Rheinische Post Krefeld Kempen
Keine Belege für rechte Netzwerke
Sonderermittler untersuchten organisierten Extremismus bei der NRW-Polizei.
DÜSSELDORF Rechtsextremen Tendenzen bei einzelnen Polizisten soll künftig noch wesentlich früher und entschiedener entgegengewirkt werden als bisher. „Unsere Empfehlungen zielen darauf ab, das Bewusstsein und die Werte der Polizisten zu stärken“, sagte der Leiter der Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei Nordrhein-Westfalen“, Uwe Reichel-Offermann. Nach einem Jahr hat der Sonderbeauftragte seinen zweibändigen Abschlussbericht zu rechtsextremistischen Tendenzen bei der Polizei in NRW vorgelegt. Er war damit betraut worden, nachdem im vergangenen Jahr bei der Polizei in Mülheim an der Ruhr, die zum Präsidium Essen gehört, mehrere Whatsapp-Gruppen aufgeflogen waren, in denen teilweise rechtsextreme und rassistische Inhalte ausgetauscht wurden.
Für den Bericht führte der Sonderbeauftragte mit seinem Team in 16 Polizeibehörden Hunderte Gespräche mit Polizisten auf allen dienstlichen Ebenen; sie begleiteten die Polizisten im Schicht- und Wechseldienst auch während ihrer Einsätze. Herausgekommen sind 18 Handlungsempfehlungen, die möglichst in die künftige Polizeiarbeit einfließen sollen. Demnach soll unter anderem bereits bei der Personalwerbung und in der Ausbildung noch viel stärker auf rechtsstaatliche Grundsätze
geachtet werden. Die Polizisten sollen im Umgang mit sozialen Medien (etwa Verhalten in Chat-Gruppen) geschult werden, mehr Psychologen und Sozialarbeiter sollen eingestellt werden. Führungskräfte sollen entsprechend geschult und sensibilisiert werden, zudem sollten bei ihrer Auswahl und Beförderung künftig weitere Kriterien berücksichtigt werden – etwa zuvor erworbene Qualifikationen. Und es soll ein WerteManagement-System
Herbert Reul NRW-Innenminister zum geplanten Werte-Management-System
eingeführt werden, das einen Werte- und Verhaltenskodex umfasst. „Wir gucken uns das jetzt alles genau und klug an und denken darüber nach, was umgesetzt wird“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Reul betonte, dass es keine rechtsextremen Netzwerke bei der Polizei in NRW gebe. Zu diesem Schluss kommt auch der Sonderbeauftragte. In seinem Bericht heißt es, dass sich derzeit bei der NRW-Polizei keine Belege für rechtsextremistische Netzwerke finden ließen, „wir es allerdings mit Verstößen gegen die
Menschenwürde durch rassistische, antisemitische, Gewalt- und NS-verherrlichende Äußerungen und Postings in der realen und digitalen Welt zu tun haben“. Diese Vorfälle seien unvereinbar mit dem Wertefundament der Polizei. „Sie diskreditieren die gute Arbeit der Mehrheit unserer Polizisten und Polizistinnen, die täglich professionell ihren Dienst versehen“, heißt es in dem Bericht.
An Teilen der Ermittlungen im Zuge der rechtsextremen Chats gibt es nach wie vor Kritik. In dem Zusammenhang hatte die Polizei die Handys der Beschuldigten ausgewertet und die in den Geräten vorhandenen Rufnummern überprüft. Die Datenabfrage dieser rund 13.000 Rufnummern ergab 26 Treffer (Stand 9. März 2021). In einem Ende Juli an Reul gerichteten Schreiben hatte die Datenschutzbeauftragte des Landes die Weiterleitung der Handynummern an zahlreiche Ermittlungsstellen als rechtswidrig kritisiert. Auch die Gewerkschaft der Polizei übt Kritik. „Bei den Chat-Gruppen haben sich Abgründe aufgetan, die niemand für möglich gehalten hat“, betonte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens. „Trotzdem müssen auch in diesem Fall die Ermittlungen nach Recht und Gesetz erfolgen. Niemand darf nur deshalb in den Fokus der Ermittlungen geraten, weil sich seine Telefonnummer auf dem Handy eines der Tatverdächtigen befunden hat.“
„Wir gucken uns das jetzt alles genau an und denken darüber nach, was umgesetzt wird.“