Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Lebenslüge einer ganzen Region

- VON WERNER BÖTTGES

Die Rheinschie­ne boomt. Städte wie Bonn, Köln oder Düsseldorf verzeichne­n starke Wanderungs­gewinne. Die Folgen sind deutlich steigende Bodenpreis­e und Mieten. Auf diese Probleme muss auch Krefeld eine Antwort finden.

Im Sommer 2016 warb die damalige rot-grüne Landesregi­erung bei einer großen Regionalko­nferenz im Neubau der Volksbank Krefeld für die Zusammenar­beit der Kommunen im Kampf gegen die Wohnungsno­t. Aus Sicht der Landesregi­erung kann keine Kommune die Probleme der stark steigenden Wohnungsmi­eten und Preise für Bauland allein lösen. Die Lösung sah die Landesregi­erung in der Zusammenar­beit auf regionaler Ebene. Doch diese Zusammenar­beit kommt einfach nicht zustande. Auch in Krefeld stocken viele Projekte, und das Ziel, bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen, rückt in immer weitere Ferne. Die Kommunen zeigen sich bislang weitgehend unfähig zur Zusammenar­beit – zum Schaden der Menschen, die händeringe­nd bezahlbare­n Wohnraum suchen. Es ist die Lebenslüge einer ganzen Region: Konzepte sind da, doch sie werden nicht konsequent umgsetzt.

Am Beispiel Düsseldorf zeigt sich, wie dramatisch die Lage ist. Anfang 2021 lag die Einwohnerz­ahl Düsseldorf­s bei 644.280 Personen. Die Stadt Düsseldorf geht davon aus, dass die Bevölkerun­g bereits bis 2035 auf 702.500 Einwohner, das heißt um über neun Prozent wächst. Laut aktuellem Düsseldorf­er Mietspiege­l liegt der durchschni­ttliche Mietpreis bei 13,20 Euro pro Quadratmet­er. Viele Normalverd­iener werden keine passende Wohnung in der mit rund 217 Quadratkil­ometern flächenmäß­ig kleinen Landeshaup­tstadt finden. Der sogenannte „Überschwap­peffekt“wird sich fortsetzen. Die Auswirkung­en für Krefeld zeigen sich in der Entwicklun­g der Preise für unbebaute Wohnbaugru­ndstücke. Der Durchschni­ttspreis stieg laut Grundstück­smarktberi­cht von 234 Euro im Jahre 2015 auf 321 Euro in 2019 und liegt zur Zeit bei 370 Euro.

Zum Aufbau interkommu­naler Zusammenar­beit rief die damalige Landesregi­erung einen landesweit­en Wettbewerb ins Leben, der den Titel „Stadtumlan­d.NRW“trug. Anlässlich dieses Wettbewerb­s wurde das sogenannte „RegioNetzW­erk“gegründet. Das „RegioNetzW­erk“ist der Zusammensc­hluss der Städte Duisburg, Düsseldorf, Ratingen, Meerbusch und Krefeld sowie des Kreises Mettmann. Die Zahlen der Verflechtu­ng sind beeindruck­end: Rund 600.000 Personen pendeln täglich über die jeweiligen Stadtgrenz­en hinaus. Über die Hälfte (53 %) macht sich mit Auto oder Motorrad auf den Weg. Nur halb so viele benutzen den öffentlich­en Personenna­hverkehr (14 %) oder das Fahrrad (12 %). Das Netzwerk hat sich nicht nur die ausreichen­de Wohnfläche­nversorgun­g zum Ziel gesetzt. Es sollen vielmehr künftig auch innovative Ansätze der Stadtentwi­cklung verfolgt werden. Das „RegioNetzW­erk“gehörte schließlic­h zu den drei Gewinnern das landesweit­en

Wettbewerb­s.

Kernstück des Zukunftsko­nzeptes der „RegioNetzW­erkes“sind Qualitätsk­riterien zur Entwicklun­g von Siedlungsr­äumen. Städtebaul­iche Dichte soll demnach durch innovative, Naturfläch­en schonende Architektu­r möglich werden, Öffentlich­er Personenna­hverkehr soll attraktive­r werden, und es sollen neue Wohnformen entwickelt werden: mit und ohne Auto, für Familien und Senioren, für Gemeinscha­ftsprojekt­e und individuel­les Wohnen. Ein wichtiger Punkt ist Klimavertr­äglichkeit aller Projekte. Aber wie steht es in Krefeld mit der Umsetzung dieser Ziele?

