Rheinische Post Krefeld Kempen
Jetzt impfen nur noch die Ärzte
Seit gestern sind alle 53 bisherigen Zentren in NRW geschlossen. Jetzt verlagert sich die Kampagne auf Haus- und Betriebsärzte – es sei denn, eine neue Corona-Welle würde die Rückkehr zur zentralen Lösung erforderlich machen.
DÜSSELDORF Mehr als zwei Drittel der Bürger in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile zweimal gegen Covid-19 geimpft worden. Rund 70 Prozent haben zumindest eine Erstimpfung bekommen. Viele haben ihre Spritze in einem der 53 Impfzentren erhalten, die ab Februar eröffnet wurden. Am Donnerstag haben nach einem guten halbem Jahr die letzten von ihnen wieder geschlossen, einige hatten in den Tagen und Wochen zuvor schon den Betrieb eingestellt. Aber Sorgen um die eigene Impfung muss sich nach Angaben von Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), niemand machen. „Das werden die Praxen sehr gut schaffen“, sagte Bergmann in Düsseldorf.
Die Begründung: Ein Großteil der Bevölkerung sei geimpft, und außerdem sei die Nachfrage nach einem Piks bei Weitem nicht mehr so stark wie in der Hochzeit der Impfungen im Frühsommer dieses Jahres. Dass die Impfbereitschaft deutlich zurückgegangen ist, hat Bergmann aber noch einmal zu einem Appell veranlasst. „Vielleicht lassen sich jene, die sich bisher nicht zu einer Impfung entschließen konnten, durch die Zahlen ja doch noch überzeugen.“
Gemeint sind damit die statistischen Informationen darüber, wie groß die Gefahren für Geimpfte und wie groß sie für Ungeimpfte sind. Danach mussten bei den Ungeimpften bundesweit zwischen dem 23. August und dem 18. September pro 100.000 Einwohner 76,4 Menschen über 60 Jahre mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden; bei den Geimpften waren es nur vier. Vergleichbar sind die Unterschiede auch bei Jüngeren: Zwischen 18 und 59 Jahren waren es 31 Ungeimpfte und 1,3 Geimpfte. Und selbst bei den Zwölf- bis 17-Jährigen, bei denen die sogenannte Hospitalisierungsrate ohnehin gering ist, ist die Differenz gravierend: 5,6 (Ungeimpfte) zu 0,4.
Also: impfen lassen. Aber nicht mehr in den Zentren, sondern nur noch bei den niedergelassenen Ärzten und den Betriebsärzten. Die Anzahl impfender Praxen sei zuletzt wieder leicht gestiegen und liege bei knapp 3400 in Nordrhein, erklärt die
KVNO. Neben ihnen sollen verstärkt mobile Impfteams in Städten und Gemeinden unterwegs sein.
Allerdings ist ein erneuter Einsatz von Impfzentren nicht ausgeschlossen, wenn die Entwicklung der Pandemie das notwendig machen sollte. „Das ist vom Einzelfall abhängig und von der Frage, wie schnell dann flächendeckend geimpft werden müsste“, so Bergmann. Ein Neustart der Zentren wäre aus seiner Sicht zügig möglich: „Beim ersten Mal war das in einem Turbo-Zeitraum binnen weniger Wochen möglich“so der KV-Chef. Einige Kommunen im Lande wollen mit Blick auf eine mögliche neue Welle die Impfzentren vorhalten. In Solingen beispielsweise wird für eine mögliche vorübergehende Nutzung ein Standort für ein Mini-Impfzentrum gesucht; in Mönchengladbach gibt es ein ähnliches Vorhaben, in Wesel ist der Mietvertrag für die Räumlichkeiten, in denen bislang das Impfzentrum untergebracht war, verlängert worden.
Aber die Wiedereröffnung der Zentren ist nur für den Notfall gedacht. Ansonsten impfen jetzt nur noch die Ärzte. Daran ändert weder die bevorstehende Grippeschutzimpfung etwas noch die Tatsache, dass mittlerweile auch Auffrischungsimpfungen angelaufen sind. Für Letztere hat die ständige Impfkommission eine Empfehlung für Menschen mit einer Immunschwäche gegeben. Das sind beispielsweise jene, die mit HIV infiziert sind, eine Chemotherapie machen oder sie gerade hinter sich haben. In der vergangenen Woche war laut KV Nordrhein jede fünfte der 100.000 Impfungen eine Auffrischung. Im Bochumer Impfzentrum hat ein 100-Jähriger mit dem
Booster die letzte Impfung erhalten, nachdem er im Februar dieses Jahres als Erster geimpft worden war.
Zu der Frage, in welchem zeitlichen Abstand die Auffrischung des Schutzes gegen Covid-19 und die diesjährige Grippeschutzimpfung erfolgen sollten, gibt es offensichtlich keine einhellige Meinung. Zunächst hatte es geheißen, dass zwischen beiden Impfungen zwei Wochen liegen sollten. Der Hausärzteverband Nordrhein hatte aber jüngst erklärt, dass Studien zufolge beide Impfungen an einem Tag kein Problem für die Impflinge seien. In der Hinsicht sei „die Interpretation zurückhaltend“, so Bergmann am Donnerstag. Die Einhaltung eines Zwei-Wochen-Zeitraums sei kein Problem, weil es keinen Zeitdruck gebe. „Der Impfschutz ist ja nicht komplett weg“, so der KV-Nordrhein-Chef.