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Bahn-Einigung nach sechs Wochen Tauziehen
Unter Druck der Politik schließen GDL und Deutsche Bahn einen Tarifvertrag ab. Doch nun droht dem Konzern Streit mit der EVG.
BERLIN/DÜSSELDORF Die Deutsche Bahn (DB) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) haben sich nach drei Streiks in sechs Wochen auf einen Tarifvertrag geeinigt. Das gaben GDL-Chef Claus Weselsky und DB-Personalvorstand Martin Seiler am Donnerstag in Berlin bekannt. Die Verhandlungen waren unter Vermittlung der Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), und SchleswigHolstein, Daniel Günther (CDU), gelaufen. Angeregt hatten die Vermittlungsmission laut Weselsky zwei Gewerkschaftsvorsotzende: DGBChef Reiner Hoffmann, in dessen Organisation die zweite, größere Bahngewerkschaft EVG vertreten ist, und Ulrich Silberbach, der Leiter des Beamtenbundes, in dem die GDL angesiedelt ist.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gab sich erleichtert über den Kompromiss: „Jetzt werden wir schnellstmöglich wieder an die steigenden Fahrgastzahlen anknüpfen.“Er sagte, er habe auch vermittelt bei dem Streit, aber sich nicht in die Tarifautonomie eingemischt.
Der Verkehrsverbund RheinRuhr begrüßte die Einigung, „da streikbedingte Ausfälle nicht wünschenswert sind“. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zeigte sich erfreut über eine „gute Nachricht für die Bahnkunden und eine große Erleichterung
für die Wirtschaft.“
Rein materiell hat die kleine Spartengewerkschaft GDL einige große Zugeständnisse erreicht: So wird es zum 1. Dezember eine Corona-Prämie zwischen 300 und 600 Euro pro Beschäftigtem geben; zum 1. März 2022 gibt es weitere 400 Euro. Bisher hatte die Bahn nur die erste Prämie angeboten. Zum 1. Dezember 2021 gibt es eine Tariferhöhung von 1,5 Prozent und zum 1. März 2023 ein Gehaltsplus von 1,8 Prozent. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 32 Monaten rückwirkend zum 1. März 2021 und läuft bis zum 1. Oktober 2023. Zuvor hatte die DB eine Tariferhöhung von 3,2 Prozent angeboten. Der Konzern macht auch Zugeständnisse bei der Altersvorsorge: Alle bis Jahresende eingestellten Beschäftigten erhalten Bestandschutz für den Zusatzversorgungs-Tarifvertrag. Neue Beschäftigte kommen in ein anderes Versorgungssystem, in das die DB 3,3 Prozent des Gehalts einzahlt.
Zum Ärger von GDL-Chef Weselsky kündigte DB-Vorstand Seiler an, alle finanziell wichtigen Zusagen auf
die Tarifverträge der EVG auszudehnen. Dazu hat er auch wenig Alternativen, weil die EVG Mitte 2020 mit ihrem sehr zurückhaltenden Tarif ausgehandelt hatte, dass der nachgebessert werden kann, falls die GDL bessere Konditionen durchsetzt. Weselsky ist wenig begeistert, dass die andere Gewerkschaft nun profitiert: „Wir gehen in den Streik, lassen uns beschimpfen, und am Ende des Tages dürfen wir zuschauen, wie der Tarifabschluss den anderen hinterhergetragen wird.“
Die GDL musste jedoch einräumen, dass die Regeln des von ihr bekämpften Tarifeinheitsgesetzes bei der Bahn erst einmal gelten. Sie stimmt zu, dass in einem notariellen Verfahren bei 71 Betrieben der Bahn geklärt wird, wie viele Mitglieder sie dort hat. Das hatte sie bisher verweigert, woraufhin der Vorstand der Bahn schätzte, in welchen Betrieben die GDL und in welchen die EVG dominiert. Das Ergebnis war, dass Tarifverträge der GDL nur in 16 dieser 71 Betriebe gelten. In weiteren rund 230 Betrieben insbesondere bei DB Netz gelten sowieso die Abkommen der EVG.
Während die Bahn nun also Frieden mit der GDL hat, kündigte EVGChef Klaus-Dieter Hommel die Kündigung des EVG-Tarifvertrages an. Erstens traue er den Zusicherungen nicht, dass alle Zugeständnisse an die GDL automatisch auch der EVG zugestanden würden, sagte er. Zweitens störe ihn, dass die GDL künftig nicht nur Lokführer und Fahrpersonal, sondern auch Beschäftigte in den Werkstätten und in der Zugverwaltung vertreten dürfe, also das ganze Personal zum Betrieb der Züge. Hommel stritt zwar ab, dass er fürchte, dass die GDL mit ihrer härteren Gangart Mitglieder abwerben könnte. Aber in Wahrheit will die EVG sich nun wohl auch profilieren. Wenn ihr Tarifvertrag Ende Februar 2023 auslaufe, könne man bei der Verlängerung auch ein Plus von sechs Prozent fordern, sagte EVG-Vorstand Kristian Lorock. Der GDL-Vertrag läuft dann noch acht Monate. Und auch bei der Altersvorsorge sei eine bessere Lösung wünschenswert, als sie die GDL erzielt habe. Nach dem Streik könnte also vor dem Streik heißen.