Rheinische Post Krefeld Kempen
Entfesselungskünstler Laschet hofft auf Wende
Bühne frei für Armin Laschet alias Harry Houdini. Der Magier begeisterte im 20. Jahrhundert die Welt als Entfesselungskünstler. In einer Zwangsjacke baumelte er von Wolkenkratzern, um sich spektakulär selbst zu befreien. Insofern ist das Leitmotiv der Entfesselung im Sofortprogramm eines möglichen Kanzlers Laschet gut gewählt.
Kinderbetreuungskosten will er bis zu 6000 Euro vollständig steuerlich abzugsfähig (heute nur zwei Drittel bis 4000 Euro) machen. Familien sollen beim Eigenheimkauf bei der Grunderwerbsteuer hohe Freibeträge erhalten. Dafür müsste der Bund die Länder entschädigen. Ein höherer Arbeitnehmerpauschbetrag von 1250 Euro und ein Familiensplitting würden ebenfalls teuer. Die Laschet-Liste würde den Bund mindestens einen hohen einstelligen Milliardenbetrag kosten. Der nächste Finanzminister (Lindner oder Habeck) kann sich das – Stand heute – nicht leisten. 400 Milliarden Euro an Corona-Schulden sind aufgelaufen. Die Union will die Schuldenbremse alsbald wieder einhalten, aber keine Steuern erhöhen. Zu einer Gegenfinanzierung sagt Laschet nichts. Der Aufschwung soll Spielräume schaffen. Sicher ist das keineswegs.
Dennoch ist der Impuls richtig, Anreize für mehr Investitionen und Konsum zu setzen. Die Union scheint ihre Wahlkampfdepression zu überwinden. Merkel hängt sich voll für Laschet rein, macht noch mehr Termine. Im Triell war dieser auf Augenhöhe mit Scholz. Der SPD-Spitzenmann scheint im Umfragehoch ein bisschen überheblich zu werden. Indiz ist sein selbstgefälliger Umgang mit der Zollaffäre. Bei der Kommunalwahl in Niedersachsen liegt die Union im Trend auf Kreisebene doch wieder vorne. Geht da was im Kampf um den ersten Platz? Das wäre die Entfesselung eines abgeschriebenen Kandidaten. Der große Houdini hätte daran sicher seine Freude.
BERICHT LASCHET LEGT 100-TAGE-PROGRAMM VOR, POLITIK