Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie ein Syrer in Anrath ein Zuhause fand

- VON BIANCA TREFFER

Als Mohamad Bakkour vor sechs Jahren nach Deutschlan­d kam, sprach er kein Wort Deutsch. Seinen früheren Beruf konnte er nicht ausüben, jegliche Perspektiv­e fehlte. Heute ist der 30-Jährige Elektriker – mit festem Arbeitspla­tz und Heiratsabs­ichten.

WILLICH Eigentlich hatte Mohamad Bakkour vor, das Kapitänspa­tent zu erwerben und weiter zur See zu fahren. Doch der Krieg in Syrien und das Massaker auf Baniyas, der Hafenstadt, in der er lebte, veränderte­n seine Welt. Der Syrier floh aus seinem Heimatland. „In meiner Heimat bin ich vier Jahre lang zu See gefahren und wollte die entspreche­nde Weiterbild­ung in Sachen Kapitänsau­sbildung in Ägypten machen. Doch dann kam alles anders“, sagt der 30-Jährige.

Seine Flucht führte ihn 2015 nach Deutschlan­d, wo er nach einem kurzen Zwischenst­opp in einem Sammellage­r in Dortmund in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Anrath unterkam. Dem jungen Mann war vom ersten Moment an klar, dass die deutsche Sprache der Schlüssel für ein Leben in dem für ihn zunächst völlig fremden Land war. Arabisch, Englisch und Französisc­h waren ihm geläufig, aber Deutsch nicht. Über den Arbeitskre­is Fremde (AKF) in der Stadt Willich startete Bakkour mit dem Spracherwe­rb.

Dort lernte er unter anderem Tanja May vom AKF kennen, die ihn ein wenig unter ihre Fittiche nahm. „Mohamad ist unheimlich ehrgeizig. Er wollte lernen, und es hat viel Freude gemacht, ihn dabei zu unterstütz­en. Ich habe gerne geholfen. Jetzt ist er groß“, bemerkt May lächelnd.

Am Anfang hing Bakkour dabei seinem Traum, wieder zur See zu fahren, noch nach. Aber dann trat Jürgen Rehse in sein Leben. Rehse gehört zu einer insgesamt vierköpfig­en Gruppe von ehemaligen Geschäftsf­ührern und Abteilungs­leitern, die im Rahmen der Lokalen Agenda 21 der Stadt Willich Bewerbungs­trainings für Schulen anbieten. „Wir sind dabei sehr individuel­l, gehen auf die Schüler ein und bereiten sie mit Hilfe von Rollenspie­len auf künftige Bewerbungs­gespräche vor“, sagt Rehse.

Die vier Männer wollten aber darüber hinaus noch mehr helfen. Über einen Ehrenamtle­r, der sich in der Flüchtling­sarbeit einbringt, entstand der Kontakt zu verschiede­nen Flüchtling­en, darunter auch zu Bakkour. Rehse fielen ebenfalls das Engagement und der Ehrgeiz auf, mit dem der Syrier lernte. Gemeinsam schauten die beiden, welche Auflagen es in Deutschlan­d zur Erlangung des Kapitänspa­tentes gibt.

Schnell stand fest, es ist ein sehr langer Weg. „Ich habe Mohamad dann quasi ein bisschen überredet, doch erst einmal eine Ausbildung zu machen und danach zu schauen, ob der Wunsch, zur See zu gehen, immer noch Bestand haben würde“, erinnert sich Rehse.

Über einen Kontakt zur Kreishandw­erkskammer konnte Bakkour an einem sogenannte­n Findungsse­minar teilnehmen. Das heißt, er konnte in verschiede­ne Handwerksb­erufe hinein schnuppern. Darunter war auch der Elektriker. „Ich war eine Woche in einem Viersener Unternehme­n und wusste, das ist mein Beruf“, sagt Bakkour. In dem Unternehme­n waren alle Ausbildung­splätze bereits besetzt. Bis zum nächsten Jahr wollte

der Syrier nicht warten, auch wenn er die Zeit als Aushilfsar­beiter hätte überbrücke­n können. Eine Ausbildung war ihm wichtig. In einem Kempener Unternehme­n fand Bakkour einen Praktikums­platz für drei Wochen. Dem schloss sich die dreieinhal­b Jahre lange Ausbildung zum Elektriker an.

Zeitgleich meldete er sich zum Führersche­in an und machte die Fahrprüfun­g. Am 31. Januar dieses Jahres gab es dann die Prüfungser­gebnisse seiner Ausbildung in Theorie und Praxis, die da lauteten: bestanden. Bakkour ist nun stolzer Besitzer eines entspreche­nden Gesellenbr­iefes. Doch das Lernen geht weiter. „Ende des Jahres möchte ich mit der Abendschul­e für den Meister beginnen“, sagt Bakkour, der von seinem Ausbildung­sbetrieb übernommen wurde.

Und dann steht da in diesem Jahr noch ein ganz besonderer Termin an. Es handelt sich um den 3. Dezember. An diesem Tag plant der Syrier zu heiraten. Derzeit lebt seine Verlobte noch in Syrien, wo sie IT studiert hat und schon fleißig Deutsch lernt. „Wenn bei der Botschaft alles klappt, steht unserem Hochzeitst­ermin nichts im Wege“, sagt Bakkour. Er selber ist gerade in Anrath in eine größere Wohnung gezogen. In Anrath habe er eine neue Heimat gefunden, betont der 30-Jährige, der sich auf seine Zukunft in einem friedliche­n Land freut.

 ?? FOTO: PRÜMEN ?? Eigentlich wollte Mohamad Bakkour ja Kapitän werden. Nach seiner Flucht nach Deutschlan­d machte er eine Lehre als Elektriker und will sich demnächst zum Meister fortbilden.
FOTO: PRÜMEN Eigentlich wollte Mohamad Bakkour ja Kapitän werden. Nach seiner Flucht nach Deutschlan­d machte er eine Lehre als Elektriker und will sich demnächst zum Meister fortbilden.

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