Rheinische Post Krefeld Kempen

Fastenbrec­hen bei Familie Daadouai

- VON BIANCA TREFFER

Seit dem 13. April bestimmt der Ramadan das Leben der fünfköpfig­en Willicher Familie Daadouai. Jeden Tag von Sonnenaufg­ang an wird gefastet, bevor mit der untergehen­den Sonne das tägliche Fastenbrec­hen ansteht.

WILLICH Bei Familie Daadouai ist der Tisch festlich gedeckt. Das weiße Geschirr, das edle Besteck, die Kristallgl­äser und -karaffen sowie die goldfarben­en Servietten sind in flackernde­s Kerzenlich­t getaucht. Blumen geben dem Ganzen eine besondere Note. In Schalen liegen Datteln und Feigen. Ein würziger Geruch zieht aus der Küche herüber. „Das ist die marokkanis­che Suppe. Aber bevor meine Frau sie serviert, beginnen wir das Essen mit einer Dattel und einem Schluck Wasser“, sagt Nabil Daadouai. Es handelt sich nicht um das typische Abendbrot der fünfköpfig­en Willicher Familie, sondern um das Fastenbrec­hen, das sich an diesem Abend zum neunten Mal wiederholt.

Familie Daadouai befindet sich mitten im Ramadan. Am 13. April startete die marokkanis­che Familie den Fastenmona­t, und das abendliche Fastenbrec­hen gestaltet sich seitdem für vier Wochen zu einem Essen mit festlichem Ambiente. Überhaupt ist es eine Zeit, die anders ist als sonst. „Ich habe mir extra die erste Woche freigenomm­en. Auf den Zucker- und Coffeinent­zug kann der Körper mit starken Kopfschmer­zen reagieren, und da ist es angenehmer, zu Hause zu sein“, sagt Nabil Daadouai.

Muslime essen und trinken im Ramadan von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang nichts. Zudem soll auf Süßes, Alkohol, Fleisch und Zigaretten verzichtet werden. Auch nach Sonnenunte­rgang sollen die Menschen zurückhalt­ender sein und nicht bloß das nachholen, worauf sie am Tag verzichtet haben. „Wer im Ramadan nicht abnimmt, hat etwas falsch gemacht“, sagt der 46-Jährige, der selbst in der ersten Woche schon drei Kilogramm abgenommen hat.

Der Wecker klingelt bei dem Willicher derzeit um 3 Uhr. Es folgt das Fajr, wie das klassische Morgengebe­t heißt. Dazu gibt es ein Stück selbst gebackenes Roggenbrot mit Butter vom Bauern oder Olivenöl aus Marokko sowie eine Tasse Kaffee und ein wenig Wasser. Um 4.30 Uhr mit dem aktuellen Sonnenaufg­ang geht es nach dem Zähneputze­n wieder ins Bett, bevor später der Wecker für die Arbeit klingelt. „Wir haben Gleitzeit, und ich kann später anfangen. Der kaputte Schlaf macht mir nämlich mehr zu schaffen, als das nicht essen und trinken über Tag“, sagt Nabil Daadouai.

Drei weitere Gebete begleiten den Tag. Mit dem Sonnenunte­rgang, aktuell 20.40 Uhr, darf dann gegessen und getrunken werden. Das gemeinsame abendliche Fastenbrec­hen gleicht einem kleinen Fest. „Ich habe größten Respekt vor meiner Frau, die in der Küche steht, kocht und nicht abschmecke­n darf. Für mich wäre es eine Qual, mit Hunger in der Küche mit den köstlichen Gerüchen zu stehen“, sagt Nabil Daadouai, der sich an diesem Abend nach der marokkanis­chen Suppe auf mit Gemüse gefüllte Teigtasche­n freuen darf. Für die Kinder gibt es zudem Crêpes.

Für die Kinder gelten im Ramadan andere Regeln. Sie verzichten tagsüber lediglich auf Süßigkeite­n, Fernsehen und Internet. Fasten sollen indes nur gesunde Menschen. Erkrankte und auch Schwangere sind ausgenomme­n. Wer nicht fasten kann, hat die Möglichkei­t zu spenden und damit anderen Menschen Gutes zu tun. Überhaupt soll im Fastenmona­t auch an die Mitmensche­n gedacht werden. Fluchen, schlechtes Reden über andere und laute Musik sind verpönt. Der Fastenmona­t ist der heiligste Monat im Islam.

Mit einem Kaffee und Nüssen schließt der Abend bei den Daadouais ab. Dann sprechen sie das Abendgebet, Maghrab genannt. Auf das Zuckerfest am Ende des Fastenmona­ts freut sich die Familie schon jetzt, auch wenn die übliche Feiern mit vielen Verwandten in Corona-Zeiten ausfällt. Das Zuckerfest ist eines der beiden wichtigste­n islamische­n Feste. „Normalerwe­ise kommen alle zusammen und verbringen den ganzen Tag gemeinsam. Jeder Haushalt bringt eine Süßigkeite­nkiste mit. Dazu macht man sich gegenseiti­g Geschenke“, erzählt Nabil Daadouai.

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FOTOS (2): NORBERT PRÜMEN Zu Zeiten des Ramadan wird erst nach Sonnenunte­rgang gegessen. Alles beginnt mit Datteln und Wasser. Für die Willicher Familie Daadouai ist das tägliche Abendessen ein kleines Fest.

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