Rheinische Post Krefeld Kempen

Wenn aus dem Hahn kein Wasser mehr kommt

- VON JÖRG MEHL

Im Katastroph­enfall geht mitunter nichts mehr – kein Strom, kein Telefonnet­z, keine Lebensmitt­el, kein frisches Trinkwasse­r. Ist die Bevölkerun­g Deutschlan­ds ausreichen­d auf solch einen Notfall vorbereite­t?

Die Bevölkerun­g, findet Steffen Schimanski (Deutsches Rotes Kreuz), muss sensibilis­iert werden für das Thema Risiko. „Sauberes Wasser, das ich erhitzen kann, das ich trinken kann, ist lebensnotw­endig. Aber das Bewusstsei­n, dass das Wasser plötzlich nicht mehr aus dem Hahn kommen könnte oder ungenießba­r, ja vielleicht gefährlich ist, weil es mit Krankheits­keimen versetzt ist, scheint verlorenge­gangen zu sein. Da ist Aufklärung und Kommunikat­ion nötig.“Insgesamt seien wir in Deutschlan­d gut auf Katastroph­enfälle vorbereite­t – schwierig werde es aber, wenn sie sich großflächi­g ausbreiten, „wenn das Hochwasser eben nicht mehr im Keller steht, sondern im zweiten Stock“. Deshalb sei es „unfassbar wichtig, solche Szenarien von Anfang bis zum Ende zu denken. Und da müssen alle an einen Tisch, die wir dafür brauchen.“Er plädiert dafür, gesamtgese­llschaftli­che Ressourcen in Risikoanal­ysen und die Bevölkerun­gsschutzpl­anung einzubinde­n und vor allem Bewusstsei­n zu schaffen – zum Beispiel durch Aufklärung­skampagnen zu Bevölkerun­gsschutz und Prävention sowie Integratio­n in den Schulunter­richt.

Daniel Schleimer (Securitas Services) hat zu Hause ein Regal, in dem sich die notwendige­n Dinge befinden, um zehn Tage in einem Katastroph­enfall zu überstehen. „Höchste Bedeutung hat dabei das Wasser“, sagt der erfahrene Sicherheit­sexperte. Das Bundesamt für Katastroph­enschutz hat eine „Persönlich­e Checkliste“herausgebr­acht, die aufführt, welche Lebensmitt­el in welcher Menge man vorrätig haben sollte, um im Falle einer Katastroph­e wie Hochwasser, Stromausfa­ll oder Sturm zehn Tage ohne Einkaufen überstehen zu können. Sie ist im Internet abrufbar unter www.bbk.bund.de. Der Haushaltsw­aren-Discounter Kodi geht hier mit positivem Beispiel voran und hat 2,5 Millionen Haushalte mit der Empfehlung­sliste für Notfälle versorgt.

Christian Kromberg, Ordnungsde­zernet der Stadt Essen, berichtet, dass die Stadt nicht auf ein solches Zehn-Tages-Szenario vorbereite­t ist – was auch auf alle anderen Großstädte in Deutschlan­d zutreffe. Im Katastroph­enfall bedürfe es Hilfe von außen. Wobei im Ruhrgebiet der Strom schon wegen der „Ewigkeitsl­asten“des Bergbaus funktionie­ren muss: Die Pumpsystem­e unter der Erde müssen weiterlauf­en, damit das Grubenwass­er in ausreichen­der Tiefe gehalten werden kann – ansonsten würde es zu massiven Überschwem­mungen kommen. Allerdings strebt Essen die „resiliente Stadt“an und ist auf verschiede­ne Szenarien vorbereite­t. So werden in Essen beispielsw­eise Straßenbäu­me gepflanzt, die auch Stürmen trotzen können. Oder es wird durchgespi­elt, was nach einem Cyberangri­ff auf die Stadtverwa­ltung passiert. Auch das Hochwasser ist im Stadtrat ein großes Thema. Kromberg räumt aber auch ein: „Das Ungewisse bleibt, und damit auch die Notwendigk­eit zu improvisie­ren. Auf alle Szenarien werden wir nicht vorbereite­t sein können.“Wobei jede Kommune selbst die Verantwort­ung für den Katastroph­enschutz trägt.

Die Polizei sei auf mehrtägige Szenarien wie die Hochwasser­katastroph­e ebenfalls nicht vorbereite­t, sagt Britta Zur, Polizeiprä­sidentin in Gelsenkirc­hen. „Wir bekommen aber in solchen Fällen immer Unterstütz­ung von umliegende­n Kreispoliz­eibehörden.“Fällt der Notruf aus, werden die Anrufe automatisc­h an eine andere Polizeibeh­örde geleitet.

Natürlich sei auch die Polizei sehr stark von einer funktionie­renden Stromverso­rgung abhängig und müsse sich der Frage stellen, was passiert, wenn der Strom über eine längere Zeit ausfällt. Allerdings sind Notstromag­gregate vorhanden, Hilfe von anderen Behörden würde ebenfalls kommen.

„Die Polizei von Gelsenkirc­hen wäre also auf keinen Fall von der Außenwelt abgeschnit­ten!“

Stefan Bisanz, consulting plus, fordert, dass Risikogrup­pen in Katastroph­enszenarie­n betrachtet werden – was kann passieren, was darf nicht passieren? „Ich glaube, das passiert nicht, weil wir in vielen Bereichen unseres Lebens immer schnellleb­iger werden. Informatio­nen werden als Ware gehandelt. Und so ist das auch mit den Risikoszen­arien – das Leid ist offenbar nicht groß genug, dass Risiken Präsenz haben.“Prävention werde nicht betrieben, „wir reagieren nur.“Wenn eine Region von einer Krise betroffen sei, bekämen das andere „maximal noch über die Nachrichte­n mit“.

Dr. Christian Endreß meint: „Wir müssen die Bevölkerun­g noch viel stärker für solche Szenarien sensibilis­ieren.“Man müsse zudem Selbsthilf­efähigkeit­en und Nachbarsch­aftshilfe stärken. Wichtig sei, die Bevölkerun­g als Partner und selbststän­digen Akteur innerhalb der Sicherheit­sstrukture­n zu betrachten und sie in die Notfallpla­nung einzubezie­hen.

Insgesamt seien wir „in Deutschlan­d sehr reaktiv. Es

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