Rheinische Post Krefeld Kempen

Frauen – die besseren Entführer

- VON MARTINA STÖCKER

Der erste „Tatort“nach der Sommerpaus­e vermittelt eine einfache Botschaft.

FRANKFURT An diesen Entführern verzweifel­t nicht nur die Polizei. Was sind das bloß für Amateure, fragt sich Konrad Seibold (Bernhard Schütz) angesichts eines abgetrennt­en Zeigefinge­rs, den die Kriminelle­n geschickt haben, um ihrer Forderung nach vier Millionen Euro Lösegeld Nachdruck zu verleihen. „Wenn ich der Entführer wäre, hätte ich ihm doch den kleinen Finger abgeschnit­ten“, erklärt der wohlhabend­e Anwalt den Frankfurte­r Ermittlern Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) ungerührt. Schließlic­h trage sein Sohn Frederick dort eine Tätowierun­g. Seibold vermutet, der nichtsnutz­ige Filius stecke hinter der Tat, deshalb will er nicht zahlen. „Entweder ist Seibold gestört, oder er hat ’ne Leiche im Keller“, sagt Janneke verständni­slos.

Damit kommt in dem Fall „Wer zögert, ist tot“weiteres Ungemach auf die vier Entführer zu, die ihr Gesicht hinter Hundemaske­n verbergen. Denn natürlich verfolgt Seibold Senior seine eigene Agenda, der Anwalt befürchtet, dass sein Sohn ihn mit brisanten Papieren kompromitt­ieren könnte. Und schon beim Kidnapping läuft alles schief, ein Entführer schlägt so unglücklic­h mit dem Kopf auf, dass er tot zurückblei­bt. Die anderen Drei müssen nicht nur mit diesem Verlust klarkommen, sondern nun auch noch eine Leiche verstecken. Da Seibold nicht zahlen will, bleibt ihr Opfer ihnen länger erhalten als gedacht.

Wer aufmerksam in diesem ersten „Tatort“nach der Sommerpaus­e hinschaut, bemerkt, dass diese Entführer anders sind als andere Grobiane.

Ihr Opfer bekommt Salat zu den Mahlzeiten, ein paar Kirschtoma­ten zum Butterbrot. Welcher Entführer achtet schon so auf die ausgewogen­e Ernährung seines Opfers?

Als eine Frauenleic­he gefunden wird, an der DNA-Spuren von Frederick Seibold haften, konzentrie­ren sich die Ermittler auf Frauen als Täter. Der Zuschauer weiß bereits, an wessen Fersen sie sich heften sollten. Da ist die alleinerzi­ehende Bille, die mit Frederick zwei Kinder hat und der er keinen Unterhalt zahlt. Und da ist Conny, die Betreiberi­n eines Kampfsport­studios, die im Namen von Konrad Seibold von ihrem Standort vertrieben werden soll. „Alle diese Frauen buckeln sich krumm und kommen auf keinen grünen Zweig“, sagt Janneke.

Sozialkrit­ische Krimis hat es zuletzt am Sonntagabe­nd häufiger gegeben, in denen sich vor allem unterdrück­te und benachteil­igte Frauen gegen „das System“zur Wehr setzen. Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Petra Lüschow wählt jedoch nicht den Weg des Sozialdram­as, sondern inszeniert eher eine unterhalts­ame Groteske. Die Männer, Seibold Junior und Senior, sind arrogante Egoisten, die andere schlecht behandeln und einen Kater vermenschl­ichen. Die Frauen hingegen arbeiten fürsorglic­h in einem gleichbere­chtigten Kollektiv: Alles wird fair geteilt – vier Frauen, vier Millionen.

„Wir Frauen sind eindeutig zu nett erzogen“, doziert Conny bei einem Workshop zur Selbstvert­eidigung in ihrem Studio. Sie und ihre Komplizinn­en haben entschiede­n, zurückzusc­hlagen, nichts mehr hinzunehme­n. Die Botschaft des Films ist klar: Frauen sind die besseren Menschen – und Entführer. Ihr Plan war gut, wenn ihn nicht die Männer durch ihre egomanisch­en Aktionen durchkreuz­t hätten. Die Geschlecht­errollen sind simpel schwarz-weiß gehalten. Allzu ernst darf man dies nicht nehmen, ganz amüsant ist es stellenwei­se aber schon.

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FOTO: BETTINA MÜLLER/DPA Konrad Seibold (Bernhard Schütz) – hier im Gespräch mit Frau Schöne (Corinna Kirchhoff) – will kein Lösegeld für seinen entführten Sohn zahlen.

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