüchter, die mit 35 bis 40 Tagen fliegen können und selbständig werden. Zudem wirbt die untere Naturschutzbehörde bei den Landwirten für Brachen und Blühstreifen, damit nicht nur der Kiebitz Nahrungsgrundlagen und weiteren Schutzraum findet. „Wir freuen uns auch über jeden Bürger, der, wenn er Kiebitze sieht, uns darauf aufmerksam macht. Wir können das Gebiet dann überprüfen und handeln“, sagt Muth.
Gemeinsam soll der Kiebitz vor dem Aussterben bewahrt werden, damit sich auch noch die nächste Generation an dem schönen Feldvogel und seinem „Kiwit-kiwit“-Ruf erfreuen kann.