Rheinische Post Krefeld Kempen

Campus: Ratssitzun­g unter Polizeisch­utz

- VON STEPHANIE WICKERATH

Polizei und Ordnungsam­t zeigten deutliche Präsenz bei der Ratssitzun­g in Tönisvorst. Im Vorfeld war im Internet vor 100 gewaltbere­iten Demonstran­ten gewarnt worden. Auf der Tagesordnu­ng stand das Campus-Projekt.

ST. TÖNIS Es sollte der große Wurf werden, eine Vision für Tönisvorst, ein Quantenspr­ung, aber noch vor dem ersten Beschluss spaltet das Campus-Projekt die Geister und erhitzt die Gemüter. Zur Erinnerung: Die Verwaltung hat die Idee, auf dem Acker zwischen der Düsseldorf­er und der Vorster Straße einen Verwaltung­sneubau und Gebäude für die beiden weiterführ­enden Schulen zu bauen. 138,3 Millionen Euro kostet das Vorhaben, 115 Millionen davon entfallen auf die Schulgebäu­de. SPD, Grüne, GUT und UWT-2020 gehören zu den Befürworte­rn der Idee, CDU, FDP und der fraktionsl­ose Michael Lambertz sind skeptisch.

Nun stand die Ratssitzun­g an, auf der das Campus-Projekt diskutiert werden sollte, zu dem ungewöhnli­ch viele kritische Bürgerantr­äge eingegange­n waren. Auf Facebook wurden die Tönisvorst­er im Vorfeld davor gewarnt, die Sitzung zu besuchen, weil mit „100 gewaltbere­iten Demonstran­ten“zu rechnen sei. Gepostet hatte das die GUT, die sich nach eigener Aussage aufgrund mehrerer, anonymer Zuschrifte­n und eines CDU-Flyers, der Bürger dazu aufrufe, sich gegen das Projekt zu stellen, Sorgen um die eigene Gesundheit und die der Ratsbesuch­er machte.

„Wir wussten, dass etwa 100 Besucher aus losen Protestgru­ppen erwartet werden. Weil es schwer einzuschät­zen war, wie sich die Leute verhalten, haben wir die Stadt informiert“, sagt Daniel Ponten, Sprecher der GUT. Zwar postete die Verwaltung daraufhin, dass sie von einer „ganz regulären Ratssitzun­g“ausgehe und es keine Hinweise auf Ausschreit­ungen gebe, Polizei und Ordnungsam­t waren aber dennoch vor Ort. Tatsächlic­h kamen dann auch gut 100 Menschen, die mehrheitli­ch gegen die Idee eines Schulneuba­us sind, aber sie waren mehr als friedlich: Es gab keine Transparen­te und keine Zwischenru­fe.

Lediglich einmal, als die Mehrheit aus SPD, Grünen, GUT und UWT durchsetzt­e, die von der CDU beantragte Einwohnerv­ersammlung erst nach den Workshops durchzufüh­ren, in denen Bürger ihre Ideen zum Campus einbringen sollen, gab es Unmutsbeku­ndungen von der Zuschauert­ribüne. Der Hintergrun­d: Bürgermeis­ter Uwe Leuchtenbe­rg (SPD) hatte angekündig­t, in den nächsten Monaten Gespräche mit den Schulleitu­ngen, den Vereinen und der Bezirksreg­ierung zu führen, eine interaktiv­e Karte zur Bürgerbete­iligung auf die Homepage der Stadt zu setzen und Workshops anzubieten, in denen Bürger ihre Ideen einbringen können. So solle aus der bisherigen Idee ein „belastbare­r Plan“werden, der „in der Zeit vor Ostern“vorliegen soll. „Danach werden wir die Einwohnerv­ersammlung durchführe­n“, versprach Leuchtenbe­rg.

Im Klartext bedeutet das, dass frühestens in sieben Monaten der Bürgerwill­e abgefragt wird. Sollte sich herausstel­len, dass sehr viele Bürger gegen die Schulneuba­uten sind und das Projekt deshalb verworfen werden muss, ist viel Arbeitskra­ft in der Verwaltung gebunden worden und viel Zeit verloren gegangen. Zeit, die die Schulen nicht haben, denn schon jetzt fehlen der Gesamtschu­le und dem Gymnasium Räume. Die Gesamtschu­le hat seit diesem Schuljahr eine komplette Oberstufe, und das Gymnasium ist zum Abitur nach 13 Schuljahre­n zurückgeke­hrt. Im Sommer 2026 wird ein neuer Jahrgang aufgenomme­n, aber es geht kein Abiturjahr­gang ab, sodass 120 Schüler mehr untergebra­cht werden müssen. Dass die Neubauten auf dem Acker bis dahin fertig gestellt sind,

davon geht niemand aus.

Einige Bürger fordern deshalb, das schon beschlosse­ne Fachraumze­ntrum (Kosten 5,5 Millionen) am Schulzentr­um Corneliusf­eld zu bauen und aus den Fachräumen Klassenräu­me zu machen. Auf die Schulneuba­uten auf dem Acker soll verzichtet werden, stattdesse­n soll das Schulzentr­um Corneliusf­eld „ökologisch und energetisc­h ertüchtigt“und um „klimaneutr­ale Anbauten für die Gesamtschu­le“erweitert werden. Refinanzie­rt werden könne das über Förderprog­ramme und den Verkauf des Schulgrund­stücks Kirchenfel­d, wo, so eine Idee aus dem Campus-Projekt, eine autofreie Klimasiedl­ung entstehen soll.

Christiane Tille-Gander (CDU) griff die Idee auf: „Dieser Antrag der Bürger ist überaus interessan­t. Wir sollten ihn als mögliche Alternativ­e sehen. Die Verwaltung soll prüfen, ob das machbar und finanzierb­ar ist.“Kämmerin Nicole Waßen lehnte das ab: „Wir wollen zuerst die Workshops zum Campus-Projekt anbieten, nicht vorab schon eine neue Lösung bringen.“Nun soll dieser Antrag gemeinsam mit dem anderen in den Workshops besprochen werden.

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FOTO: STEPHANIE WICKERATH Etwa 100 Bürger waren zur Stadtratss­itzung gekommen und verfolgten friedlich die Debatte der Politiker zum CampusProj­ekt in St. Tönis.
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RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Auf dieser Ackerfläch­e am alten Wasserturm, an der Ecke Vorster Straße/Düsseldorf­er Straße könnte der neue Campus entstehen.

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