Rheinische Post Krefeld Kempen
Milliarden für die Wasserstoff-Industrie
Bayer, RWE, Evonik, Vonovia: Die Chefs vieler Konzerne berieten mit Armin Laschet, wie die NRW-Wirtschaft auf grünen Wasserstoff umgestellt werden kann. Das Gas gilt als teure Wunderwaffe auf dem Weg zur Klimaneutralität.
DÜSSELDORF Bis 2045 soll Nordrhein-Westfalen klimaneutral werden. Wasserstoff gilt dabei als regelrechte Wunderwaffe zur Umrüstung der Wirtschaft. Nun haben Bund und Land erste Projekte verabredet: Das Forschungszentrum Jülich wird im Rheinischen Revier ein Helmholtz-Cluster für Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Duisburg-Hüttenheim wird einer der Standorte für ein deutsches Innovationsund Technologiezentrum Wasserstoff (ITZ). Bund und Land fördern das Projekt mit 100 Millionen Euro. Es soll für Autozulieferer, denen mit dem Auslaufen des Verbrennungsmotors die Geschäfte wegbrechen werden, neue Märkte erschließen. „Und das Ruhrgebiet soll Wasserstoff-Modellregion werden“, kündigte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) an.
Der im Wahlkampf oft gescholtene CDU-Chef hatte am Donnerstag zum zweiten „Spitzengespräch Wasserstoff“nach Düsseldorf geladen. Und viele Vorstandschef kamen – darunter Bayer-Chef Werner Baumann, RWE-Chef Markus Krebber, Evonik-Chef Christian Kullmann, Vonovia-Chef Rolf Buch, Krupp-Stiftungs-Chefin Ursula Gather, Rheinmetall-Chef Armin Papperger sowie Christoph Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts. Laschet versprach: „Klima schützen, Industrieland bleiben – das ist das Ziel.“
Vorteile Wasserstoff ist im Kampf gegen den Klimawandel aus mehreren Gründen hilfreich: Er macht den Ökostrom mobil. Sonnenstrom etwa aus Afrika kann genutzt werden, um dort mit Hilfe der Elektrolyse grünen Wasserstoff herzustellen. Dieser kann mit Schiffen oder Pipelines transportiert werden. „Shipping the sunshine“, so das Motto. Grüner Wasserstoff kann zweitens als Rohstoff genutzt werden. Bislang wird Kohle eingesetzt, um Rohstahl aus Erz zu gewinnen. Doch Stahlhersteller wie Thyssenkrupp setzen auf Verfahren, bei denen stattdessen Wasserstoff verwendet wird, so dass kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entsteht. Und Wasserstoff kann auch in Brennstoffzellen von Autos und Bussen zur Energiegewinnung dienen. Vonovia-Chef Buch rechnet vor: „NRW kann ein Viertel seiner CO2-Emissionen durch Wasserstoff einsparen.“
Nachteile Die Umstellung der Stahlund Chemie-Produktion kostet Milliardensummen. Thyssenkrupp etwa hat bereits 700 Millionen Euro an Fördermitteln beantragt, am Ende wird man zehn Milliarden Euro brauchen. Zudem werden gewaltige Mengen an Ökostrom benötigt. Da reichen die Windparks in den Tagebauen nicht aus. NRW geht davon aus, dass der meiste Ökostrom importiert werden muss. Auch die Kosten der per Wasserstoff hergestellten Produkte müssen sinken . Noch ist grüner Stahl etwa 20 Prozent teurer als herkömmlich hergestellter.
Forderungen Arndt Kirchhoff, der Präsident von Unternehmer NRW, forderte, dass der Staat schneller und verlässlicher wird, damit die Unternehmen den Umbau stemmen können. „Wir brauchen mehr Tempo bei Genehmigungen, kein Projekt in Deutschland schafft es unter zehn Jahren“, sagte Kirchhoff. „Wir brauchen mehr Verlässlichkeit, um planen zu können. Und wir brauchen Technologieoffenheit“, so
Kirchhoff weiter. So dürfe der Staat nicht alles auf Elektromobilität setzen: „Lkw werden über Land nie mit Strom fahren können.“
Auch der Energiekonzern Steag soll Partner für Wasserstoffprojekte werden. Auf die Frage, wie das Land dem Krisenkonzern helfen wolle, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP): „Die Steag ist ein wichtiger Player im Energiesektor. Wir bauen auf die Eigentümer.“Das sind sechs Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet. Es gebe keinen Antrag auf eine Landesbürgschaft.
Laschet will sich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission die Hilfen für die Industrie nicht mit BeihilfeRegeln blockiert. Zudem will er sich für ein bundesweites Netz von Wasserstofftankstellen stark machen.