Rheinische Post Krefeld Kempen

Endstation Hausarrest

- VON RACHEL BOSSMEYER UND MICHAEL EVERS

Vom französisc­hen Staatspräs­identen zum abgeurteil­ten Straftäter: Nicolas Sarkozy ist in Paris wegen illegaler Wahlkampff­inanzierun­g verurteilt worden. Er will in Berufung gehen, nicht nur gegen dieses Urteil.

PARIS (dpa) Seit Jahren steht Frankreich­s ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy wegen diverser Affären im Fokus der Justiz, zum zweiten Mal binnen weniger Monate hat ein Gericht ihn nun zu einer Haftstrafe verurteilt. Wegen illegaler Wahlkampff­inanzierun­g verhängte das Gericht in Paris am Donnerstag ein Jahr Haft für das ehemalige Staatsober­haupt, das zum Urteilsspr­uch selber nicht im Justizpala­st erschien. Die Strafe kann der 66-Jährige als elektronis­ch überwachte­n Hausarrest mit einer Fußfessel verbüßen. Ob es so weit aber wirklich kommt, ist noch offen. Wie schon beim Hafturteil vom März kündigte Sarkozys Verteidigu­ng Berufung an.

Zahlreiche Kamerateam­s und Medien drängten sich am Morgen an dem Verhandlun­gssaal im modernen Pariser Justizkomp­lex. Obwohl in Frankreich schon häufiger Politiker wegen unklarer Geldströme vor Gericht landeten, hatte der Strafproze­ss gegen den ehemaligen Präsidente­n Seltenheit­swert. Nicht zuletzt, weil es in dem Verfahren gegen den als „Sarko“bekannten früheren Präsidente­n um riesige Summen Geld geht. Denn bei seiner letztlich gescheiter­ten Wiederwahl­kampagne 2012 überschrit­t Sarkozy die aus Gründen der Chancengle­ichheit zwischen den Kandidaten gedeckelte­n Kosten deutlich. Statt der erlaubten 22,5 Millionen Euro gab Sarkozys Team nach Feststellu­ng des Pariser Gerichts mindestens 42,8 Millionen Euro aus.

Um die Mehrausgab­en zu vertuschen, habe seine Partei Union pour un Mouvement Populaire (UMP, deutsch: Union für eine Volksbeweg­ung) – mittlerwei­le in Republikan­er umbenannt – die Ausgaben durch ein System fiktiver Rechnungen getarnt, hieß es im Urteilsspr­uch. Erfunden haben soll Sarkozy das System zwar nicht, er habe aber zwei schriftlic­he Hinweise von Buchhalter­n ignoriert und weitere Wahlkampfa­uftritte mit zusätzlich­en Kosten absolviert.

In der Urteilsbeg­ründung betonte die Vorsitzend­e Richterin die besondere Schwere der Vergehen, sprach von einer großen Summe Geld und einer Vielzahl manipulier­ter Dokumente. Sarkozy habe die Obergrenze für Wahlkampfa­usgaben gekannt. Es sei auch nicht sein erster Wahlkampf gewesen. Der Konservati­ve saß von 2007 bis 2012 im ElyséePala­st.

Sarkozy hatte die Vorwürfe im Prozess zurückgewi­esen. Die Anklage hatte ein Jahr Haft, davon die Hälfte auf Bewährung, und eine Geldstrafe gefordert. Sarkozys Verteidigu­ng plädierte auf Freispruch. In dem Verfahren standen 13 weitere Personen wegen des Verdachts auf Betrug und Beihilfe vor Gericht. Das Gericht sprach sie alle schuldig und verhängte Haftstrafe­n zwischen zwei und dreieinhal­b Jahren. Diese wurden teils auf Bewährung ausgesetzt und können im Übrigen im Hausarrest verbüßt werden.

Die Verurteilu­ng folgt für Sarkozy nur wenige Monate nach einer vorherigen Niederlage vor Gericht. Im März war er in einer anderen Affäre wegen Bestechung und unerlaubte­r Einflussna­hme zu drei Jahren Haft verurteilt worden, davon zwei auf Bewährung. Der frühere Präsident kündigte Berufung an. Und auch wegen seines ersten

Wahlkampfs 2007 laufen weiter Ermittlung­en der französisc­hen Justiz gegen den einstigen Hoffnungst­räger von Frankreich­s bürgerlich­er Rechten. Im Raum steht dabei der Vorwurf von Zahlungen aus Libyen.

Sarkozy ist nicht der erste frühere hochrangig­e Politiker in Frankreich, der vor Gericht schuldig gesprochen wird. Ex-Präsident Jacques Chirac erhielt 2011 wegen Veruntreuu­ng und Vertrauens­bruch in seiner Zeit als Pariser Bürgermeis­ter eine Bewährungs­strafe von zwei Jahren. Auch die ehemaligen Premiers François Fillon, Alain Juppé und Edith Cresson wurden wegen verschiede­ner Vergehen verurteilt.

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FOTO: MICHEL EULER/AP Anfang März erschien Nicolas Sarkozy noch persönlich zum Prozess in Paris, bei der Urteilsver­kündung am Donnerstag war er nicht anwesend.

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