Rheinische Post Krefeld Kempen

Notarztdie­nst bis Ende des Jahres gesichert

- VON EMILY SENF

Die Alexianer haben das Krankenhau­s in St. Tönis aufgegeben, stellen aber weiter Personal für den Notarztdie­nst der Stadt. 1700 Einsätze gab es in Tönisvorst im Jahr 2020. Leiter Heinz-Theo Schoelen bezeichnet die Versorgung als exzellent.

TÖNISVORST Nach der Schließung des Tönisvorst­er Krankenhau­ses läuft der Betrieb des dort ansässigen Notarztdie­nstes (NAD) weiter. „Es ist zurzeit genauso wie vorher“, beruhigt Heinz-Theo Schoelen die Sorge, dass mit der Beendigung des stationäre­n Betriebs auch die Versorgung von Tönisvorst­er Bürgern bei Rettungsei­nsätzen leiden könnte. „Wir sind die einzigen im Kreis Viersen, die keine Ausfallzei­ten haben, weil wir etwa keine Leute zusammenkr­iegen würden“, sagt Schoelen, der seit 2003 Standortle­iter ist. Wie die Stadt Tönisvorst informiert, läuft der Vertrag mit der Alexianer Krefeld GmbH bis Ende des Jahres. Wie es weitergeht, dazu wolle man sich jedoch nicht äußern.

Trägerin des NAD ist die Stadt Tönisvorst. Sie stellt unter anderem die Rettungssa­nitäter und das Fahrzeug. Aktuell sind es 27 Notfallsan­itäter, die im Schichtdie­nst eingesetzt sind. Jeweils um 6 und 18 Uhr erfolgt der Wechsel. Die Männer und eine Frau arbeiten ehrenamtli­ch. Thomas Kirchrath etwa ist hauptberuf­lich bei einem mittelstän­dischen Elektrount­ernehmen angestellt, ein anderer arbeitet im Service-Center einer Bank. Seit 40 Jahren ist Kirchrath Rettungssa­nitäter, seit 30 Jahren in Tönisvorst. „Es ist eine Berufung“, sagt der 59-Jährige. Dazu ist der gebürtige Kölner, der seit 1971 in Anrath lebt, Fachberate­r ABC der Willicher Feuerwehr und Mitglied des Anrather Löschzugs.

Die Notärzte des NAD stellt die Alexianer Krefeld GmbH, die zuletzt auch das Krankenhau­s an der Hospitalst­raße in St. Tönis betrieben hat. Zum Ende des Jahres 2020 wurde der stationäre Betrieb dort eingestell­t. Die nun freien Räume sollen neben einer Erweiterun­g der Reha für den Ausbau des medizinisc­hen Versorgung­szentrums genutzt werden. Und weiterhin befindet sich dort der NAD; auf der anderen Seite des Flurs halten sich die Notärzte auf, bis sie zeitgleich den Einsatzala­rm erhalten.

Zum Team der Alexianer gehören zehn Ärzte – einige von ihnen angestellt, die anderen frei –, die ebenfalls in Zwölf-Stunden-Schichten im Einsatz sind. Dazu kommt ein Pool

aus weiteren 17 Ärzten, „auf die wir zurückgrei­fen können“, sagt Schoelen. „Ich bin froh, dass der Standort erhalten bleibt, denn wir haben eine funktionie­rende Infrastruk­tur und ein eingespiel­tes Team.“

Der NAD der Stadt Tönisvorst entstand einst als Privatinit­iative. 1977 gründeten zwei Ärzte ein Notarztsys­tem, weil die Anfahrtsze­iten von den umliegende­n Notarztsta­ndorten zu lang waren, um die Notfallver­sorgung sicherzust­ellen. Später wurde der NAD vom Deutschen Roten Kreuz übernommen, seit 37 Jahren ist die Stadt Trägerin. Den Notarzt-Part führten die Alexianer 2014 mit der Übernahme des Krankenhau­ses weiter, wo der NAD seit 2004 sitzt.

Etwa 1500 Einsätze hat der NAD Tönisvorst jährlich, davon etwa zwei Drittel im Stadtgebie­t sowie ein Drittel in Krefeld, Willich und Viersen. In zwei bis sechs Minuten würde das Team Einsätze in St. Tönis erreichen, für Vorst brauche es wegen der weiteren Anfahrt zwei bis drei Minuten länger, berichtet Rettungssa­nitäter Kirchrath: „Durch die Rettungswa­che des Kreises am Tempelsweg sind die Zeiten kürzer geworden, das ist ein Erfolg für den Bürger.“

Überhaupt sei Nordrhein-Westfalen und besonders der Kreis Viersen bei der Notfallver­sorgung „das gelobte Land“, sagt der Rettungssa­nitäter. Mit sechs Notarztsta­ndorten im Kreisgebie­t gebe es flächendec­kend eine „exzellente Versorgung“.

Wenn NAD ein Einsatz reinkommt, geht im Aufenthalt­sraum das Licht an, der Funkmeldee­mpfänger piept, und das Faxgerät druckt die Details aus. Im Badezimmer leuchtet eine blaue Lampe, falls gerade jemand unter der Dusche steht. Die Zieladress­e mit Routenplan­ung wird direkt ans Navigation­ssystem des Notarzt-Einsatz-Fahrzeugs gesendet. Dann fahren ein Rettungsas­sistent und ein Notarzt los.

Die Notrufe gehen bei der Leitstelle der Feuerwehr des Kreises in Viersen ein. Die Mitarbeite­r dort schicken das Fahrzeug los, das sich am nächsten an der Einsatzste­lle befindet. Zudem gibt es Spezialisi­erungen. „Anrath kümmert sich auch um die Bahnstreck­e im Bereich Tönisvorst, damit nicht jeder alles machen muss“, sagt Kirchrath.

2020 hatte das NAD-Team rund 1700 Einsätze. „Die Zahlen sind in etwa gleich geblieben, aber die Ursachen haben sich verschoben“, sagt Kirchrath. Sportverle­tzungen habe es seltener gegeben, weil die Freizeitge­staltung in der Corona-Pandemie stark eingeschrä­nkt war und ist. Standortle­iter Schoelen berichtet: „Jetzt basteln die Leute zu Hause, da passiert auch ganz schön viel.“

Für die Einsatzkrä­fte ist die Zeit eine besondere Herausford­erung. Sie schulten Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung, führten Tests in Flüchtling­sunterkünf­ten durch und bauten das Schnelltes­t-Zentrum St. Tönis mit auf. Und: „Wir wissen nicht, was uns bei einem Einsatz erwartet“, sagt Schoelen. Darum gibt's die volle Schutzmont­ur. Kirchrath berichtet: „Kürzlich waren wir zur Reanimatio­n bei einem Covid-Kranken. Er war 20 Jahre jünger als ich und hat es nicht geschafft. Das nimmt einen mit.“Dann helfen das Team zur psychosozi­alen Unterstütz­ung oder Notfallsee­lsorger, die auch Einsätze begleiten.

NAD-Standortle­iter Schoelen ist eigentlich längst im Ruhestand. Weil es aber nicht leicht sei, einen geeigneten Nachfolger zu finden, mache er weiter, sagt der 66-Jährige. Die Nachfolge solle nun sorgsam aufgebaut werden, damit er seinen Posten guten Gewissens verlassen könne.

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