Rheinische Post Krefeld Kempen
Campus: Ratssitzung unter Polizeischutz
Polizei und Ordnungsamt zeigten deutliche Präsenz bei der Ratssitzung in Tönisvorst. Im Vorfeld war im Internet vor 100 gewaltbereiten Demonstranten gewarnt worden. Auf der Tagesordnung stand das Campus-Projekt.
ST. TÖNIS Es sollte der große Wurf werden, eine Vision für Tönisvorst, ein Quantensprung, aber noch vor dem ersten Beschluss spaltet das Campus-Projekt die Geister und erhitzt die Gemüter. Zur Erinnerung: Die Verwaltung hat die Idee, auf dem Acker zwischen der Düsseldorfer und der Vorster Straße einen Verwaltungsneubau und Gebäude für die beiden weiterführenden Schulen zu bauen. 138,3 Millionen Euro kostet das Vorhaben, 115 Millionen davon entfallen auf die Schulgebäude. SPD, Grüne, GUT und UWT-2020 gehören zu den Befürwortern der Idee, CDU, FDP und der fraktionslose Michael Lambertz sind skeptisch.
Nun stand die Ratssitzung an, auf der das Campus-Projekt diskutiert werden sollte, zu dem ungewöhnlich viele kritische Bürgeranträge eingegangen waren. Auf Facebook wurden die Tönisvorster im Vorfeld davor gewarnt, die Sitzung zu besuchen, weil mit „100 gewaltbereiten Demonstranten“zu rechnen sei. Gepostet hatte das die GUT, die sich nach eigener Aussage aufgrund mehrerer, anonymer Zuschriften und eines CDU-Flyers, der Bürger dazu aufrufe, sich gegen das Projekt zu stellen, Sorgen um die eigene Gesundheit und die der Ratsbesucher machte.
„Wir wussten, dass etwa 100 Besucher aus losen Protestgruppen erwartet werden. Weil es schwer einzuschätzen war, wie sich die Leute verhalten, haben wir die Stadt informiert“, sagt Daniel Ponten, Sprecher der GUT. Zwar postete die Verwaltung daraufhin, dass sie von einer „ganz regulären Ratssitzung“ausgehe und es keine Hinweise auf Ausschreitungen gebe, Polizei und Ordnungsamt waren aber dennoch vor Ort. Tatsächlich kamen dann auch gut 100 Menschen, die mehrheitlich gegen die Idee eines Schulneubaus sind, aber sie waren mehr als friedlich: Es gab keine Transparente und keine Zwischenrufe.
Lediglich einmal, als die Mehrheit aus SPD, Grünen, GUT und UWT durchsetzte, die von der CDU beantragte Einwohnerversammlung erst nach den Workshops durchzuführen, in denen Bürger ihre Ideen zum Campus einbringen sollen, gab es Unmutsbekundungen von der Zuschauertribüne. Der Hintergrund: Bürgermeister Uwe Leuchtenberg (SPD) hatte angekündigt, in den nächsten Monaten Gespräche mit den Schulleitungen, den Vereinen und der Bezirksregierung zu führen, eine interaktive Karte zur Bürgerbeteiligung auf die Homepage der Stadt zu setzen und Workshops anzubieten, in denen Bürger ihre Ideen einbringen können. So solle aus der bisherigen Idee ein „belastbarer Plan“werden, der „in der Zeit vor Ostern“vorliegen soll. „Danach werden wir die Einwohnerversammlung durchführen“, versprach Leuchtenberg.
Im Klartext bedeutet das, dass frühestens in sieben Monaten der Bürgerwille abgefragt wird. Sollte sich herausstellen, dass sehr viele Bürger gegen die Schulneubauten sind und das Projekt deshalb verworfen werden muss, ist viel Arbeitskraft in der Verwaltung gebunden worden und viel Zeit verloren gegangen. Zeit, die die Schulen nicht haben, denn schon jetzt fehlen der Gesamtschule und dem Gymnasium Räume. Die Gesamtschule hat seit diesem Schuljahr eine komplette Oberstufe, und das Gymnasium ist zum Abitur nach 13 Schuljahren zurückgekehrt. Im Sommer 2026 wird ein neuer Jahrgang aufgenommen, aber es geht kein Abiturjahrgang ab, sodass 120 Schüler mehr untergebracht werden müssen. Dass die Neubauten auf dem Acker bis dahin fertig gestellt sind,
davon geht niemand aus.
Einige Bürger fordern deshalb, das schon beschlossene Fachraumzentrum (Kosten 5,5 Millionen) am Schulzentrum Corneliusfeld zu bauen und aus den Fachräumen Klassenräume zu machen. Auf die Schulneubauten auf dem Acker soll verzichtet werden, stattdessen soll das Schulzentrum Corneliusfeld „ökologisch und energetisch ertüchtigt“und um „klimaneutrale Anbauten für die Gesamtschule“erweitert werden. Refinanziert werden könne das über Förderprogramme und den Verkauf des Schulgrundstücks Kirchenfeld, wo, so eine Idee aus dem Campus-Projekt, eine autofreie Klimasiedlung entstehen soll.
Christiane Tille-Gander (CDU) griff die Idee auf: „Dieser Antrag der Bürger ist überaus interessant. Wir sollten ihn als mögliche Alternative sehen. Die Verwaltung soll prüfen, ob das machbar und finanzierbar ist.“Kämmerin Nicole Waßen lehnte das ab: „Wir wollen zuerst die Workshops zum Campus-Projekt anbieten, nicht vorab schon eine neue Lösung bringen.“Nun soll dieser Antrag gemeinsam mit dem anderen in den Workshops besprochen werden.