Rheinische Post Krefeld Kempen

Aufmarsch für den Klimaschut­z

Am letzten Schultag vor der Wahl forderten Zehntausen­de „Fridays for Future“-Aktivisten eine neue Politik. Bei der Klimakonfe­renz im November in Glasgow verhandelt jedoch eine scheidende Regierung. Welche Folgen hat das?

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Mehr als 15.000 Menschen trafen sich Schätzunge­n zufolge bis zum Mittag vor dem Reichstag, zogen durch das Regierungs­viertel und sammelten sich dann wieder vor dem Sitz des Parlaments für die Rede von Greta Thunberg, der Gründerin der globalen Klimabeweg­ung „Fridays for Future“. Zwei Tage vor der Bundestags­wahl rief sie den Demonstran­ten zu: „Ihr müsst wählen gehen, aber das ist nicht genug. Wir wollen Änderung, wir fordern Änderung, wir sind Änderung.“Thunberg warf Deutschlan­d vor, weltweit der viertgrößt­e CO2-Emittent zu sein. „Mit 80 Millionen Menschen ist das schon eine Leistung“, sagte Thunberg und nannte Deutschlan­d einen der größten „Klima-Schurken“.

Alle drei Kanzlerkan­didaten von Union, SPD und Grünen – Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock – betonten die Bedeutung eines konsequent­en Klimaschut­zes. Doch mit der Bundestags­wahl schaltet die Bundesregi­erung gewisserma­ßen in den Standby-Modus. Dabei stehen noch wichtige internatio­nale Termine an, insbesonde­re für den Klimaschut­z: Im November beginnt die 26. Klimakonfe­renz in Glasgow. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wird dann noch einmal auf der wichtigen Bühne stehen, auch wenn sie kurz danach aus dem Amt scheiden dürfte. Sie ist internatio­nal hoch angesehen, gilt als verlässlic­he Verhandlun­gspartneri­n. Weitere Haushaltsm­ittel könnte sie in Verhandlun­gen jedoch nicht mehr einfach zusagen.

Die Sorge, dass der Regierungs­wechsel internatio­nalen Verabredun­gen beim Klimaschut­z im Wege stehen könnte, teilt man in der aktuellen Bundesregi­erung nicht. Derzeit ist Umweltstaa­tssekretär Jochen Flasbarth im Gespräch insbesonde­re mit Schwellenl­ändern, um Zusagen für die Klimaschut­zfinanzier­ung einzusamme­ln. 100 Milliarden Euro pro Jahr sind das Ziel, man steht bei Entwicklun­gsländern im Wort. In Glasgow wird es darum gehen, mehr Klimaschut­zzusagen von Schwellenl­ändern zu verhandeln und weniger neue Kohlemeile­r zu beschließe­n. Denn bislang steuert die Welt trotz deutlich verschärft­er Klimaschut­zpläne der EU weiter auf 2,7 Grad Erderwärmu­ng zu – statt der angepeilte­n 1,5 Grad.

„Wir müssen bei der Konferenz als Europäer auf Basis des Green Deals geschlosse­n für Fortschrit­te der globalen Klimapolit­ik auftreten“, sagte Andreas Jung, der im

Kompetenzt­eam von Unions-Kanzlerkan­didat Armin Laschet für den Klimaschut­z zuständig ist. Deutschlan­d werde seinen Beitrag zum internatio­nalen Klimaschut­z leisten: „Wir haben eine doppelte Verantwort­ung: Wir müssen konsequent­en Klimaschut­z so umsetzen, dass wir Arbeit und Wertschöpf­ung stärken.“Das gehe mit neuen Technologi­en und Technologi­e-Kooperatio­nen. „In Glasgow werden wichtige Weichen gestellt. Deutschlan­d wird dabei auf eine konsequent­e Umsetzung

des Pariser Abkommens drängen. Auch eine geschäftsf­ührende Bundesregi­erung ist voll handlungsf­ähig“, sagte Jung.

Die Umweltorga­nisation Greenpeace hat die Bundestags­parteien aufgeforde­rt, sofort nach der Bundestags­wahl eine härtere Klimaschut­zpolitik zu verfolgen. „Mit der Bundestags­wahl muss sofort eine neue Dynamik im Klimaschut­z entfaltet werden“, sagte Greenpeace­Deutschlan­d-Chef Martin Kaiser unserer Redaktion. Deutschlan­d müsse auf der Weltklimak­onferenz in Glasgow im November eine Linie vertreten, die das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmu­ng „zur Richtschnu­r aller Entscheidu­ngen“macht, sagte Kaiser.

„Als größte Wirtschaft­snation Europas muss die neue Bundesregi­erung Klimaschut­z ins Zentrum einer Neuausrich­tung der europäisch­en Wirtschaft­s- und Handelspol­itik stellen“, sagte Kaiser: „Das hätte einen unglaublic­h großen Effekt auf den globalen Klimaschut­z.“

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FOTO: STEFAN ZEITZ/IMAGO Demonstran­ten forderten am Freitag vor dem Reichstag in Berlin mehr Anstrengun­gen für den Klimaschut­z.

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