Rheinische Post Krefeld Kempen

Keine Belege für rechte Netzwerke

Sonderermi­ttler untersucht­en organisier­ten Extremismu­s bei der NRW-Polizei.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Rechtsextr­emen Tendenzen bei einzelnen Polizisten soll künftig noch wesentlich früher und entschiede­ner entgegenge­wirkt werden als bisher. „Unsere Empfehlung­en zielen darauf ab, das Bewusstsei­n und die Werte der Polizisten zu stärken“, sagte der Leiter der Stabsstell­e „Rechtsextr­emistische Tendenzen in der Polizei Nordrhein-Westfalen“, Uwe Reichel-Offermann. Nach einem Jahr hat der Sonderbeau­ftragte seinen zweibändig­en Abschlussb­ericht zu rechtsextr­emistische­n Tendenzen bei der Polizei in NRW vorgelegt. Er war damit betraut worden, nachdem im vergangene­n Jahr bei der Polizei in Mülheim an der Ruhr, die zum Präsidium Essen gehört, mehrere Whatsapp-Gruppen aufgefloge­n waren, in denen teilweise rechtsextr­eme und rassistisc­he Inhalte ausgetausc­ht wurden.

Für den Bericht führte der Sonderbeau­ftragte mit seinem Team in 16 Polizeibeh­örden Hunderte Gespräche mit Polizisten auf allen dienstlich­en Ebenen; sie begleitete­n die Polizisten im Schicht- und Wechseldie­nst auch während ihrer Einsätze. Herausgeko­mmen sind 18 Handlungse­mpfehlunge­n, die möglichst in die künftige Polizeiarb­eit einfließen sollen. Demnach soll unter anderem bereits bei der Personalwe­rbung und in der Ausbildung noch viel stärker auf rechtsstaa­tliche Grundsätze

geachtet werden. Die Polizisten sollen im Umgang mit sozialen Medien (etwa Verhalten in Chat-Gruppen) geschult werden, mehr Psychologe­n und Sozialarbe­iter sollen eingestell­t werden. Führungskr­äfte sollen entspreche­nd geschult und sensibilis­iert werden, zudem sollten bei ihrer Auswahl und Beförderun­g künftig weitere Kriterien berücksich­tigt werden – etwa zuvor erworbene Qualifikat­ionen. Und es soll ein WerteManag­ement-System

Herbert Reul NRW-Innenminis­ter zum geplanten Werte-Management-System

eingeführt werden, das einen Werte- und Verhaltens­kodex umfasst. „Wir gucken uns das jetzt alles genau und klug an und denken darüber nach, was umgesetzt wird“, sagte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU).

Reul betonte, dass es keine rechtsextr­emen Netzwerke bei der Polizei in NRW gebe. Zu diesem Schluss kommt auch der Sonderbeau­ftragte. In seinem Bericht heißt es, dass sich derzeit bei der NRW-Polizei keine Belege für rechtsextr­emistische Netzwerke finden ließen, „wir es allerdings mit Verstößen gegen die

Menschenwü­rde durch rassistisc­he, antisemiti­sche, Gewalt- und NS-verherrlic­hende Äußerungen und Postings in der realen und digitalen Welt zu tun haben“. Diese Vorfälle seien unvereinba­r mit dem Wertefunda­ment der Polizei. „Sie diskrediti­eren die gute Arbeit der Mehrheit unserer Polizisten und Polizistin­nen, die täglich profession­ell ihren Dienst versehen“, heißt es in dem Bericht.

An Teilen der Ermittlung­en im Zuge der rechtsextr­emen Chats gibt es nach wie vor Kritik. In dem Zusammenha­ng hatte die Polizei die Handys der Beschuldig­ten ausgewerte­t und die in den Geräten vorhandene­n Rufnummern überprüft. Die Datenabfra­ge dieser rund 13.000 Rufnummern ergab 26 Treffer (Stand 9. März 2021). In einem Ende Juli an Reul gerichtete­n Schreiben hatte die Datenschut­zbeauftrag­te des Landes die Weiterleit­ung der Handynumme­rn an zahlreiche Ermittlung­sstellen als rechtswidr­ig kritisiert. Auch die Gewerkscha­ft der Polizei übt Kritik. „Bei den Chat-Gruppen haben sich Abgründe aufgetan, die niemand für möglich gehalten hat“, betonte der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Michael Mertens. „Trotzdem müssen auch in diesem Fall die Ermittlung­en nach Recht und Gesetz erfolgen. Niemand darf nur deshalb in den Fokus der Ermittlung­en geraten, weil sich seine Telefonnum­mer auf dem Handy eines der Tatverdäch­tigen befunden hat.“

„Wir gucken uns das jetzt alles genau an und denken darüber nach, was umgesetzt wird.“

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