Rheinische Post Krefeld Kempen
Naturschutzbund fordert besseren Insektenschutz
„Insbesondere der Einsatz von Pestiziden in Schutzgebieten erfolgt größtenteils weiter ohne Einschränkung“, so Biologe Martin Sorg.
Der Naturschutzbund (Nabu) NRW fordert einen besseren Schutz von Insekten. Zwar seien inzwischen einige bienengefährliche Insektizide verboten worden, so Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld auf der Landesvertreterversammlung des Umweltverbands in Hagen. Grundsätzlich gehe aber der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ungebremst weiter. „Insbesondere der Einsatz von Pestiziden in unseren Schutzgebieten erfolgt größtenteils weiter ohne Einschränkung und Rücksicht auf ihren eigentlichen Zweck, nämlich den Schutz der Natur mit all ihren Tieren und Pflanzen“, kritisiert Sorg. Der Naturwissenschaftler fordert die rund 180 Delegierten aus 52 NRW-Kreis- und Stadtverbänden des Nabu auf, von den Kommunen entsprechende Änderungen ihrer Schutzgebietsverordnungen einzufordern. Deutschland- und europaweite Trends wie deutliche Rückgänge von Insekten und Feldvögeln in der freien Landschaft machten sich direkt vor der eigenen Haustür bemerkbar, ergänzt Nabu-Landesvorsitzende Heide Naderer. Naderer appelliert zudem an die Verbandsvertreter, die Dringlichkeit des Klimaschutzes in Politik und Gesellschaft zu vermitteln.
Weltweit werden Pestizidwirkstoffe in rund 5000 unterschiedlichen Spritzmitteln verwendet. Diese große Vielfalt von Schadstoffen kann, je nach Wirkungsweise, jede unserer elementaren Körperfunktionen
gefährden. Wechselwirkungen der Gifte untereinander und deren Abbauprodukte sind bislang kaum untersucht und stellen ein weiteres Risiko dar, so Experten von Greenpeace. Viele Toxikologen halten daher die existierenden Grenzwerte für nicht ausreichend. Doch selbst diese Limits werden heute in vielen Lebensmitteln überschritten. Pestizide sind eine der häufigsten Ursachen für akute und schleichende Vergiftungen. Den schrittweisen Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden bis zum Jahr 2035 sowie für ein Verbot der für Gesundheit und Umwelt besorgniserregendsten Pestizide in den nächsten fünf Jahren fordern mehr als 100 Bio-Unternehmen, Umweltorganisationen, Wasserwirtschaftsverbände und Wissenschaftler. Zu den Unterzeichnern des gemeinsamen offenen Briefes an die
Bundestagskandidaten zur Bundestagswahl 2021 von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke gehören neben dem Initiator, dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Umweltinstitut München, die Bio Company, Demeter, die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet (IAWR) und die Michael Succow Stiftung.
Martin Sorg ist Vorstandsmitglied des Entomologischen Vereins Krefeld (EVK). Dort war eine Studie entstanden, die 2017 weltweit viel Aufsehen erregte – und in Deutschland eine Debatte ins Rollen brachte. Die Veröffentlichung über den Insektenrückgang hat Folgen gehabt, die nicht absehbar waren. „Vor 2017 hatten wir ein bisschen mehr Ruhe“, so der Biologe. Der Verein ist ein Zusammenschluss von heute etwa 65
Insektenforschern. Sie werden projektbezogen gefördert und für wissenschaftliche Arbeiten in der ganzen Welt verpflichtet.
Die Krefelder forschen in zahlreichen Ländern. Sie haben standardisierte Methoden entwickelt, die Ergebnisse verschiedener Studien vergleichbar machen und damit weitreichende Aussagen ermöglichen. Martin Sorg leitet die Untersuchungsprojekte und ist in den vergangenen Jahren das Gesicht der Forscher geworden. Mit langen, grauen Haaren und runder Brille fällt er auf. Für Insekten hat er sich „wie viele Entomologen“schon als Kind begeistert. „Sie haben eine unglaubliche Vielfalt, es gibt mehr als 33 000 Arten in Deutschland, wie viele weiß man bis heute nicht“, schwärmt der Wissenschaftler, der am Niederrhein lebt und einen zweiten Wohnsitz in Asien hat.