Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Faktencheck zum Triell
In der Hitze des Dreikampfes wird schon mal etwas behauptet, was nicht den Tatsachen entspricht. Deshalb war auch bei der Fernseh-Diskussion am Sonntag nicht jede Behauptung der Kandidaten ein Treffer.
Beim zweiten TV-Schlagabtausch der drei Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen ging es richtig zur Sache. Wo lagen die Kandidaten richtig, wo langten sie daneben? Ein Faktencheck.
Geldwäsche
Behauptung: Olaf Scholz sagt, die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft im Finanz- und Justizministerium hätten nichts mit den betroffenen Ministerien zu tun. Stattdessen gehe es um den Verdacht, dass in einer Kölner Zolleinheit falsch gearbeitet wurde.
Fakt ist: Die Spezialabteilung des Zolls zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terroristenfinanzierung und Schwarzarbeit, die Financial Intelligence Unit (FIU), steht seit Längerem in der Kritik, Verdachtsmeldungen der Banken nicht ordnungsgemäß an die Strafverfolgung weitergegeben zu haben und mit ihrer Arbeit überfordert zu sein. Die Razzia in den beiden Ministerien sollte Beweismaterial für den Verdacht der Strafvereitelung im Amt, die dieser Behörde vorgeworfen wird, sicherstellen. Olaf Scholz wiegelt ab, obwohl er für den Zoll fachlich verantwortlich ist.
Corona
Behauptung: Laut Annalena Baerbock verweigert die Bundesregierung verpflichtende Tests am Arbeitsplatz.
Fakt ist: Laut Corona-Arbeitsschutzverordnung für Unternehmen sind Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigten, die nicht dauerhaft im Homeoffice arbeiten, mindestens zweimal pro Woche Corona-Tests anzubieten. Die Mitarbeiter müssen das Angebot jedoch nicht annehmen. Das Bundeskabinett hat die Verordnung erst Anfang September verlängert, sie gilt jetzt bis 24. November. Baerbocks Behauptung verzerrt also die Tatsache, dass es zumindest ein Testangebot am Arbeitsplatz geben muss.
Klima
Behauptung: Klimaschutz ist laut Scholz und Armin Laschet vor allem eine Frage des industriellen Wandels. Dass es zu erheblichen Mehrbelastungen für die Bürger kommt, weisen beide von der Hand. Fakt ist: Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt ganz klar, dass es mit den Klimaschutz-Plänen der Union „zu erheblichen Mehrbelastungen“vor allem von Menschen mit Niedrigeinkommen kommen kann. Denn die CDU setze vor allem auf eine CO2-Bepreisung, was de facto eine Benzinpreiserhöhung bedeute. Der Ansatz der SPD, einen Ausgleich vor allem über niedrige Strompreise zu schaffen, ist laut Kemfert zwar grundsätzlich nicht falsch. Allerdings wäre eine größere Entlastung mit einer Pro-Kopf-Klimaprämie erreicht, wie sie die Grünen fordern. Folgt man den Argumenten der Energieund Klimaexpertin, dann ist Baerbock beim Klimaschutz am ehrlichsten, Laschet und Scholz kehren mögliche Mehrbelastungen unter den Tisch.
Rente
Behauptung: Scholz gibt jungen Leuten eine Garantie, „dass es erstens keinen weiteren Anstieg des Renteneintrittsalters gibt und zweitens das Rentenniveau stabil bleibt über diese Zeit“.
Fakt ist: Das letzte Rentenpaket der Bundesregierung ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Darin garantieren Union und SPD, dass das Rentenniveau bis 2025 bei mindestens 48 Prozent stabil gehalten wird. Der Beitragssatz liegt derzeit bei 18,6 Prozent, bis 2025 steigt er nicht über 20 Prozent. Die von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission kam im vergangenen Jahr zwar zu dem Ergebnis, dass das Eintrittsalter, das bis 2031 schon schrittweise auf 67 Jahre steigen wird, nicht verändert werden sollte. Das Rentenniveau werde aber sinken, während der Beitragssatz steigen werde. Kurzum: Ob ein Kanzler Scholz sein Rentenversprechen einhalten kann, ist zumindest sehr ungewiss.
Gesundheit
Behauptung: Laschet sagt, „die Einheitsversicherungen, die wir in Europa, in Dänemark, in Großbritannien haben, haben ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge“.
Fakt ist: In Großbritannien und in Dänemark wird das Gesundheitssystem vorwiegend über Steuergeld finanziert. Der schlechte Zustand des National Health System (NHS) ist ein Dauerbrenner in Großbritannien, so sind etwa Wartezeiten für Operationen lang. Von Dänemark sind solche Schwierigkeiten nicht überliefert. In diversen (durchaus umstrittenen) Rankings der OECD-Staaten belegt Dänemark meist einen vorderen Platz, Deutschland landet im Mittelfeld, aber deutlich vor Großbritannien. Laut OECD hat Deutschland wiederum nicht das beste, aber eines der teuersten Gesundheitssysteme. Laschets Aussage ist also nicht falsch, aber auch nicht gänzlich richtig.
Digitalisierung
Behauptung: Baerbock sagt, Zukunftsthemen wie die Digitalisierung müssten endlich „in das Bundeskanzlerinnenamt“integriert werden.
Fakt ist: Der Bereich der Digitalisierung ist zwar in vielen Ministerien angelegt. Trotzdem gibt es die Koordinierung im Kanzleramt bereits – mit der Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU). Über ihre Leistungsbilanz lässt sich streiten.
Linke und AfD
Behauptung: Baerbock wirft Laschet vor, Linke und AfD im Bundestag gleichgesetzt zu haben: „Das haben Sie im Deutschen Bundestag getan und eben auch.“
Fakt ist: Bei seiner Rede am 7. September während der letzten Sitzung des Bundestages rief Laschet an die Linke gerichtet: „Ich sage Ihnen: Wir werden mit Ihnen nicht koalieren.“In Richtung AfD sagte er: „Mit Ihnen kooperieren wir nicht, verhandeln wir nicht, und werden wir nie koalieren. Wir tun alles, dass Sie nicht mehr in deutschen Parlamenten vertreten sind.“Baerbocks Vorwurf läuft somit eher ins Leere. Laschet hat auch immer wieder betont, dass die größte Bedrohung für die Demokratie von rechts ausgehe.