Rheinische Post Krefeld Kempen

Hoppmanns „längster Fall“vor Gericht

- VON NORBERT STIRKEN UND ULRIKE HOFSÄHS

43 Jahre hat Gerhard Hoppmann Gesetzesbr­echer verfolgt. Rund 250 Morde hat er mit seinen Kripo-Kollegen aufgeklärt. Ein ungeklärte­r Fall ließ ihn bis zuletzt nicht los. Mehr als 20 Jahre nach der Tat konnte er der Staatsanwa­ltschaft kurz vor seiner Pensionier­ung zwei Mordverdäc­htige nennen. Gegen einen der beiden startete jetzt der Prozess.

Für Gerhard Hoppmann war es die letzte Chance, einen Mord aufzukläre­n, der rund 25 Jahre zurücklag. Damals war eine Leiche entdeckt worden, die zunächst nicht zu identifizi­eren war. Der Täter hatte das Gesicht durch Schläge mit einem Hammer zerstört. Neue Rekonstruk­tionsmögli­chkeiten der Kriminalte­chnik ergaben ein wirklichke­itsnahes Bild vom Opfer. Damit ging Hoppmann in die Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY“. Und tatsächlic­h: Das war der Durchbruch. Ein Erfolg nicht nur für die Ermittler, sondern auch für die Familie des Opfers. Deren Mitglieder dachten jahrzehnte­lang, dass sich der Vater aus privaten Gründen abgesetzt hatte.

„Es war sehr, sehr schlimm dadurch, dass er nicht mehr da war“, sagt die 31 Jahre alte Frau im schwarzen Hosenanzug gefasst. Die Zeugin ist die Tochter des getöteten Mannes, um dessen Schicksal es im Aachener Landgerich­t auch geht. Sie war sieben Jahre alt, als der damals 43 Jahre alte Wohnmobil-Händler aus Würselen bei Aachen vor bald einem Vierteljah­rhundert von einem Tag auf den anderen verschwand. Wegen Mordes sitzt seit vorgestern ein 51 Jahre alter Mann auf der Anklageban­k des Landgerich­ts.

Der Deutsche aus dem Raum Aachen soll 1996 zusammen mit einem später gestorbene­n Komplizen den 43-Jährigen ermordet haben. Damit habe das Duo in den Besitz von 5000 Mark kommen wollen, sagte Staatsanwa­lt Boris Petersdorf in der kurzen Anklagever­lesung. Sie sollen das Opfer grausam und aus Habgier getötet haben. Alleine 16 Schläge auf den Kopf wurden gezählt, ein Finger und ein Unterschen­kel waren gebrochen. Die Tochter des Toten ist Nebenkläge­rin.

Der Mordfall war mehr als zwei Jahrzehnte ungeklärt, weil der im Dezember 1996 am Rand einer Kiesgrube am Niederrhei­n nördlich von Krefeld entdeckte Tote viele Jahre nicht identifizi­ert werden konnte. Die Ermittler prüften alle möglichen Spuren, ohne Erfolg. Der Fall „Sandkuhle“landete schließlic­h als ungeklärte­r „Cold Case“bei den Akten. Dann trug ein neues Phantombil­d des Opfers zur Identifizi­erung bei. Es wurde 2019 in der ZDF-Sendung „Aktenzeich­en XY...ungelöst“gezeigt.

Ein Anrufer meldete sich und sagte, er wisse, wer der Tote sei. Und er sagte auch, er wisse, wer den Mann umgebracht habe. Der Anrufer war der Bruder des 1997 bei einem Motorradun­fall in der Türkei gestorbene­n mutmaßlich­en Mittäters. Diese Aussage ist wichtig für den Prozess. Das geht aus den Ausführung­en des früheren Leiters der Krefelder Mordkommis­sion, Gerhard Hoppmann, vor Gericht hervor.

Der inzwischen pensionier­te Ermittler hält die Angaben für plausibel. Danach soll es schon früh Mitwisser der Gewalttat und deren Einzelheit­en gegeben haben. Warum haben sie sich nicht gemeldet? „Die haben sich nicht getraut“, sagt er. Der Zeuge soll noch gehört werden. Am vermuteten Tatort, der

Wohnung des Mordopfers, fanden die Ermittler nichts. „Es ist unwahrsche­inlich, dass Leichenspü­rhunde nach so vielen Jahren noch Spuren finden“, sagt Hoppmann.

Der 51-jährige Angeklagte verfolgt den ersten Prozesstag regungslos. Seine Haare sind zum Zopf gebunden, er trägt eine schwarze Kapuzenjac­ke und Jeans. Eine Atemmaske verbirgt das Gesicht des Mannes, der ein karges Einkommen mit der Reparatur von Kaffeeauto­maten hat. Auf den Hinweis des Vorsitzend­en Richters Roland Klösgen, er könne nach jedem Prozessabs­chnitt eine Erklärung abgeben, sagt er nur: „Ja, okay, das habe ich verstanden“.

Bei einer Durchsuchu­ng seiner

Wohnung in einem Nachbarort von Aachen waren im Nachttisch­schrank zwei Pistolen sowie Munition entdeckt worden. Auch Marihuana wurde gefunden.

Viele Zeugen hört das Gericht, um Licht in die vor fast einem Vierteljah­rhundert begangene Tat zu bringen. Die Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n hat nach eigenen Worten keine dunklen Andeutunge­n über dessen Vergangenh­eit gehört: „Er hat Autos repariert“, berichtet sie. Ein Bekannter sagt angesichts des Mordvorwur­fs: „Wir sind aus allen Wolken gefallen.“Immer wieder fragt der Vorsitzend­e Richter nach. „Weil ich auch ein bisschen im Nebel stochere“, wie er sagt.

Das Opfer, der Wohnwagen-Händler, hatte hohe Schulden. Der Vater zweier Kinder hatte den Unterhalt nicht bezahlt. Seine Familie wollte eine Vermissten­anzeige erstatten, aber das gelang nicht. Man vermutete, er habe sich wegen der Schulden ins Ausland verdrückt. Mit ihm verschwand­en sein VW-Bus und Schäferhun­d „Rex“.

Der Krefelder Ermittler sagte, dass der entlegene Ort zur Ablage der Leiche wohl ausgesucht wurde, damit der Tote nicht schnell identifizi­ert werden konnte. Der mutmaßlich­e Mittäter habe dort seine Kindheit verbracht. Zwischen dem Fundort und dem vermuteten Ort der Tötung im Haus des Opfers liegen rund 100 Kilometer.

Die letzten Monate Hoppmanns im Dienst brachten für ihn noch einmal einige dienstlich­e Höhepunkte. So sagte er als Zeuge in einem Gerichtsve­rfahren in Antwerpen aus, nachdem er die Unschuld eines wegen Mordes inhaftiert­en Mannes festgestel­lt und den tatsächlic­hen Täter ermittelt hatte. Der saß bereits wegen Mordes an einem Krefelder Autohändle­r ein. Auch der Fall in Belgien lag lange zurück – 13 Jahre.

 ?? RP-ARCHIVFOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Gerhard Hoppmann schrieb 30 Jahre Krefelder Kriminalge­schichte. Der Chef-Ermittler für Kapitaldel­ikte und Leiter des 11. Kommissari­ats ging im November 2020 in den Ruhestand.
RP-ARCHIVFOTO: THOMAS LAMMERTZ Gerhard Hoppmann schrieb 30 Jahre Krefelder Kriminalge­schichte. Der Chef-Ermittler für Kapitaldel­ikte und Leiter des 11. Kommissari­ats ging im November 2020 in den Ruhestand.

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