Rheinische Post Krefeld Kempen
Pompas Requiem für eine Gurke
Der Kunstverein präsentiert Lorenzo Pompa erstmals in seiner Geburtsstadt - ein Highlight des Krefelder Ausstellungsherbstes.
Eine Gurke ist im Salz verendet. Im Buschhüterhaus des Krefelder Kunstvereins ist ihr Grabmal: Eine Aufschüttung aus Salz, die auf den ersten Blick die wohlige Anmutung eines verschneiten Daches hat, entpuppt sich als Hügelgrab - nicht nur für eine zugrunde gegangene Gurke, sondern gleich für drei. In Glaskästen sind sie ausgestellt - bis zur Unkenntlichkeit verschrumpelt, jede nur noch ein dünnes Stängchen, über dessen strammes Aufrechthalten man staunt.
Es ist ein Kniff dabei, natürlich. Doch die Erkenntnis will erarbeitet werden. Schnell geht man Lorenzo Pompa auf den Leim. Der 1962 in Krefeld geborene und in Rom aufgewachsene Künstler stellt erstmals in seiner Geburtsstadt aus. „Crates and other primitive things“- Kästen und andere primitive /einfache Dinge - ist ein Highlight im Krefelder Ausstellungsherbst. Hier ist alles durchdacht, kein Blick dem Zufall überlassen, jede Sichtachse ist aufs Feinste austariert. Auch wenn jedes Detail eine Überraschung bietet.
Die drei Gurken, deren Oberfläche wie verholzt wirken, sind vom
Künstler bearbeitet worden. Er hat sie hauchfein mit Bronze überzogen, für die Stabilität sorgt im Inneren ein Stab. All das sieht man nicht. Aber beim Aufschauen gerät im Nachbarraum eine zweite Gurkeninstallation ins Blickfeld. Das Gemüse ist noch ein bisschen grün, die Spitze hat sich der Schimmelpilz bereits einverleibt. Auch diese Gurke steht unter Glas in einem Salzberg. Doch diese Vitrine hat eine Öffnung, durch die das vom Salz entzogene Wasser tropft. Am Glas wächst ganz langsam eine stalaktitartige Salznase, auf dem Spiegel darunter sammelt sich der Lebenssaft der Gurke. Es ist das Bild eines langsamen Todes. Es ist eine ästhetische Transformation. Es ist ein natürlicher Prozess - zu formvollendeter Vanitas-Kunst erhoben.
Pomba hat zunächst in Rom Innenarchitektur studiert, später Architektur an der FH in Düsseldorf, bevor er 1996 bis 2003 dort an der Kunstakademie studierte. Die Grundlagen des Architekten sind stets sichtbar. Pomba ist ein
Konstrukteur. Er baut seine Kunst, weiß Blicke zu lenken, Sichtachsen zu verlegen. Nichts ist Zufall in den Arrangements im Kunstverein.
Von den Gurkenistallationen geht der Blick zu Arbeiten an der Wand. Fotografien dokumentieren Objekte in Pombas früherem Atelier, das es nicht mehr gibt. Auch einige abgebildete Arbeiten sind nicht mehr vorhanden. Auf Zeichnungen lebt ein weiteres beliebtes PompaMotiv: der Kaktus. Im Obergeschoss ist er schwarz-weiß und vieldeutig. Auch die Pflanze scheint konstruiert, gebaut aus Linien, nicht naturalistisch, aber natürlich anmutend. Im Erdgeschoss leuchten sie in fröhlicher Farbigkeit. Die Kakteen haben Haltung, sie wirken wie soziale Wesen. Wer sich vom Comic-ähnlichen Strich anlocken lässt, wird erschrecken. Das Pompa-Universum schlägt zu. Freundliche „Gesten“der Ableger können sich als Kampfansagen enpuppen, Kakteenstümpfe zeigen schwere Wunden. Die Augen, die immer wieder als Motiv auftauchen,
Künstler werden zu Verfolgern, die Zahnreihen (ein weiteres leitmotivisches Stilelement) in ihrem hämischen Grinsen werden zur Drohung. Doch den Blick lassen sie nicht entkommen.
Wer sich auf das Spiel eingelassen hat, wird die Installation im Eingangsbereich neu sehen. Die „Psychopompengruppe“steht im Raum wie ein Totempfahl. Der Titel klingt nach Wortspiel mit Pompas Namen. Doch er kommt aus dem Griechischen: Psychopompoi sind Seelengeleiter, sie begleiten die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits. Hermes, der Botengott, ist ein Psychopomp. Aber es gibt auch die Deutung des Psychopomps als mögliche Personifikation des Teufels.
Pompa kennt sich aus in der Mythologie und spielt mit Andeutungen, maskenartige, symbolträchtige Anhängsel warten auf Deutung und fordern genaue Betrachtung. Für Pompa ist die Auslotung der zahllosen Möglichkeiten von Wahrnehmung ein Spiel, dem sich schwer zu entziehen ist. Ihm geht es um die „Idee einer Welt, die wir, wenn überhaupt, nur intuitiv verstehen“- so zitiert ihn Heinz-Norbert Jocks im wunderbaren Katalog.
„Es ist die Idee einer Welt, die wir, wenn überhaupt, nur intuitiv verstehen“Lorenzo Pompa