Rheinische Post Krefeld Kempen
„Wir erkennen nicht, was Wertschätzung ist“
Bei der Wahlarena der IHK in der Rathaus-Galerie haben die Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis 110 (KrefeldSüd) zu den Themengebieten Strukturwandel, Digitalisierung und Bildung diskutiert.
Jürgen Steinmetz hat den bisherigen Bundestagswahlkampf zu Beginn der Wahlkampfarena der IHK Mittlerer Niederrhein am Dienstagabend in der Kaarster Rathaus-Galerie als „inhaltsleer“bezeichnet. Das wollte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer ändern und lud deshalb die Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis 110 zu einer Podiumsdiskussion ein. Zugesagt hatten Ansgar Heveling (CDU), Philipp Einfalt (SPD), Katharina Voller (Grüne) und Otto Fricke (FDP). Einfalt sagte seine Teilnahme aus familiären Gründen kurzfristig ab. So standen drei Kandidaten auf dem Podium, die in einer rund 90-minütigen Diskussion über die Themen Bildung, Bürokratieabbau, Strukturwandel und Digitalisierung zu den Fragen von Fernsehmoderator Dieter Könnes Stellung bezogen. „Nutzen Sie die Chancen, heute Abend ins Gespräch zu kommen und die Positionen der Kandidaten zu hinterfragen“, appellierte Steinmetz an die 13 Zuhörer – mehr waren zu dieser Veranstaltung nicht gekommen. Es waren alles in allem harmonische 90 Minuten. Vor allem Ansgar Heveling und Otto Fricke waren verblüffend oft auf einer Wellenlänge, wobei der CDU-Kandidat, der seit 2009 im Bundestag sitzt, den geringsten Redeanteil der drei Kandidaten hatte.
Katharina Voller nannte den Strukturwandel in ihrem Wahlkreis eine „große Herausforderung“, auf die genau zu achten sei.
„Wir müssen die Region gemeinsam fit für die Zukunft machen“, so Voller.
Angsgar Heveling erklärte, dass die Politik „den
Boden für Veränderungen bereiten“muss, „der neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet“. Veränderungen sollten so strukturiert werden, dass es eine Perspektive gibt. „Wir müssen gucken, wie wir in Zukunft Geld verdienen“, erklärte Otto Fricke. Es müssten Chancen aufgezeigt werden und nicht „auf Teufel komm raus“Veränderungen, nur um etwas zu verändern. Auf Bundesebene müssten die Abgeordneten für ihren Wahlkreis werben, wenn beispielsweise die Frage nach dem Standort für ein neues Institut aufkommt. Es sei wichtig, Unternehmen Freiraum einzuräumen, um ihren eigenen Weg zu Innovationen zu finden, so Heveling.
Die Schulnoten für die Digitalisierung fielen eher schlecht aus, Heveling war mit einer 3- noch der gnädigste Kandidat. Erst durch Corona sei Schwung in die Digitalisierung gekommen. „Es ist notwendig, diesen Schwung zu nutzen“, erklärte Voller: „Digitalisierung darf nicht nur bei der Glasfaser hängen bleiben. Die Regelungen sind zu engmaschig.“Die Digitalisierung sei auch die Grundlage, um die Bürokratie in Deutschland abzubauen. „Wir machen es alle viel zu kompliziert“, so Fricke. Die Unternehmen müssten mehr Freiheiten vom Staat erhalten – gleichzeitig aber auch mehr Verantwortung übernehmen. Für Heveling tragen die Juristen eine Teilschuld an der Bürokratie: „Es wird eine Entscheidung getroffen, es wird geklagt und es gibt ein Urteil und es muss wieder etwas angepasst werden. Wir müssen versuchen, diese Spirale zu durchbrechen“, sagt das CDU-Bundestagsmitglied.
Beim Thema Fachkräftemangel herrschte Einigkeit: Es mangelt an gesellschaftlicher Anerkennung für Handwerksberufe. „Wir sind eine akademisierte Gesellschaft geworden und erkennen nicht, was Wertschätzung ist“, so Fricke. Heveling ergänzte: „Wir müssen transportieren, dass eine akademische Ausbildung nicht gleichzeitig bedeutet, mehr zu verdienen.“