Rheinische Post Krefeld Kempen

Grüne unter Spannung

Die Partei stemmt sich gegen den Abwärtstre­nd und beschwört die Energiewen­de.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Der Ort passt: Ein ehemaliges Werk für Transforma­toren- und Hochspannu­ngsanlagen. Transforma­tion, der Umbau des Landes hin zur Klimaneutr­alität, ist erklärtes Ziel der Grünen, sollten sie an der nächsten Bundesregi­erung beteiligt sein. Damit sind sie an dem einstigen Industries­tandort in Berlin-Oberschöne­weide, der heute als Veranstalt­ungsort gemietet werden kann, richtig. Und unter Hochspannu­ng stehen Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock und Spitzenkan­didat Robert Habeck in diesen letzten Wahlkampft­agen sowieso. Erst recht, da die Grünen nach anfangs glänzenden Umfragewer­ten von 25 Prozent inzwischen bei 15 Prozent angekommen sind. Sie ahnen: Das ursprüngli­che Ziel Kanzleramt ist damit außer Reichweite.

Doch der politische Bundesgesc­häftsführe­r, Michael Kellner, will vom dritten Platz nichts wissen. Nicht eine Woche vor der Wahl. „Möglichst starke Grüne“in einer Bundesregi­erung, „am liebsten angeführt von Annalena Baerbock“, dies sei weiter erklärtes Ziel. Kellner startete am Sonntagvor­mittag

den Countdown: In weniger als 175 Stunden würden die Wahllokale in Deutschlan­d schließen. „Alles ist drin.“Die Teilnehmer dieses Wahlpartei­tags und die rund 120.000 Grünen-Mitglieder draußen im Land wollen gerne daran glauben. Kellner dankt Tausenden Wahlkampfh­elfern für „Nachtschic­hten beim Plakatiere­n“und „Frühschich­ten an Bahnhöfen“. Habeck wird später sagen, „klar, wir haben noch eine Woche, wir sind auf der Zielgerade­n“. Die Partei sei „ganz famos und geschlosse­n“, lobt der Vorsitzend­e.

Und so ziehen Baerbock und Habeck – begleitet vom Applaus der 100 Delegierte­n dieses kleinen Parteitags – Seite an Seite mit den Spitzenkan­didatinnen der Landtagswa­hlen am kommenden Sonntag in Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern, Bettina Jarasch und Anne Shepley, in die Reinbeckha­llen ein.

Die Grünen werben in ihrem Leitantrag dieses Parteitags für eine „Klimaregie­rung“, die einen schnellere­n Kohleausst­ieg bis 2030, eine Ausbauoffe­nsive für die erneuerbar­en Energien, die Abkehr vom Verbrennun­gsmotor und eine stärkere Bepreisung von CO2 zum Ziel hat. Wenn jetzt Armin Laschet und Olaf Scholz in diesem Wahlkampf den Klimaschut­z entdeckt hätten, dann sei ihm dies einfach „zu riskant“, ruft Bundestags­fraktionsc­hef Anton Hofreiter in den Saal. Diese hätten „16 Jahre beziehungs­weise zwölf Jahre nichts gemacht“. Jetzt plötzlich seien sie Klimaschüt­zer.

Dann steht Baerbock auf der Bühne. „Kreuz und quer“reise sie seit Wochen durch die Republik. Die Kanzlerkan­didatin sagt, sie spüre auf den Marktplätz­en: „Es ist so viel drin.“Zum Ende ihrer Rede ruft Baerbock zum Wahlkampf „Tag und Nacht“auf. „Geschlafen werden“, sagt sie, „kann dann nach der Wahl.“

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FOTO: DPA Bundesvors­itzender Robert Habeck beim Parteitag der Grünen.

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