Rheinische Post Krefeld Kempen
Selbstverpflichtung ist inkonsequent
Das passiert äußerst selten: Der Oberbürgermeister entzieht einem Ratsmitglied das Wort; nun hat es den WUZ-Ratsherrn Ralf Krings erwischt. Das Manöver ist nachvollziehbar unter Pandemiegesichtspunkten, bleibt aber inkonsequent und rechtlich heikel.
Rechtlich heikel, weil freiwillige Selbstverpflichtungen nun mal freiwillig sind; wer sich nicht an eine so beschlossene Regel hält, handelt moralisch fragwürdig, kann sich aber juristisch streng genommen auf die große Schwäche solcher Vereinbarungen berufen: auf ihre Freiwilligkeit.
Inkonsequent ist die Regel, weil sich ja auch andere Redner nicht strikt an die Fünf-Minuten-Regel gehalten haben. Im Duktus der Ratssitzung war schon klar zu spüren: Der Wille zur Beschränkung war erkennbar, auch bei CDUMann Reuters und SPD-Mann Winzen, die jeweils mindestens acht bis neun Minuten geredet haben. Krings wiederum fiel eindeutig aus dem Rahmen; er redete fühlbar mehr und kam einfach nicht zum Ende.
Dennoch ist Krings' Vorwurf an Meyer, er habe bei Zeitüberschreitungen der anderen nicht reagiert, nicht von der Hand zu weisen. Meyer hat, wohlwollend gesagt, eine Regel mit Augenmaß angewendet. Das ist zugleich das Problem: Die großen Fraktionen haben ihre eigene Regel auch gebrochen.
Konsequent wäre es gewesen, den Weg der Geschäftsordnung zu gehen: Zeit bestimmen, abstimmen, alle gleich behandeln. So hatte Meyer inhaltlich recht mit seiner Aktion, ohne 100prozentig das Recht auf seiner Seite zu haben: Der Geist der Vereinbarungen wollte Kürze; die Umsetzung blieb rechtlich halbherzig. Wenn der Rat wirklich Kürze will, sollte er sie verbindlich beschließen.
Es geht dabei ja nicht um eine juristische Fingerübung, sondern auch um demokratische Fairness. Krings wollte provokant sein; er zog Zwischenrufe und Spott auf sich. Eine problematische Ausgangslage: Er hatte den Saal aus inhaltlichen Gründen gegen sich; ihm das Wort zu entziehen erschien auch als Konsequenz der kollektiven Gemütslage, wo nur die Zeit hätte eine Rolle spielen dürfen. Um den Vorwurf, dass ein missliebiger Redner abgewürgt werden sollte, gar nicht erst aufkommen zu lassen, wäre eine klare Regel besser gewesen.