Rheinische Post Krefeld Kempen
Laumann will Tarifflucht eindämmen
Der Arbeitsminister will, dass Kunden weniger online bestellen. Das soll den stationären Handel stärken.
DÜSSELDORF NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will eine Bundesratsinitiative voranbringen, um die Flucht von Arbeitgebern aus Tarifverträgen – inbesondere im Einzelhandel – zu stoppen. „Wir müssen dieses Thema parteiübergreifend besprechen“, sagte Laumann in einer Aktuellen Stunde im Landtag. Nach seinem Willen soll es etwa künftig transparent werden, wenn sich Unternehmerverbände gegen Tarifverträge wehrten. „Tarifverträge gehören zur DNA unserer Marktwirtschaft“, so Laumann. Es sei nicht in Ordnung, wenn Konzerne nur deren schöne Seiten nutzen wollten.
Im Jahr 2000 waren in Nordrhein-Westfalen noch 56 Prozent der Betriebe tarifgebunden und 74 Prozent der Beschäftigten. Heute sind es nur noch 32 Prozent beziehungsweise 60 Prozent. „Tarifverträge sind oft die einzige Möglichkeit, um ein Abrutschen der Beschäftigten in den Mindestlohn zu verhindern“, sagte der Minister. In vielen Branchen gelinge es den Gewerkschaften nicht mehr, mit den Arbeitgebern Tarifverträge abzuschließen. Als Beispiel nannte er den Handel.
Auf der Branche laste auch daher so viel Druck, weil der Internethandel boome. „Und warum kann der Versandhandel so billig sein? Weil es ein Heer von prekär Beschäftigten gibt“, sagte Laumann mit Blick auf Paketboten und Lagerarbeiter. Hier sei jeder Kunde gefordert, auch in Pandemiezeiten eher beim Händler um die Ecke zu bestellen.
Laumann tadelte zugleich die Weigerung der Geschäftsführung der TSP, einer Tochter der einst landeseigenen Immobiliengesellschaft LEG, einen Tarifvertrag abzuschließen. Das Ministerium versuche zwar, sich einzuschalten, könne aber wegen der geltenden Tarifautonomie nichts bewirken, solange die Geschäftsführung nicht einlenke.
Die SPD-Abgeordnete Lisa Kapteinat sagte dazu: „Es ist unanständig, den Beschäftigten einen Tarifvertrag und damit regelmäßige Tariferhöhungen zu verweigern.“Zumal sich die Geschäftsführung eine satte Einkommenserhöhung von über einer Million Euro genehmigt habe. „Von nur 900.000 Euro hätten stattdessen alle 404 Beschäftigten profitieren können.“
„Tarifverträge schaffen sozialen Frieden“, konstatierte auch der CDU-Abgeordnete Peter Preuß. Das gleichsam in der Verfassung verankerte Recht, sich nicht organisieren zu müssen, führe oft zu einer Tarifflucht. Wenn das System nicht funktioniere, müsse die Politik eingreifen, wie sie es etwa mit dem Mindestlohn getan habe: „Die Regelung des gesetzlichen Mindestlohns ist Folge der Schwäche der Gewerkschaften.“Der Grünen-Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh hielt dem entgegen, der Staat könne durchaus mehr Einfluss nehmen, etwa indem er Dienstleistungen und Waren nur noch von solchen Firmen kaufe, die tariftreu seien. Der FDP-Abgeordnete Stefan Lenzen forderte hingegen weniger staatliche Einmischung und eine Aktienbeteiligung der Beschäftigten.