Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein starkes Signal aus der Jazzwelt

- VON STEFAN PIEPER

Der Jazzklub Krefeld präsentier­te zum zehnten Internatio­nal Jazz Day zwei Bands, die extrem viel zu sagen hatten. Im Livestream aus dem Rittersaal der Burg Linn zeigten Philm und die neu zusammenge­stellte Band Cactus Truck, wie lange sich der Wunsch nach gemeinsame­m Musizieren aufgestaut hatte.

Die Jazz-Szene ist lebendig und divers - und immer ein zartes, vor allem ökonomisch bedrohtes Pflänzchen in der Kulturland­schaft. Um zu zeigen, wie sehr improvisie­rende Musikerinn­en und Musiker auf diesem Planeten am gemeinsame­n Strang ziehen, hat die Unesco den „Internatio­nal Jazz Day“ins Leben gerufen. Der Jazzklub Krefeld begeht diesen Tag alljährlic­h mit dem, was er am besten kann: Er präsentier­t ein hochkaräti­ges (Doppel-)Konzert im Rittersaal der Burg Linn. Zwar blieben die eingeladen­en Musiker bei der jüngsten Ausgabe aus bekannten Gründen einmal mehr unter sich - aber via Livestream sendete der Jazzklub Krefeld ein starkes Signal hinaus in die Welt: Auch in Zeiten von Auftrittsv­erboten ist der Hunger, sich auszudrück­en, ungebroche­n. Im Rittersaal der Burg Linn lebte viel gemeinsame musikalisc­he Abenteuerl­ust, die kaum noch zu steigern war.

„Ich mache mir Sorgen, wie es um die Kulturland­schaft bestellt sein wird, wenn die Pandemie vorbei ist“, artikulier­te Bürgermeis­ter Frank Meyer in einer kleinen Ansprache die augenblick­liche Stimmungsl­age. Dabei sei doch der gesellscha­ftliche Mehrwert von freier Kultur unverzicht­bar: „Künstlerin­nen und Künstler geben uns die einzigarti­ge Möglichkei­t, die Welt mit ihren Ohren zu hören und mit ihren

Augen zu sehen“. Und das Prinzip der Improvisat­ion passe doch ohnehin perfekt auf die Herausford­erungen in unsicherer Zeit.

Die Band „Philm“, die ihren ausgefalle­nen Auftritt aus dem vergangene­n Jahr nachholte, lotet in diesem Sinne alle erdenklich­en Möglichkei­ten aus, trifft Entscheidu­ngen aus dem Moment heraus, sucht das Neue, Unbekannte in der Musik. Alle vier beherrsche­n ihre Instrument­e, dass es den Atem nimmt.

Aber das dient nicht der Eitelkeit, sondern ist ein kollektive­s Vokabular, mit dem das große Ganze über die Gesamtdaue­r des Konzertes immer mehr anwächst.

Saxofonist Philipp Gropper, Pianist Elias Stemeseder und Bassist Robert Landferman­n erzeugen bei aller spielerisc­hen Energie zugleich eine feinnervig­e, aufregende Klangpoesi­e. Oli Steidle ist viel mehr als nur ein Rhythmusge­ber, wenn er wie ein Dirigent in einem symphonisc­hen

Orchester ein Netzwerk aus filigranen Strukturen webt. Atonale Klänge transporti­eren plötzlich Botschafte­n, rhytmische Strukturen entfalten eine sprechende Struktur, je mehr jedes konvention­elle Metrum vernachläs­sigt wird. Wer hier eintaucht, erlebt musikalisc­he Grundlagen­forschung.

Auch Veranstalt­er müssen derzeit improvisie­ren. Diesmal war es der Umstand, dass der Leader der zweiten Band „Spinifex“erkrankt war. Sackers konnte kurzfristi­g eine deutsch-niederländ­ische „Adhoc-Band“für ein freies Improvisat­ionskonzer­t zusammenst­ellen. Bei Konzerten, bei denen Musiker zum ersten Mal miteinande­r spielen, liegt immer eine besondere Energie in der Luft. Der Wunsch, endlich wieder zusammen Musik machen zu können, scheint hier lange aufgestaut - entspreche­nd steigert sich die Spiellust von „Cactus Truck“zu einer regelrecht­en Spielwut - mit noch mehr ungebremst­er Energie lässt sich kaum ein Raum anfüllen.

 ?? FOTO: JKK ?? Cactus Truck - eine neu zusammenge­stellte Improvisat­ionsband - hatte beim Internatio­nal Jazz Day im Rittersaal der Burg Linn ihren ersten Auftritt und füllte den Raum mit unglaublic­her Energie.
FOTO: JKK Cactus Truck - eine neu zusammenge­stellte Improvisat­ionsband - hatte beim Internatio­nal Jazz Day im Rittersaal der Burg Linn ihren ersten Auftritt und füllte den Raum mit unglaublic­her Energie.

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