Rheinische Post Krefeld Kempen
Neue Comedian Harmonists singen gegen Hass
Lieder wie „Mein kleiner grüner Kaktus“und die „Bar zum Krokodil „haben das Sextett weltberühmt gemacht. Das Programm ihres letzten Konzerts von 1934 singt nun das Ensemble Comedian Harmonists 1934-2021 in der Friedenskirche – mit bewegender Botschaft.
Als der letzte Ton verklungen ist, haben viele Tränen in den Augen. Erst nach einigen Momenten bricht frenetischer Jubel los. Es sind die letzten Standing Ovations für ein Sextett, das nicht nur musikalisch die Welt bewegte: Die Comedian Harmonists gaben am 13. März 1934 in München ihr Abschiedskonzert, bevor die meisten ins Exil nach Amerika gingen. Das Originalprogramm dieses Abends ist am Samstag, 2. Oktober, in der Friedenskirche zu hören – mit den „Comedian Harmonists 1934-2021“.
Das Programm ist ideal zum Tag der Deutschen Einheit (am 3. Oktober ist es in der Synagoge Gelsenkirchen zu hören), weil die Geschichte der Sänger eine Tragödie von Verfolgung, Rassenhass und Denunziation ist. Deshalb hat der Moerser Ratsherr Konrad Göke den Abend initiiert, der vom Landtag NRW und in Krefeld von Oberbürgermeister Frank Meyer unterstützt wird. Das neu gegründete Ensemble Comedian Harmonists 19342021 hatte sich im vergangenen März beim internationalen Tag gegen Rassismus bei den Friedensandachten in Krefeld und Moers vorgestellt. „Es waren sehr bewegende Momente“, sagt Göke. Nie zuvor habe er einen Abend wie in Krefeld erlebt, bei dem alle Religionen miteinander gebetet haben. Umso fassungsloser machte wenige Wochen später der Aufmarsch Rechtsextremer vor der Synagoge in Gelsenkirchen. Göke schrieb an die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde dort, Judith Neuwald-Tasbach. Sie antwortete ihm mit ergreifenden Zeilen: „Der schreckliche Aufmarsch am 12. Mai vor unserer Neuen Synagoge in Gelsenkirchen mit 180 hasserfüllten Menschen hat den Mitgliedern unserer Gemeinde sehr zugesetzt… Wir kennen keinen dieser Menschen, die ihren Judenhass vor unserer Synagoge so ungeniert herausgebrüllt haben, und sie kennen auch keinen von uns. Wir fragen uns, wie kann es sein, dass sie uns so hassen und dass auch Kinder und Jugendliche dabei waren?“Sie vereinbarten einen Solidaritätsauftritt zum Tag der Deutschen Einheit – und Krefeld zieht mit.
Die ursprünglichen Comedian Harmonists waren Ari Leschnikoff,
Roman Cycowski, Erich Abraham-Collin, Harry Frommermann, Robert Biberti und Pianist Erwin Bootz. Sie sollen gar nicht mal so geübte Sänger gewesen sein, harte Arbeit und eiserner Wille aber bringen die drei jüdischen und drei „arischen“Mitglieder schließlich auf Erfolgskurs. Als sie mit dem Auftritt in der Berliner Philharmonie den Aufstieg in die ernsthafte Kunst schaffen, ernennt Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Plötzlich gelten Hits wie „Rumba in Kalumba“als „Negermusik“. Es folgt das Auftrittsverbot für die jüdischen Mitglieder. Die Gruppenmoral bröckelt, die Comedian
Harmonists trennen sich, weil die nicht-jüdischen Mitglieder Deutschland nicht verlassen wollen. Auch menschlich eine Tragödie.
Die Abschiedstournee des Berliner Sextetts ist überschattet von Schikanen, ständig stürmen SALeute die Konzerte. Der Finalabend hätte eigentlich gar nicht stattfinden dürfen, denn die Comedian Harmonists waren ja mit einem Auftrittsverbot belegt. Da der Saal aber seit Wochen ausverkauft war, fürchtete die Münchner Parteiführung der NSDAP wohl den Eklat und gab in letzter Minute die Bühne frei. Die Sänger durften vor das jubelnde
Publikum. So gab es also noch einmal den kleinen grünen Kaktus, die Veronika, die Bar zum Krokodil und die vielen anderen Gassenhauer, mit denen das Ensemble sich Weltruhm ersungen hat – Ohrwürmer mit witzigen Texten, zwischen deren Zeilen herrlich wortgewitzte Gesellschaftskritik aufblitzt.
„Gib mir den letzten Abschiedskuss, weil ich dich heute verlassen muss und sage mir auf Wiederaufsehn, auf Wiedersehn, leb wohl!“: Das waren die letzten Zeilen an jenem Märzabend im Jahr 1934. „Man muss ein Herz aus Stein haben, um nicht über die Zeit hinweg zu spüren, was in den Herzen dieser großartigen Künstler vorgegangen sein muss, als sie sich mit diesen Zeilen von ihrer Heimat verabschieden mussten“, sagt Konrad Göke. Sie haben nie wieder zusammen gesungen.
Auch in Krefeld wird dies das Schlusslied sein. Pianist Dennis Kittner hat die musikalische Leitung. Es singen Ilja Aksionov, James Park, William Drakett, Gereon Grundmann und Robin Liebwerth, Bass.