Rheinische Post Krefeld Kempen
Vom Skiurlaub in Ischgl bis zur Corona-Infektion in NRW
Christoph Stausberg aus dem Ruhrgebiet gehörte auch zu den Ischgl-Klägern. Im Ich-Protokoll berichtet er, wie er inzwischen über den Fall denkt.
ISCHGL Mein bester Kumpel, sein Vater und ich sind am 29. Februar 2020 als kleine Skigruppe nach Tirol gefahren. Von Samstag bis Samstag – das machen wir seit einigen Jahren, es war das dritte Mal in Ischgl. Wir hatten ein kleines Apartment und sind gleich am ersten Abend ins „Kitzloch“gegangen. Ich hatte einen Tisch reserviert, weil der Laden immer rappelvoll ist. Es gibt da die besten Spareribs, und die Stimmung ist immer super.
Der Skiurlaub lief erst ab wie immer: Morgens nach dem Frühstück hoch auf den Berg, dann Skifahren bis nachmittags und danach zum
Après Ski, abends was essen. Am Donnerstag ging es meinem Freund dann aber ziemlich schlecht, er hatte Grippe-Symptome und Schüttelfrost. Er ist im Zimmer geblieben. Der lag richtig flach. Das wurde auch erst nicht besser, am Samstag auf der Heimfahrt lag er hinten auf der Rückbank. Seine Lebensgefährtin hat sich Sorgen um ihn gemacht gemacht und uns gesagt, es sei hoffentlich kein Corona. Darüber haben wir im Auto dann noch gescherzt.
Es war damals noch eine andere Zeit. Das Virus war noch nicht so präsent wie heute. Ich finde, das muss man immer sehen im Rückblick. In Ischgl waren die Bars einfach so voll wie immer, überall war großes Gedränge, auch an den Gondeln. Letztlich wurden zurück in Deutschland auch der Vater meines Kumpels und ich positiv getestet. Wir hatten aber beide Glück und einen recht milden Verlauf. Am Schlimmsten hatte es meinen Freund erwischt, wobei auch er keinen schweren Verlauf hatte. Aber ich kenne niemanden, der zu dem Zeitpunkt in Ischgl war und sich nicht infiziert hat. Es gab ja viele dramatische Fälle, schwere Verläufe, auch Todesfälle. Die österreichische Regierung
hat am 13. März dann alles zugemacht und Ischgl und einige andere Orte isoliert.
Ob das zu spät war, kann ich nicht beurteilen. Ich habe mich wie viele andere Tausende auch beim österreichischen Verbraucherschutz gemeldet wegen der Sammelklage. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen und so viel passiert – wir haben gerade unser zweites Kind bekommen. Die Klage ist für mich nicht mehr wichtig, ich habe meine Teilnahme zurückgezogen. Ich verfolge noch nicht mal den Prozess und fürchte auch, da kommt nicht viel bei herum. Es ist schwer, im Nachhinein zu beurteilen, wer wann welche Fehler gemacht oder möglicherweise zu spät reagiert hat. Natürlich ist es mit dem Wissen von heute unvorstellbar, dass der Skibetrieb weiterlief, aber ich denke, wir alle haben das Virus und die hohe Ansteckungsgefahr damals noch unterschätzt. Ich war erleichtert, dass ich zu Hause meine Frau und unsere damals keine zwei Jahre alte Tochter nicht angesteckt habe. Mein bester Kumpel, sein Vater und ich sind komplett geimpft. Nach Ischgl würden wir wieder fahren.
Aufgezeichnet von Claudia Hauser