Rheinische Post Krefeld Kempen
„Fake news“: Der Fall Buchenschule
Nach einem völlig harmlosen Bericht über die Buchenschule wurde die Schule massiv in sozialen Netzwerken beschimpft – unter anderem als „Nazi-Schmiede“. Die Betroffenen stehen vor einem Rätsel.
Als vor einiger Zeit die Buchenschule gemeinsam mit zwei anderen Schulen im Zentrum des Sozialberichts des Katholikenrates Krefeld stand, worüber die RP berichtete, da sorgte das für ein überraschendes Echo im Netz. „Wir waren erschüttert, was für Kommentare da überall unter den Artikeln auftauchten. Das gilt vor allem, aber nicht nur für soziale Medien. Wir wurden als Nazi-Schmiede bezeichnet, und insgesamt wurden wir als intolerant dargestellt. Wie man dazu kommen konnte – auch aus dem Artikel heraus – ist mir ein absolutes Rätsel. Es hat uns im Kollegium nachhaltig geschockt“, sagt Sabine Vieten. Sie ist Konrektorin an der Schule und seit einiger Zeit in Vertretung der erkrankten Schulleiterin kommissarische Direktorin der Schule. Ein Fall von „Fake News“: ein Beispiel, wie in sozialen Netzwerken absurde, falsche Vorwürfe konstruiert werden und auch noch Verbreitung finden.
Und das war geschehen: Im Bericht hatten Schüler angegeben, dass sie sich nicht mehr gegenseitig helfen könnten, weil die Corona-Regeln das verhinderten. Der Zusammenhalt gehe verloren. Der Artikel titelte „Wir haben verlernt, eine Klasse zu sein“. Wie sich daraus Nazi-Vorwürfe konstruieren lassen, irritiert nicht nur die Verantwortlichen an der Schule.
Im Gegenteil werde an der Buchenschule alles getan, um ein friedliches soziales Miteinander zu gewährleisten und die Jugendlichen zu toleranten, hilfsbereiten Menschen zu erziehen. „Allein die Tatsache, dass wir eine hohe Migrantenquote – mehr als 80 Prozent – haben, spricht doch schon deutlich dagegen, dass wir rechtsradikal sein könnten. Im Gegenteil! Es ist unser höchstes Bestreben, immer und überall zu vermitteln, dass alle Menschen gleich an Rechten und
Wert sind. Dafür haben wir viele Programme und das war eigentlich auch die Aussage des Sozialberichts und es Artikels“, sagt Vieten.
Eine Vermutung: Vielleicht haben sich die Kommentatoren nur aus Überschrift und Bild etwas zusammengereimt. „Dabei zeigt der Artikel ja, dass gerade die Tatsache, dass wir unsere Arbeit in der Corona-Zeit eben nicht wie gewohnt ausüben konnten, nachteilige Auswirkungen auf die Kinder hatte. Normalerweise ist bei uns gerade die Hilfe untereinander, der Klassenzusammenhalt, ein ganz großes Thema. Viele unserer Schüler und Schülerinnen haben sehr darunter gelitten, sich nicht gegenseitig helfen zu können. Darum haben wir zum Beispiel ein Projekt gehabt, in dem sich die Kinder gegenseitig Briefe schreiben. Auch jahrgangsübergreifend. Denn sehen konnten sie sich ja nicht. Schon die Erstklässler haben das getan. Sie haben dann mangels Schreibkompetenz einfach Bilder gemalt. Und die Großen auch aus der vierten Klasse haben sich darüber sehr gefreut“, erzählt die Pädagogin.
Es gebe im Normalbetrieb viele Projekte, um solche wertschätzende Sichtweise auf Andere zu befördern. „Das reicht vom Sorgenfresser bis zur Friedenserziehung. Wir schauen immer nach dem Herzen. Nicht nach Religion, Herkunft oder Hautfarbe“, erläutert Vieten. Und auch ein wertschätzender Umgang mit anderen Kulturen werde gefördert. „Wir versuchen, die Feste anderer Kulturen zu begehen und darüber zu sprechen und die Kinder sie darlegen zu lassen. Und das klappt sehr gut. Ich sage oft: ‚Was ihr hier im Kleinen schafft, das gelingt den meisten Erwachsenen im Großen nicht`“, setzt sie hinzu.
Schwierig sei auch der OnlineUnterricht gewesen. „Wir hatten das Problem, dass oft die elektronischen Endgeräte in den Familien nicht vorhanden waren. Manchmal gab es nur ein Tablet in der ganzen Familie – wenn überhaupt. Die Kollegen haben dennoch versucht, zu jedem Kind Kontakt zu halten, haben angerufen und das Gespräch gesucht. Das war ein großer zeitlicher Aufwand und hat auch viel Energie gekostet“, sagt die Lehrerin, die seit zehn Jahren an der Buchenschule ist.
Vor diesem Hintergrund waren die Vorwürfe für das Kollegium ein besonderer Schock. „Wir haben darüber gesprochen, und wirklich niemand hat einen Ansatz, woher dieser Vorwurf kommen, beziehungsweise, wie er begründet werden könnte. Wir waren wirklich komplett vor den Kopf gestoßen. Das gilt auch für viele Eltern und sogar Kinder“, sagt Vieten. Die Schule aber will sich nicht irritieren lassen – im Gegenteil. „Wir sind überzeugt davon, dass wir eine wirklich gute Arbeit leisten und dass gerade die Erziehung zu Toleranz und wertschätzendem Miteinander bei uns sogar sehr gut funktioniert“, bekräftigt die Pädagogin.
Umso optimistischer fällt ihr Ausblick aus. „Jetzt mit den Öffnungen ist die Situation viel besser geworden. Die Kinder sind fröhlich, sie lachen, und das ist schön zu hören. Und sie haben sich sehr schnell auf die Situation eingestellt. Sie sind zum Beispiel hervorragend darin, Emotionen auch mit Masken zu erkennen. Sie lesen sie einfach an den Augen ab. Das ist wirklich beeindruckend“, sagt sie.