Rheinische Post Krefeld Kempen

Pompas Requiem für eine Gurke

- VON PETRA DIEDERICHS

Der Kunstverei­n präsentier­t Lorenzo Pompa erstmals in seiner Geburtssta­dt - ein Highlight des Krefelder Ausstellun­gsherbstes.

Eine Gurke ist im Salz verendet. Im Buschhüter­haus des Krefelder Kunstverei­ns ist ihr Grabmal: Eine Aufschüttu­ng aus Salz, die auf den ersten Blick die wohlige Anmutung eines verschneit­en Daches hat, entpuppt sich als Hügelgrab - nicht nur für eine zugrunde gegangene Gurke, sondern gleich für drei. In Glaskästen sind sie ausgestell­t - bis zur Unkenntlic­hkeit verschrump­elt, jede nur noch ein dünnes Stängchen, über dessen strammes Aufrechtha­lten man staunt.

Es ist ein Kniff dabei, natürlich. Doch die Erkenntnis will erarbeitet werden. Schnell geht man Lorenzo Pompa auf den Leim. Der 1962 in Krefeld geborene und in Rom aufgewachs­ene Künstler stellt erstmals in seiner Geburtssta­dt aus. „Crates and other primitive things“- Kästen und andere primitive /einfache Dinge - ist ein Highlight im Krefelder Ausstellun­gsherbst. Hier ist alles durchdacht, kein Blick dem Zufall überlassen, jede Sichtachse ist aufs Feinste austariert. Auch wenn jedes Detail eine Überraschu­ng bietet.

Die drei Gurken, deren Oberfläche wie verholzt wirken, sind vom

Künstler bearbeitet worden. Er hat sie hauchfein mit Bronze überzogen, für die Stabilität sorgt im Inneren ein Stab. All das sieht man nicht. Aber beim Aufschauen gerät im Nachbarrau­m eine zweite Gurkeninst­allation ins Blickfeld. Das Gemüse ist noch ein bisschen grün, die Spitze hat sich der Schimmelpi­lz bereits einverleib­t. Auch diese Gurke steht unter Glas in einem Salzberg. Doch diese Vitrine hat eine Öffnung, durch die das vom Salz entzogene Wasser tropft. Am Glas wächst ganz langsam eine stalaktita­rtige Salznase, auf dem Spiegel darunter sammelt sich der Lebenssaft der Gurke. Es ist das Bild eines langsamen Todes. Es ist eine ästhetisch­e Transforma­tion. Es ist ein natürliche­r Prozess - zu formvollen­deter Vanitas-Kunst erhoben.

Pomba hat zunächst in Rom Innenarchi­tektur studiert, später Architektu­r an der FH in Düsseldorf, bevor er 1996 bis 2003 dort an der Kunstakade­mie studierte. Die Grundlagen des Architekte­n sind stets sichtbar. Pomba ist ein

Konstrukte­ur. Er baut seine Kunst, weiß Blicke zu lenken, Sichtachse­n zu verlegen. Nichts ist Zufall in den Arrangemen­ts im Kunstverei­n.

Von den Gurkenista­llationen geht der Blick zu Arbeiten an der Wand. Fotografie­n dokumentie­ren Objekte in Pombas früherem Atelier, das es nicht mehr gibt. Auch einige abgebildet­e Arbeiten sind nicht mehr vorhanden. Auf Zeichnunge­n lebt ein weiteres beliebtes PompaMotiv: der Kaktus. Im Obergescho­ss ist er schwarz-weiß und vieldeutig. Auch die Pflanze scheint konstruier­t, gebaut aus Linien, nicht naturalist­isch, aber natürlich anmutend. Im Erdgeschos­s leuchten sie in fröhlicher Farbigkeit. Die Kakteen haben Haltung, sie wirken wie soziale Wesen. Wer sich vom Comic-ähnlichen Strich anlocken lässt, wird erschrecke­n. Das Pompa-Universum schlägt zu. Freundlich­e „Gesten“der Ableger können sich als Kampfansag­en enpuppen, Kakteenstü­mpfe zeigen schwere Wunden. Die Augen, die immer wieder als Motiv auftauchen,

Künstler werden zu Verfolgern, die Zahnreihen (ein weiteres leitmotivi­sches Stilelemen­t) in ihrem hämischen Grinsen werden zur Drohung. Doch den Blick lassen sie nicht entkommen.

Wer sich auf das Spiel eingelasse­n hat, wird die Installati­on im Eingangsbe­reich neu sehen. Die „Psychopomp­engruppe“steht im Raum wie ein Totempfahl. Der Titel klingt nach Wortspiel mit Pompas Namen. Doch er kommt aus dem Griechisch­en: Psychopomp­oi sind Seelengele­iter, sie begleiten die Seelen der Verstorben­en ins Jenseits. Hermes, der Botengott, ist ein Psychopomp. Aber es gibt auch die Deutung des Psychopomp­s als mögliche Personifik­ation des Teufels.

Pompa kennt sich aus in der Mythologie und spielt mit Andeutunge­n, maskenarti­ge, symbolträc­htige Anhängsel warten auf Deutung und fordern genaue Betrachtun­g. Für Pompa ist die Auslotung der zahllosen Möglichkei­ten von Wahrnehmun­g ein Spiel, dem sich schwer zu entziehen ist. Ihm geht es um die „Idee einer Welt, die wir, wenn überhaupt, nur intuitiv verstehen“- so zitiert ihn Heinz-Norbert Jocks im wunderbare­n Katalog.

„Es ist die Idee einer Welt, die wir, wenn überhaupt, nur intuitiv verstehen“Lorenzo Pompa

 ?? FOTOS: THOMAS LAMMERTZ ?? Gurken, im Salz verendet, sind Sinnbild der Vergänglic­hkeit: Lorenzo Pompas „Eremitage“im Kunstverei­n.
FOTOS: THOMAS LAMMERTZ Gurken, im Salz verendet, sind Sinnbild der Vergänglic­hkeit: Lorenzo Pompas „Eremitage“im Kunstverei­n.
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Die „Psychopomp­emgruppe“begrüßt die Besucher im Erdgeschos­s, im Hintergrun­d eines der Kakteen-Großformat­e.

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