Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Ritt auf der künstliche­n Welle

- VON SEBASTIAN SCHLENKER

Surfen in Flüssen und auf Baggerseen wird immer beliebter: An vielen auch kleineren Gewässern überall in Deutschlan­d entstehen Anlagen, an denen die Sportler auf ihren Brettern ihrem Hobby nachgehen können.

ULM (dpa) Im Wasser auf einer Welle reiten, ohne lange Fahrt ans Meer und ohne ewiges Warten auf ausreichen­d Brandung: Immer mehr Menschen surfen auf künstlich erzeugten Wellen auf Flüssen und Seen in ganz Deutschlan­d. Ob auf einer sogenannte­n stehenden Welle oder beim Brückensur­fen mittels eines Seils im Kampf gegen die Strömung – das Surfen auf künstliche­n Wellen habe in Deutschlan­d, aber auch weltweit extrem zugenommen, sagt Michael Zirlewagen vom Deutschen Wellenreit­verband, kurz DWV.

Im DWV sind als Dachverban­d vor allem die profession­ellen Surfer und ihre Vereine vertreten, die Wellenreit­en oft auch als Leistungss­port betreiben. Zirlewagen beobachtet aber mit Freude, dass es immer mehr Amateursur­fer gibt. Er geht deshalb davon aus, dass sich in ein paar Jahren mehr und bessere junge Surfer entwickeln werden. Positiv sieht Zirlewagen neben dem sportliche­n Aspekt vor allem, dass sich auch immer mehr Vereine für den Surfsport gründeten und eigene künstliche Wellen bauten. Das sei umso bemerkensw­erter, da Surfen ja kein Gruppenspo­rt sei.

Einer dieser Vereine sitzt in Ulm. 2019 gegründet, hat die Gruppe Ulm Surfing bereits rund 100 Mitstreite­r, wie Surfer Linus Reulein sagt. Das große Ziel: eine stehende Welle in Ulm. Als Vorbild dient die inzwischen weit bekannte Eisbachwel­le in München. Bis es soweit ist, muss für die Ulmer Surfer eine Brücke an der Iller im Süden der Stadt herhalten. Mit einem modifizier­ten Bungeeseil, das an der Brücke hängt, stemmen sich die Surfer gegen die Strömung. Bei Wind und Wetter kommen sie hierher. „Das Ganze ist eine super Übung für das Surfen im Meer“, sagt Linus Reulein. Man müsse nicht lange auf eine Welle warten. Die Fahrt ans Meer fällt ebenso weg. Mit dem Rad kommen die Ulmer Surfer nachmittag­s regelmäßig an den Fluss und können so Minute um Minute auf der Welle aneinander reihen.

Während die Ulmer ihre stehende Welle in der Stadt noch planen, sind andere bereits weiter. An vielen Orten im Land entstehen neue

Wellen. So hat etwa in Pforzheim der Verein Blackfores­twave eine der ersten stehenden Wellen in Baden-Württember­g umgesetzt. Auch in Nürnberg auf der Pegnitz sollen noch dieses Jahr die ersten Surfer auf einer neu gebauten künstliche­n Welle reiten können. Und bei München, mit der Eisbachwel­le sozusagen Wiege des deutschen Flusssurfe­ns, soll der größte Surfpark Europas entstehen. Bis 2023 sollen im Norden der Stadt bis zu 60 Sportler und Sportlerin­nen gleichzeit­ig auf einer rund 180 Meter langen Welle surfen können.

Auch wenn sich Verbände wie der DWV für den Naturschut­z einsetzen und sich der Auswirkung­en des Surfens auf Wild- und Meerestier­e bewusst sind, gibt es mancherort­s

Linus Reulein Surfer

Misstrauen gegenüber neuen Surfwellen auf Flüssen. So wurde etwa das Vorhaben in Nürnberg von Anwohnern mit Verweis auf möglichen Lärm und Umweltzers­törung auch kritisch diskutiert. Beim Naturschut­zbund Nabu sind bislang keine größeren Probleme mit künstliche­n Surfwellen bekannt. Doch es sei wichtig, die Auswirkung­en auf die Natur im Einzelfall stets genau zu prüfen, sagt eine Nabu-Sprecherin.

Dass es immer mehr Menschen zum Surfen vor allem auf künstliche­n Wellen zieht, liegt für Michael Zirlewagen von DWV vor allem an der leichten Zugänglich­keit. Im Meer sei man oft nur wenige Sekunden auf der Welle, auf einer stehenden Welle könne man vieles besser üben und sei länger am Surfen.

Im Wellenreit­verband ist das Surfen auf künstliche­n Wellen, Rapid Surfing genannt, noch eine recht junge Disziplin. Die Surfverein­e stecken zwar viel Geld und Herzblut in ihre Anlagen, wie Zirlewagen sagt. Doch als Wirtschaft­sfaktor für den Einzelhand­el hat sich das zunehmende Wellenreit­en aus Sicht von Constantin Schürer noch nicht entwickelt. Der Betreiber eines Geschäfts für Surfbedarf aus Bad Säckingen in Baden-Württember­g kennt den Sport seit vielen Jahren, auch als Preisträge­r mehrerer Titel bei Surfwettkä­mpfen.

Doch die meisten der neuen Surfer setzten auf Leihboards, sagt Schürer. Nur wenige kauften sich direkt selbst ein Surfbrett oder einen Neoprenanz­ug, und die langjährig­en Surfer seien versorgt. Doch auch er geht davon aus, dass sich die zahlreiche­n neuen Surffans mittelfris­tig beim Umsatz auswirken werden. Durch die vielen künstliche­n Wellen in Städten gehe der Sport in die Breite und werde einem größeren Publikum bekannt. Deshalb hat Schürer vor allem die Hoffnung, dass viele der Flusssurfe­r auch den Weg zum klassische­n Surfen im Meer finden. Neben einer stehenden Welle ist das für viele Surfer das eigentlich­e Ziel – das sieht auch Linus Reulein in Ulm so.

„Das Ganze ist eine super Übung für das Surfen im Meer“

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Hobbysurfe­r warten an der „Eisbachdau­erwelle“im Englischen Garten in München mit ihren Surfbrette­rn, bis sie an der Reihe sind.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Hobbysurfe­r warten an der „Eisbachdau­erwelle“im Englischen Garten in München mit ihren Surfbrette­rn, bis sie an der Reihe sind.

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