Auf gutem Wege sind die Baugebiete Plankerhei­de und FischelnSü­dwest. Das Projekt U76/70 „K-Bahn“Düsseldorf-MeerbuschK­refeld kommt nicht voran. Bei der Krefelder Promenade ist das Bild differenzi­erter. Die ersten Planungen stammen aus den Neunzigerj­ahren. Nach über zwanzig Jahren sind die ersten beiden Teilabschn­itte kürzlich fertiggest­ellt worden. Dringend erforderli­ch ist der Weiterbau der Krefelder Promenade selbst, und der ist völlig ungewiss. So lange keine Durchgängi­gkeit hergestell­t ist, hängen die fertiggest­ellten Teilabschn­itte in de Luft und sind kaum sinnvoll nutzbar. Nebenbei bemerkt weist die Potenziala­nalyse für den

Fall der kompletten Promenade und einem im Mobilitäts­konzept angestrebt­en Radverkehr­santeil von 30 Prozent im Bereich der Innenstadt eine Tagesfrequ­enz von über 16.000 Radfahrern aus. Die derzeitige offizielle Bezeichnun­g der Krefelder Promenade als Freizeitro­ute wird dann kaum noch haltbar sein.

Stark gestutzt ist der Bereich Fischeln Ost, das heißt die Wohnbauflä­chen östlich der K-Bahntrasse, gehört wegen der ungewissen zeitlichen Entwicklun­gsperspekt­ive zu den Zukunftspr­ojekten. Der frühere Regionalpl­an GEP'99 stellte hier eine Fläche von über 70 Hektar als Allgemeine­n Siedlungsb­ereich (ASB) dar. Im Krefelder Flächennut­zungsplan und im Regionalpl­an Düsseldorf (RPD) ist die zu Wohnzwecke­n entwickelb­are Fläche auf rund 25 Hektar reduziert worden.

Kein Durchbruch ist bei den nun sich über Jahrzehnte hinziehend­en Planungen zum Interkommu­nalen Gewerbegeb­iet in Sicht. Der Rat der Stadt Krefeld hat im Juni 2021 die Verwaltung beauftrag, „noch einmal bei der Stadt Meerbusch auf ein klares Votum zum interkommu­nalen Gewerbegeb­iet zu drängen.“Hier stellt sich die Frage, warum man nicht für den Fall, dass Meerbusch nicht mitmachen will, die vom Mangel an Gewerbeflä­chen geplagte Stadt Düsseldorf mit ins Boot holt und mit ihr zusammen das Gewerbegeb­iet entwickelt.

Man tut sich offensicht­lich in Krefeld schwer mit der Entwicklun­g des „RegioNetzW­erks“. Von den Reserveflä­che des seit Oktober 2015 gültigen Flächennut­zungsplane­s – insgesamt 119 Hektar – ist bislang keine einzige Fläche zur Baureife entwickelt worden. Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf forderte die Kommen auf, für den Regionalpl­an Düsseldorf weitere allgemeine Siedlungsb­ereiche (ASB) für Wohnzwecke zu benennen, weil absehbar war, dass die ASB's in der Beschlussf­assung von April 2018 nicht ausreichte­n. Die Stadt Krefeld lehnte das Angebot der Bezirksreg­ierung mit der Begründung ab, es seien noch genügend Reserverfl­ächen vorhanden. Dies ist kein Wunder, wenn man nichts entwickelt.

Was immer man nun entwickelt: Nach Auffassung der Fachleute ist die Zeit der Einfamilie­nhausgebie­te vorbei. Davon sind in Krefeld in der Nachkriegs­zeit bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunder­ts genügend entstanden. Man denke nur an die Ortsteile Hüls, Fischeln, Verberg und Traar. Flächen sind knapp, der demographi­sche Wandel ist im Gange. Gerade mit dieser Thematik befasst sich David Fidomski in seiner 2015 vorgelegte­n Bachelorar­beit. Sie trägt den Titel „Alternde Einfamilie­nhausgebie­te als Handlungsf­eld kommunaler Stadterneu­erung am Beispiel der Krefeld.“

Fidowski verdeutlic­ht die Entwicklun­g am Beispiel der Einfamilie­nhaussiedl­ung Forstwald. Von den circa 550 Wohngebäud­en, die meist auf großen Grundstück­en stehen, sind vom Kriegsende bis 1985 etwa zwei Drittel entstanden. Etwa ein Drittel der Bewohner (circa 350) sind älter als 65 Jahre. Vor diesem Hintergrun­d läuft ein Prozess ab, der sich stadtweit in allen ähnlich strukturie­rten Gebieten zeigt. Die sanierungs­bedürftige­n Wohngebäud­e werden entweder in Stand gesetzt oder abgerissen und an gleicher Stelle durch Neubauten ersetzt. Dieser Trend läuft innerhalb der bestehende­n Einfamilie­nhausgebie­te ab. Dafür müssen keine neuen Gebiete für Einfamilie­nhäuser ausgewiese­n werden. Gefragt sind vielmehr barrierefr­eie Etagenwohn­ungen in Stadthäuse­rn mit hoher Qualität. In der Stadt Krefeld gibt es kaum ein entspreche­ndes Angebot.

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Mit diesem Plakat hat sich das „RegioNetzW­erk“an einem Wettbewerb des Landes beteiligt. Das „RegioNetzW­erk“ist der Zusammensc­hluss der Städte Duisburg, Düsseldorf, Ratingen, Meerbusch und Krefeld sowie des Kreises Mettmann. Das Netzwerk hat sich vor allem mehr Wohnungsba­u zum Ziel gesetzt.

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