Rheinische Post Krefeld Kempen

Polen greift an Grenze zu Belarus durch

Die Regierung verhängte den Ausnahmezu­stand, um Übertritte von Flüchtling­en zu unterbinde­n.

-

WARSCHAU (dpa) Polen hat in der Grenzregio­n zu Belarus den Ausnahmezu­stand verhängt. Mit der Unterzeich­nung eines entspreche­nden Dekrets reagierte Präsident Andrzej Duda am Donnerstag auf die illegale Einreise vieler Migranten aus dem östlichen Nachbarlan­d. „Die Situation an Polens Grenze zu Belarus ist schwierig und gefährlich“, sagte ein Sprecher der Präsidiala­dministrat­ion in Warschau.

Der Ausnahmezu­stand, der 30 Tagen gelten soll, trat noch am Nachmittag mit dem Moment seiner Veröffentl­ichung im amtlichen Anzeiger in Kraft. Das Parlament muss innerhalb von 48 Stunden informiert werden und hat die Möglichkei­t, die Anordnung aufzuheben.

Betroffen ist ein drei Kilometer breiter Streifen entlang der Grenze mit insgesamt 183 Ortschafte­n. Dort gilt nun ein Verbot von Versammlun­gen und Großverans­taltungen. Der Zugang zu öffentlich­er Informatio­n ist eingeschrä­nkt. Medienvert­reter müssten außerhalb der Grenzzone bleiben, erklärte Innenminis­ter Mariusz Kaminski. Das Fotografie­ren von Soldaten, Grenzschüt­zern und Polizisten sowie ihrer Ausrüstung sei verboten. Ab Mitternach­t müssten alle Personen den

Grenzstrei­fen verlassen, die mit dem Gebiet weder privat noch beruflich verbunden seien.

Die Regierung in Warschau beschuldig­t den belarussis­chen Machthaber Alexander Lukaschenk­o, in organisier­ter Form Flüchtling­e aus Krisenregi­onen an die EU-Außengrenz­e zu bringen. Lukaschenk­o hatte Ende Mai angekündig­t, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreis­e in die EU hindern werde – als Reaktion auf verschärft­e westliche Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepu­blik.

„Wir müssen die Sicherheit Polens und der EU berücksich­tigen“, sagte der Sprecher der Präsidiala­dministrat­ion. Polens 418 Kilometer lange Grenze zu Belarus ist auch eine EUAußengre­nze.

Innenminis­ter Kaminski sagte, einer der Gründe für die Verhängung des Ausnahmezu­stands seien die gemeinsame­n Militärman­över, die die russische und die belarussis­che Armee ab dem 10. September im Westen von Belarus an der Grenze zu Polen abhalten werde. Man müsse auf jede Art von Provokatio­n gefasst sein. „Auf der anderen Seite der Grenze werden sehr gefährlich­e Menschen mit Feuerwaffe­n und Munition unterwegs sein.“

Vor Kurzem hatten auch Lettland und Litauen als Reaktion auf die illegale Einreise von Migranten in mehreren Regionen an der Grenze zu Belarus den Notstand ausgerufen. Damit wurde unter anderem der Grenzschut­z ermächtigt, Migranten abzuweisen.

In Polen ist der Ausnahmezu­stand jedoch umstritten. Im Fokus der polnischen Öffentlich­keit stand zuletzt das Schicksal einer Gruppe von Flüchtling­en aus Afghanista­n, die seit gut drei Wochen in der Nähe des Grenzorts Usnarz Gorny festsitzen. Polnische Grenzschüt­zer, Polizisten und Soldaten haben das Lager abgeriegel­t und lassen die Flüchtling­e nicht ins Land. Die nationalko­nservative PiS-Regierung ist für ihre harte Haltung in der Flüchtling­sfrage bekannt.

Ex-Präsident Aleksander Kwasniewsk­i kritisiert­e, die PiS-Regierung habe sich selbst auf der Höhe der Corona-Pandemie geweigert, den Katastroph­enzustand auszurufen. Jetzt sei der wahre Grund für den Ausnahmezu­stand, dass man so den Zugang von Journalist­en, Helfern und Vertretern internatio­naler Organisati­onen beschränke­n könne, um ohne öffentlich­e Kontrolle zu agieren.

 ?? FOTO: CZAREK SOKOLOWSKI/AP/DPA ?? Polnische Beamte bewachen in der Nähe von Usnarz Gorny im Nordwesten die polnisch-belarussis­che Grenze.
FOTO: CZAREK SOKOLOWSKI/AP/DPA Polnische Beamte bewachen in der Nähe von Usnarz Gorny im Nordwesten die polnisch-belarussis­che Grenze.

Newspapers in German

Newspapers from Germany