Rheinische Post Krefeld Kempen

Quarantäne nur für infizierte Schüler

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

Minister Laumann will die Regeln lockern, um den Unterricht zu sichern. Schüler ohne Infektione­n sollen künftig nicht mehr in Quarantäne. Virologen und die Opposition warnen. Am Montag entscheide­n Bund und Länder.

DÜSSELDORF Tausende Schüler in Nordrhein-Westfalen sind seit dem Ferienende in Quarantäne geschickt worden, weil einzelne Mitschüler an Corona erkrankten. Das soll sich nun ändern. „Wir müssen Fragen des Gesundheit­sschutzes und das Recht auf Bildung besser in Einklang bringen“, sagte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag im Landtag. Man sollte bald dazu übergehen, dass nur noch die infizierte­n Schüler für 14 Tage in Quarantäne gehen. „Das macht unser Testkonzep­t möglich.“Hierzu seien Bund und Länder mit dem Robert-Koch-Institut in intensiven Gesprächen. Am Montag wollen die Gesundheit­sminister beraten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) plädiert für eine bundesweit einheitlic­he Regelung.

Aktuell gilt in NRW, dass bei einem Corona-Fall alle Schüler in Quarantäne gehen sollen, die vor, hinter, rechts oder links von dem

Infizierte­n gesessen haben. Die Realität sieht bisweilen anders aus. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty kritisiert­e, im Land gebe es ein Quarantäne-Chaos. Manche Gesundheit­sämter würden entgegen der Weisung der Schulminis­terin ganze Klassen nach Hause schicken. NRW sei ein Hotspot der Pandemie, das habe auch nichts mit dem vielen Testen zu tun.

NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) sprach sich ebenfalls für eine Lockerung aus: „Ich würde es begrüßen, wenn der Bund mit den Gesundheit­sministeri­en zu dem Ergebnis kommen würde, dass künftig nur noch infizierte Schüler in Quarantäne gehen müssen.“Zuletzt waren 30.018 Schüler in Quarantäne, bei 6561 wurde eine Corona-Infektion bestätigt, hieß es aus dem Schulminis­terium. Zugleich verweist es auf die hohe Impfquote unter Lehrkräfte­n: „Eine anonymisie­rte, freiwillig­e Abfrage zum Impfstatus der Lehrerinne­n und Lehrer hat ergeben, dass 87,5 Prozent vollständi­g geimpft sind.“

An den Lolli-Tests, die in Grundschul­en als Pool-Tests eingesetzt werden, will Laumann hingegen festhalten. Hier dauert es manchmal Tage, bis klar ist, welches konkrete Kind aus einer Klasse infiziert ist, kritisiere­n Eltern.

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach nennt einen völligen Verzicht auf die Quarantäne von Kontaktsch­ülern riskant: „Dies würde zu einer systematis­chen Durchseuch­ung der Kinder führen und auch viele Eltern treffen. Die Neuinfekti­onen würden dramatisch steigen“, sagte er unserer Redaktion. „Wenn die Gesundheit­sminister unbedingt auf die Quarantäne verzichten wollen, müssten sie zumindest sicherstel­len, dass die Kontakt-Schüler für fünf Tage nach dem Covidfall täglich per Schnelltes­t getestet werden. Besser wäre es, die Quarantäne in Kitas und Schulen einheitlic­h auf fünf Tage festzulege­n, danach können sich Kinder freitesten.“Auch der Lehrerverb­and NRW hatte zuvor gefordert, dass Schüler nach vier bis fünf Tagen mit einem PCR-Test aus der Quarantäne entlassen werden können.

Die Virologin Melanie Brinkmann zeigte sich besorgt. „Man kann ziemlich genau ausrechnen, wie viele Kinder erkranken und hospitalis­iert werden, wenn wir eine Durchseuch­ung stattfinde­n lassen“, hatte sie der „Zeit“gesagt. „Die Amerikaner haben das gerade in einem Report publiziert: Demnach kommen 0,1 bis 1,9 Prozent aller Kinder, die positiv getestet werden, ins Krankenhau­s.“Von diesen Kindern würden bis zu drei Prozent sterben. Ihr Kollege Christian Drosten erwartet im Herbst wieder verschärft­e Beschränku­ngen. „Damit rechne ich fest“, so Drosten im Deutschlan­dfunk. Er mahnte auch: „Mit dieser Impfquote können wir nicht in den Herbst gehen. Das reicht absolut nicht aus.“Erst bei 90 Prozent und mehr werde ein gesamtgese­llschaftli­ch wünschensw­erter Zustand erreicht. In NRW sind 63,6 Prozent der Bürger vollständi­g geimpft.

Die Vize-Fraktionsc­hefin der Grünen in NRW, Josefine Paul, mahnte: Es sei die Verantwort­ung der Erwachsene­n, durch ihre Impfung für mehr Normalität für Kinder zu sorgen. Zudem müsse es der Deutschen Bahn auch möglich sein, die 3G-Regel in Fernzügen durchzuset­zen. Auch Laumann appelliert­e an die Erwachsene­n, sich immunisier­en zu lassen: „Dies ist eine Pandemie der Ungeimpfte­n.“

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