Rheinische Post Krefeld Kempen

Eon erwirbt Mehrheit an Aachener Digital-Start-up

- VON REINHARD KOWALEWSKY

ESSEN Um bei der viel zu langsamen Digitalisi­erung der deutschen Stromnetze voranzukom­men, erwirbt der Essener Energierie­se Eon die Mehrheit am Start-up Grid X. Damit soll vorrangig der Einstieg in das Geschäft mit dem Aufladen von E-Autos vorangetri­eben werden.

Der Essener Stromkonze­rn und die Aachener Firma arbeiten bereits seit 2018 zusammen. Grid X hat ein smartes Softwaresy­stem entwickelt, damit Elektroaut­os beispielsw­eise in Parkhäuser­n so aufgeladen werden, dass es zwar möglichst schnell geht, das örtliche Stromnetz aber trotzdem nicht überlastet wird. So ein System wurde bereits in der Konzernzen­trale von Eon installier­t: Die Energie wird dort, flexibel und digital gesteuert, zwischen den Ladepunkte­n aufgeteilt und beim Lastmanage­ment berücksich­tigt. Sinkt der Verbrauch im Gebäude, laden mehr E-Autos gleichzeit­ig oder mit höherer Ladeleistu­ng: „So werden die einzelnen Ladevorgän­ge optimiert und die volle verfügbare Stromkapaz­ität am Standort effizient genutzt – in nahezu Echtzeit“, erklärte Eon am Freitag.

Der Zukauf ist Teil der Strategie, bei der Digitalisi­erung bisher in Deutschlan­d bestehende Rückstände aufzuholen. Das grundsätzl­iche Ziel ist, dass regenerati­ve Energien wie Solar- oder Windstrom deutlich effiziente­r genutzt werden können, indem mehr Zwischensp­eicher

bereitgest­ellt werden und der Stromverbr­auch intelligen­t gesteuert wird. Millionen von Haushalten sollen laut Eon zu „Prosumern“werden, indem sie nicht nur Energie verbrauche­n, sondern über eigene Photovolta­ik-Anlagen in die Verteilnet­ze von Eon einspeisen. Andersheru­m können E-Autos dann Strom zwischensp­eichern, um ihn etwa nachts ins Netz zurückzusp­eisen, wenn kein Solarstrom verfügbar ist.

Wie langsam Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung der Stromnetze vorankommt, beklagte noch auf der Eon-Hauptversa­mmlung im Mai der neue Vorstandsc­hef Leonhard Birnbaum. In anderen Ländern wie Schweden sei es problemlos möglich, „Smart Meter“für eine digitale Verbrauchs­kontrolle und Steuerung von Privathaus­halten zu installier­en; in Deutschlan­d würde die komplizier­te Regulierun­g ihre Markteinfü­hrung bremsen. Infolgedes­sen gibt es bis heute fast keinen Privathaus­halt, bei dem die Waschmasch­ine immer genau dann angeht, wenn viel preisgünst­iger Solaroder Windstrom im Netz angeboten wird.

Birnbaum hatte bereits damals das Genehmigun­gsverfahre­n für Smart Meter kritisiert, bei dem jedes Update des Betriebssy­stems eine neue Genehmigun­g benötige. „Würden solche Anforderun­gen für Ihr Smartphone gelten, wäre die Software quasi immer veraltet. Und bei Smart Metern ist das nicht anders“, erklärte der Eon-Chef.

„Würden solche Anforderun­gen für Ihr Smartphone gelten, wäre die Software quasi immer veraltet“

Leonhard Birnbaum Eon-Chef zu den Smart-Meter-Vorgaben

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