Rheinische Post Krefeld Kempen
Haus Lange - die vertane Chance
Die großartige Skulpturen-Schau wirkt auch von außen betrachtet - nur ganz anders. Aber: Mies' Vision scheitert an den Rollläden.
Ludwig Mies van der Rohe war ein Visionär. Jetzt scheitert seine Vision an Rollläden. Das Museum Haus Lange ist geschlossen, aber „Lehmbruck Kolbe Mies“wäre die erste Museums-Schaufenster-Ausstellung, die nicht nur funktioniert, sondern eine eigene Ästhetik hat.
Mies' Idee des Neuen Bauens war in den 1920er Jahren revolutionär: Architektur, die Bezug nimmt auf Natur, riesige Fenster, die Mauern durchlässig machen für das Draußen, das Funktionale von Beton, Stahl und Glas mit gestalteten Höfen und Gärten verbindend. Erstmals zeigt ein Museum, wie Mies und seine Zeitgenossen Wilhelm Lehmbruck und Georg Kolbe in diese Visionen auch die Skulptur einbezogen. Das ist großartig. Und das beste in Zeiten des Lockdowns: Es funktioniert nicht nur von innen, sondern auch in umgekehrter Blickrichtung. Welche Chance für eine Ausstellung, die quasi live und in Lebensgröße erlebt werden könnte. Aber: „Bei Schließung der Häuser sind die Rollläden immer runter. Auch wenn die Ausstellung hoffentlich bald wieder geöffnet werden kann, wird die Sicht von außen in das Haus nicht immer gegeben sein“, teilt ein Sprecher der Stadt auf Anfrage mit. „Bei starker Sonneneinstrahlung dienen die Rollläden auch dazu, die Skulpturen mit ihren empfindlichen Oberflächen vor direkter Sonne und vor UV-Licht zu schützen.“
Es gebe keine Überlegungen, dies zu ändern. Immerhin stehen nicht alle Werke immer im direkten Sonnenlicht. „Die Gartenanlage ist mit den dortigen Skulpturen aber zugänglich“, heißt es weiter. Die Dauer-Installationen haben ihren Reiz, aber eine spannender Perspektivwechsel zur aktuellen Schau bleibt verwehrt: Nie war der Über-EckBlick durch die Scheiben und durch zwei Räume faszinierender. Plötzlich sind Skulpturen, die als starke Solitäre ein Zimmer beherrschen, zusammen im Sichtfeld. Die Künstler nähern sich dem Bild des Neuen Menschen in der Zeit der Weimarer Republik mit jeweils eigener Ästhetik. Die glatten, glänzenden Steinfiguren Lehmbrucks, der mit den expressionistisch überzogenen Proportionen - etwa der Stirn - einen berührenden Ausdruck von tiefem, stillem Leid vermitteln, rücken optisch nah an Kolbes sehr viel irdischere Schönheiten, die zwar überlebensgroß aber in ihren Proportionen vertraut und weniger entrückt wirken.