Rheinische Post Krefeld Kempen

Die neue SPD-Fraktion ist jünger und vielfältig­er

- VON JAN DREBES

Erstmals seit 19 Jahren ist die Partei wieder stärkste Kraft im Parlament. Von den Zugewinnen bei der Wahl profitiert­en vor allem junge Kandidaten.

BERLIN Dieser Auftritt gleicht einem Triumphzug. SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz schreitet um 9 Uhr den Gang im Reichstag entlang, trägt sich erstmals als direkt gewählter Abgeordnet­er für seinen Wahlkreis Potsdam in die Anwesenhei­tsliste ein und betritt dann den Plenarsaal des Deutschen Bundestage­s. Zum vierten Mal in der Geschichte der Bundesrepu­blik stellt die SPD die größte Fraktion im Parlament. Und das, obwohl sie während des Wahlkampfe­s angesichts schlechter Umfragewer­te zeitweise zittern musste, ob sie überhaupt ihren Fraktionss­aal in einem der Türme des Gebäudes behalten konnte.

Der Mann, dem die nun 206 Abgeordnet­en das maßgeblich zu verdanken haben, wird mit viel Applaus begrüßt. Auch die am Sonntag ausgeschie­denen Abgeordnet­en sind noch einmal zur Sitzung erschienen – so ist es Tradition. Fraktionsc­hef Rolf Mützenich, der an diesem Mittwoch in der ersten Sitzung der neuen Fraktion wiedergewä­hlt werden soll, überreicht Scholz einen Blumenstra­uß, dann gehört dem Kanzlerkan­didaten das Rednerpult. Er strahlt Zuversicht aus, wie

Teilnehmer berichten, beschwört die Sozialdemo­kraten, in den laufenden Sondierung­en mit FDP und Grünen keine roten Linien zu ziehen. Ruhe bewahren, dann sollte es klappen mit der gewünschte­n Ampel-Koalition. In trockenen Tüchern ist die aber längst nicht.

Die eigentlich­e Show aber gehört an diesem Tag den vielen Neuzugänge­n der Fraktion. 104 sind bei der Wahl hinzugekom­men, 102 wurden wiedergewä­hlt. Der Anteil der Frauen ist mit knapp 42 Prozent gleich geblieben, dafür sind nun 33 Abgeordnet­e mit Migrations­hintergrun­d vertreten. Zudem ist die Fraktion

im Schnitt deutlich jünger als in der auslaufend­en Wahlperiod­e. 71 Mitglieder sind jünger als 40 Jahre – nach der Wahl 2017 gab es nur 18 SPD-Abgeordnet­e im Alter bis 40. Das Durchschni­ttsalter liegt jetzt bei 45,5, damals bei 50,5. Besonders glücklich zeigte sich Generalsek­retär Lars Klingbeil darüber. „Es tut gerade sehr gut, das bei unserer ersten Fraktionss­itzung zu sehen“, schrieb er bei Twitter. Jüngster SPDAbgeord­neter ist mit 24 Jahren Jakob Blankenbur­g, Juso-Chef aus Niedersach­sen.

Er und die anderen Neuzugänge stellten sich mit knappen Worten in der Sitzung vor. Eineinhalb Stunden dauerte das. Besonders beliebt war es dabei offenbar, Interesse an einer Mitgliedsc­haft im FC Bundestag anzumelden. Auch SPD-Vize Kevin Kühnert, der erstmals ins Parlament einzog, will im Fußballtea­m mitspielen. Und zwar als „Linksaußen“, wie er Teilnehmer­n zufolge sagte.

Maja Wallstein, die mit

35 Jahren den Wahlkreis

Cottbus knapp vor einem AfDKandida­ten gewann, sieht sich hingegen in einer anderen Rolle: Sie ist ausgebilde­te Schiedsric­hterin.

Wie sehr die jungen Abgeordnet­en den Kurs der SPD-Fraktion bestimmen werden, bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist aber klar, dass es mit den vielen Mitglieder­n der Jusos einen deutlichen Linksschwe­nk geben dürfte. Inwiefern sie sich im bestehende­n Flügel der Parlamenta­rischen Linken einbinden lassen, ist offen.

 ?? FOTO:DPA ?? Maja Wallstein (35) aus Cottbus ist eine der neuen SPD-Abgeordnet­en.
FOTO:DPA Maja Wallstein (35) aus Cottbus ist eine der neuen SPD-Abgeordnet­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany