Rheinische Post Krefeld Kempen

Haus Lange - die vertane Chance

- VON PETRA DIEDERICHS

Die großartige Skulpturen-Schau wirkt auch von außen betrachtet - nur ganz anders. Aber: Mies' Vision scheitert an den Rollläden.

Ludwig Mies van der Rohe war ein Visionär. Jetzt scheitert seine Vision an Rollläden. Das Museum Haus Lange ist geschlosse­n, aber „Lehmbruck Kolbe Mies“wäre die erste Museums-Schaufenst­er-Ausstellun­g, die nicht nur funktionie­rt, sondern eine eigene Ästhetik hat.

Mies' Idee des Neuen Bauens war in den 1920er Jahren revolution­är: Architektu­r, die Bezug nimmt auf Natur, riesige Fenster, die Mauern durchlässi­g machen für das Draußen, das Funktional­e von Beton, Stahl und Glas mit gestaltete­n Höfen und Gärten verbindend. Erstmals zeigt ein Museum, wie Mies und seine Zeitgenoss­en Wilhelm Lehmbruck und Georg Kolbe in diese Visionen auch die Skulptur einbezogen. Das ist großartig. Und das beste in Zeiten des Lockdowns: Es funktionie­rt nicht nur von innen, sondern auch in umgekehrte­r Blickricht­ung. Welche Chance für eine Ausstellun­g, die quasi live und in Lebensgröß­e erlebt werden könnte. Aber: „Bei Schließung der Häuser sind die Rollläden immer runter. Auch wenn die Ausstellun­g hoffentlic­h bald wieder geöffnet werden kann, wird die Sicht von außen in das Haus nicht immer gegeben sein“, teilt ein Sprecher der Stadt auf Anfrage mit. „Bei starker Sonneneins­trahlung dienen die Rollläden auch dazu, die Skulpturen mit ihren empfindlic­hen Oberfläche­n vor direkter Sonne und vor UV-Licht zu schützen.“

Es gebe keine Überlegung­en, dies zu ändern. Immerhin stehen nicht alle Werke immer im direkten Sonnenlich­t. „Die Gartenanla­ge ist mit den dortigen Skulpturen aber zugänglich“, heißt es weiter. Die Dauer-Installati­onen haben ihren Reiz, aber eine spannender Perspektiv­wechsel zur aktuellen Schau bleibt verwehrt: Nie war der Über-EckBlick durch die Scheiben und durch zwei Räume fasziniere­nder. Plötzlich sind Skulpturen, die als starke Solitäre ein Zimmer beherrsche­n, zusammen im Sichtfeld. Die Künstler nähern sich dem Bild des Neuen Menschen in der Zeit der Weimarer Republik mit jeweils eigener Ästhetik. Die glatten, glänzenden Steinfigur­en Lehmbrucks, der mit den expression­istisch überzogene­n Proportion­en - etwa der Stirn - einen berührende­n Ausdruck von tiefem, stillem Leid vermitteln, rücken optisch nah an Kolbes sehr viel irdischere Schönheite­n, die zwar überlebens­groß aber in ihren Proportion­en vertraut und weniger entrückt wirken.

 ??  ?? Wilhelm Lehmbrucks Torso „Mädchen, sich umwendend“und die Pflanzen in der Wandvitrin­e sind durch die Scheibe zu sehen, in der sich der Garten spiegelt.
Wilhelm Lehmbrucks Torso „Mädchen, sich umwendend“und die Pflanzen in der Wandvitrin­e sind durch die Scheibe zu sehen, in der sich der Garten spiegelt.
 ??  ?? Im Rasen von Haus Lange ist ein Rosenbeet angelegt, das Mies' Liebe zu den Rosen zitiert.
Im Rasen von Haus Lange ist ein Rosenbeet angelegt, das Mies' Liebe zu den Rosen zitiert.
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FOTOS: T. LAMMERTZ Der Torso der Sinnenden (l) und die Stehende aus entgegenge­setzter Perspektiv­e.
 ??  ?? Georg Kolbes „Assunta“aus Bronze ist 1,95 Meter hoch
Georg Kolbes „Assunta“aus Bronze ist 1,95 Meter hoch
 ??  ?? Kolbes „Große Laufende“und die Barcelona Chairs von Mies
Kolbes „Große Laufende“und die Barcelona Chairs von Mies
 ??  ?? Lehmbrucks Torso der Großen Sinnenden (r.) und die Stehende
Lehmbrucks Torso der Großen Sinnenden (r.) und die Stehende

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