Rheinische Post Krefeld Kempen
Menschen ans Licht bringen
Seine Porträts lassen tiefer blicken als die anderer Künstler. Ein Besuch im Kölner Wohnatelier des Fotografen Albrecht Fuchs.
KÖLN Nur wenige Fotografen widmen sich so ausschließlich dem Künstlerporträt wie Albrecht Fuchs. Die Bechers schreckten davor zurück. Thomas Ruff zitiert Menschenbilder. Bernhard Fuchs sucht im Gegenüber das eigene Ich. Benjamin Katz lebt, spielt und lacht mit seinesgleichen. Aber Albrecht Fuchs will die Person hinter der Kunst kennenlernen.
Er ist ein freundlicher Mensch. Nichts weist in seinem Arbeitsraum darauf hin, dass er für den internationalen Austausch der Kunstorte im Rheinland und an der nordamerikanischen Ost- und Westküste die entsprechenden Fotos bereithält. Er wirkt so ehrlich wie seine Bilder. „Ja, ich habe viel von Evelyn Hofer gelernt“, sagt er bescheiden. Das war 1989 in New York, als er seinen Kommilitonen und Freund Laurenz
Berges besuchte, der ein Jahr als Assistent der deutsch-jüdischen Fotografin arbeitete.
Hofer verlor sich nicht in soziologischen Fragen und gesellschaftlichen Positionen, sondern stellte die Großformatkamera aufs Stativ und nutzte das natürliche Licht für die fast schon lyrischen Aufnahmen der US-amerikanischen Kunstprominenz in deren Studios. Fuchs arbeitet zwar mit der handlichen Mittelformatkamera, aber respektiert gleichfalls das Tageslicht, das Milieu und die klassische Komposition. Am Standort New York, zu dem 2004 auch Los Angeles hinzukam, öffnete er sich der großen weiten Welt voller Neugierde. Hier fand er seine Frau und sorgte für den Brückenschlag zwischen den Kontinenten.
Präzise, voller Sympathie sind die Aufnahmen. Jitka Hanzlova, die aus der Tschechoslowakei nach Essen emigrierte, hält er mitsamt ihren osteuropäischen Pantoffeln fest. „Ich sehe mich nicht als Studio-Fotograf, sondern schildere die Menschen dort, wo sie arbeiten oder wo ich sie zufällig treffe“, sagt er. Der Malerin Elizabeth Peyton, die in Düsseldorf ein kurzes Gastspiel an der Akademie gab, begegnete er im Kölner Hotel Chelsea, stellte sie in die dunkle Garage von gegenüber, die auch noch halb überdacht war, und ließ sie aus der Dunkelheit lässig heraustreten, während das Tageslicht ihr Gesicht streifte.
Er sucht nicht, sondern findet. Manchmal ist das nicht so einfach. Wie sollte er John Baldessari aufnehmen, diesen Hünen von mehr als zwei Meter Länge? Er legte den netten alten Herrn aufs Sofa und nahm nun das gesamte Studio in Santa Monica mit der umwickelten Klimaanlage auf, die sich wie eine Riesenwurst durch den Raum schlängelt. Georg Herold, den langjährigen Dekan in Düsseldorf, traf er in Hollywood Hills im Pool House und fotografierte ihn neben Kakteen, die an Herolds staksige Holzskulpturen erinnern. Für
Albert Fuchs sind das eher „unbewusste Entscheidungen“, so sein Kommentar. Im Jahr 1995 drückte er im entscheidenden Moment den Auslöser und hatte eine Ikone der Fotokunst im Kasten. „Ich durfte Martin Kippenberger in die alte Goldgräberstadt Dawson City in Kanada begleiten, wo eine hölzerne Station seines fiktiven U-BahnSystems ,Metro-Net' entstand“, erzählt er und fotografierte „Kippi“im nassen Staubmantel und mit Hut, aber von hinten. Kerzengerade steht er da, hinter sich Geröll, vor sich eine milchig graue Landschaft. Künstler wie Fotograf wussten sofort, was sie taten: Das Foto zitiert Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“.
„Jeder Künstler ist ein Mensch“, pflegte Europas Spaßvogel Nummer eins die Worte von Joseph Beuys umzudrehen. Fuchs stellt die Künstler menschlich dar, oftmals sogar im
Bett. Bei Nicole Eisenman entstand die Aufnahme in der Nähe ihres Ateliers, und Fuchs komponierte die diversen Fassadenelemente wie ein abstraktes Bild, mit der scheinbar alltäglichen Frau im Mittelpunkt.
Und wie sieht Fuchs seine Ergebnisse? „Ich lege natürlich Wert darauf, dass das Porträt dem entspricht, wie ich die Person wahrnehme. Aber das Foto muss auch als Bild funktionieren. Es muss schlüssig sein. Die technischen Voraussetzungen sind minimal. Ich arbeite mit vorhandenem Licht, mit Stativ und Farbe. Das ist keine komplizierte Arbeitsweise. Es sind auch keine vorher ausgedachten Situationen. Im Atelier oder in der Wohnung erfährt man natürlich mehr vom Leben. Aber selbst auf der Straße ist es ein Umfeld, das irgendwie mit ihnen zu tun hat“, sagt er bescheiden. Bezeichnenderweise gibt es kein Selbstporträt von ihm.