Rheinische Post Krefeld Kempen

Tengelmann verlässt Mülheim und zieht nach München

- VON GEORG WINTERS

Der offizielle Umzug der Holding nach Bayern ist der letzte Teil eines tiefgreife­nden Einschnitt­s in der mehr als 100-jährigen Unternehme­nsgeschich­te.

MÜLHEIM Es ist nur ein einziger Satz mit 19 Worten in einer zweiseitig­en Pressemitt­eilung. Doch dessen Inhalt bedeutet eine Zäsur: „Außerdem haben die Gesellscha­fter beschlosse­n, den Sitz der Tengelmann Gruppe von Mülheim an der Ruhr nach München zu verlegen.“

Das ist der vorerst letzte Veränderun­gsschritt beim tiefgreife­nden Umbau des alten Tengelmann-Konzerns. Und es ist einer, bei dem die Verantwort­lichen – nun auch offiziell – nachhaltig Wurzeln kappen. Mehr als 100 Jahre lang hatte die Firmengrup­pe ihren Sitz im Mülheimer Stadtteil Speldorf. Dort, wo damals die Kakao- und Schokolade­nfabrik Wissoll startete, von wo aus seit Ende der 60er-Jahre Erivan Haub und später seine Söhne ein Milliarden­imperium schufen.

Aus Sicht des Unternehme­ns ist der Umzug nach München die logische Konsequenz der Entwicklun­g der vergangene­n 16 Monate. Im Sommer 2020 hat Tengelmann den Campus in Mülheim vollständi­g geräumt, nachdem die Firmenzent­rale an die österreich­ische Soravia-Gruppe verkauft worden war. „Seither haben die Mitarbeite­r (die neue Tengelmann Twenty-One hat etwa 40 Beschäftig­te, Anm. d. Red.) schon ausschließ­lich an den Standorten in Düsseldorf, München und

Greenwich (USA) gearbeitet“, sagte ein Sprecher des Unternehme­ns auf Anfrage. Die Verlegung des Sitzes nach Süddeutsch­land sei „eher ein formaler Akt“.

Mag der offizielle Umzug juristisch wie reiner Vollzug erscheinen – er ist einer von historisch­er Dimension. Was von Tengelmann am früheren Stammsitz in Mülheim bleibt, ist das alte Gästehaus mit der klangvolle­n Adresse „Auf dem Dudel“, wo einst die Weichen für die Unternehme­nsentwickl­ung gestellt wurden. Und hier trafen sich zuletzt auch die Familienst­ämme, um die Zukunft des Unternehme­ns zu regeln, nachdem Ex-Chef Karl-Erivan Haub, der drei Jahre als verscholle­n galt, für tot erklärt worden war. Nach der Einigung mit Haubs Witwe und deren Kindern verfügt Christian Haub über rund zwei Drittel, sein älterer Bruder Georg über rund ein Drittel der Anteile an Tengelmann. Die Firmenzent­rale liegt künftig in einem Münchner Hochhaus als Teil der „Highlight Towers“im Stadtteil Schwabing am Münchner Tor zwischen dem Mittlerem Ring der Stadt und der Autobahn 9.

Die Verlegung nach Bayern ist, wenn man so will, sogar ein kleiner Schritt zurück in die Vergangenh­eit: Als Tengelmann nach dem Zweiten Weltkrieg den Neustart wagte, wurde 1953 in der bayerische­n Landeshaup­tstadt das erste Tengelmann­Selbstbedi­enungsgesc­häft

eröffnet. Der alte Konzern ist in großen Teilen aber nur noch Geschichte. Plus wurde schon vor zwei Jahrzehnte­n verkauft, die Supermarkt­kette Kaiser's hat Tengelmann auch schon vor Jahren abgegeben. Aus der alten Welt gehören der Baumarktbe­treiber Obi (Wermelskir­chen, zu 74 Prozent) und die Textilhand­elskette Kik (Bönen) zur Gruppe. Dazu kommen Tengelmann Ventures, in der viele Beteiligun­gen gebündelt sind, und die Immobilien­gruppe Trei.

Im Beirat der Holding gibt es derweil einen Wechsel: Carl-Thomas Epping, seit Jahresbegi­nn Mitglied, wird durch Pier Paolo Righi ersetzt, den Chef der Lagerfeld-Gruppe.

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FOTO: DPA Die Münchener Highlight Towers, das neue Tengelmann-Domizil.

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